Berlin Die Ukraine hat mit Luftangriffen auf russische Großstädte wie Moskau, St. Petersburg und Jekaterinburg gedroht, falls Russland die Attacken auf zivile Infrastruktur wie die Stromversorgung nicht stoppen sollte. Das sagte der ukrainische Präsidentenberater Michailo Podoljak in einem Youtube-Interview.
Wörtlich erklärte Podoljak: „Die Ukraine schlägt nicht gegen Russland zu. Dennoch wird eine Eskalation des Kriegs innerhalb Russlands unvermeidlich sein. Auch Städte wie Moskau, St. Petersburg, Jekaterinburg, verwöhnte, faule Städte, die glaubten, in einer anderen Realität zu leben, werden entlarvt.“
Sollte Russland seine Luftangriffe auf Stromleitungen, Heizkraftwerke, Wasseraufbereitungsanlagen und andere zivile Objekte nicht einstellen, würden entsprechende Gegenangriffe „unabwendbar“. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew wurde wegen gemeldeter russischer Angriffe am Mittwoch drei Mal Luftalarm ausgelöst.
Der ukrainische Geheimdienst SBU unterstrich die Ernsthaftigkeit der Drohungen: „Wir haben den Flugplatz Engels an der Wolga getroffen, da erreichen wir auch Moskau“, hieß es in einer SBU-Erklärung, nachdem ukrainische Drohnen russische Kampfbomber auf dem deutlich weiter als Moskau entfernten Militärflugplatz an der Wolga getroffen hatten.
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Kremlsprecher Dmitri Peskow sprach von einer „ukrainischen Eskalation“. Russlands Führung scheint die Warnungen allerdings ernst zu nehmen: Inzwischen wurden gut sichtbar auf dem direkt am Moskwa-Ufer gelegenen Verteidigungsministerium Flugabwehrsysteme vom Typ Pantsir S1 aufgestellt. Auch im Kreml und in immer mehr Moskauer Parks entdecken Moskowiter ähnliche Stellungen. Am Wochenende wurden im Moskauer Umland ausweislich entsprechender offizieller Aufnahmen der russischen Armee große Militärübungen mit Flugabwehrsystemen abgehalten.
Auch Putins Residenzen werden extra geschützt
Pantsir-S1-Systeme sollen laut oppositionellen russischen Medien auch in der Nähe der offiziellen Residenzen von Präsident Wladimir Putin in Nowo-Ogarjowo außerhalb Moskaus und in der Region Nowgorod stationiert worden sein. Die Stationierung von Luftabwehrbatterien in der russischen Hauptstadt geschah offenbar kurz nach erfolgreichen Drohnenangriffen auf Flugplätze in den russischen Regionen Saratow und Rjasan, etwa 600 Kilometer von der ukrainischen Front entfernt, die Kiew zugeschrieben werden.
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Die Moskauer Bevölkerung ist zunehmend wütend und verunsichert: „Als ich erste Berichte über Luftabwehrsysteme in Moskau las, dachte ich, das seien Fake News. Aber als ich dann von meinem Balkon aus selbst welche sah, war ich geschockt“, sagt eine Moskauerin, die in der Innenstadt lebt und mit der sich das Handelsblatt über Social-Media-Kanäle in Verbindung setzen konnte. Ein Mann beklagte sich, dass er durch nächtliches Übungsfeuer geweckt worden sei, wobei er erst an ein unangemeldetes Feuerwerk gedacht habe: „Es war wirklich beängstigend.“
Vor allem sind Hauptstädterinnen und Besucher Moskaus verärgert, dass ihnen nichts dazu erklärt wird, warum plötzlich an vielen Orten Flugabwehrsysteme installiert werden. Bilder davon werden reichlich auf Kanälen des Messengerdienstes Telegram gepostet. „Wir werden für dumm verkauft. Unsere Regierung scheint etwas zu wissen, aber sagt wie immer nichts. Und Putin wird schon geschützt, wir nicht“, so eine andere Moskauerin.
„Russische Luftverteidigung in beklagenswertem Zustand“
Die Sorgen scheinen nicht unbegründet zu sein: „Die Ukraine ist technisch in der Lage, Drohnen zu schicken, die Moskau erreichen könnten“, sagte der Militärexperte Juri Fjodorow. Die Frage sei, warum diese Drohnen auf ihrem Weg von der Ukraine nach Moskau nicht von den russischen Luftabwehrsystemen abgefangen werden könnten.
Wir haben den Flugplatz Engels an der Wolga getroffen, da erreichen wir auch Moskau. Erklärung des ukrainischen Geheimdiensts SBU
Die neu in Moskau installierten Systeme seien „ein Zeichen dafür, dass sich die russische Luftverteidigung in einem beklagenswerten Zustand befindet“, fügte er hinzu. Tatsächlich ist es an mehreren russischen Orten weit hinter der Grenze bereits zu Angriffen auf Öllager, Eisenbahnlinien und Militärlager gekommen.
Die demonstrative Sichtbarkeit der neuen Raketenabwehrsysteme könnte aber auch ein Propagandamittel sein: Dem amerikanischen Institute for the Study of War zufolge könnte ein Ziel der Stationierung solcher Anlagen in dicht besiedelten städtischen Gebieten sein, „Bilder zu erzeugen, die den Krieg für die russische Öffentlichkeit als bedrohlicher darstellen“.
Der Krieg werde damit auch vonseiten der russischen Führung näher an die Bevölkerung gebracht, um diese zu mobilisieren. Bislang sind weite Teile des russischen Volkes abwartend oder passiv.
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