London Als Rishi Sunak im Oktober 2022 als britischer Premierminister in 10 Downing Street einzog, versprach er eine Regierung mit „Integrität, Professionalität und Verantwortlichkeit auf allen Ebenen“. Das war als Schlussstrich unter die zahlreichen Skandale seines Vor-Vorgängers Boris Johnson gemeint. Drei Monate später stecken Sunak und sein Kabinett erneut in einem Sumpf von Affären, der in London erhebliche Zweifel an der Führungsstärke des Premiers geweckt hat.
Am Pranger steht diesmal der Chairman der Konservativen Partei, Nadhim Zahawi. Der 55-Jährige wurde während seiner kurzen Amtszeit als Finanzminister im Sommer letzten Jahres von den Steuerfahndern seines eigenen Ministeriums ins Visier genommen. Der Grund: Zahawi hatte offenbar die Gewinne aus dem Verkauf seiner Anteile an dem von ihm mitgegründeten Meinungsforschungsinstitut Yougov nicht ordnungsgemäß versteuert. Beide Seiten einigten sich auf eine Steuernachzahlung plus Strafe von rund fünf Millionen Pfund (umgerechnet etwa 5,7 Millionen Euro).
Dass ein Schatzkanzler versucht, mithilfe eines Familientrusts auf Gibraltar Steuern zu vermeiden, dürfte vielen Briten bereits bitter aufstoßen. Dass Zahawi von Sunak dennoch zum Parteichef gekürt wurde und heute immer noch am Kabinettstisch sitzt, macht die unangenehme Affäre zum Problem des Premierministers. Sunak behauptete am Mittwoch in der parlamentarischen Fragestunde, er habe von den Steuersünden seines Parteifreunds nichts gewusst.
Dennoch gebe es „Fragen, die beantwortet werden müssten“. Der Regierungschef hat deshalb eine Untersuchung seines Ethikberaters Sir Laurie Magnus veranlasst, um der Sache „auf den Grund zu gehen“. Bis dahin, das stellte Sunak im Unterhaus klar, werde er Zahawi nicht entlassen.
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Prominente Tories wie der ehemalige Parteichef William Hague sind anderer Meinung und fordern vom Premierminister eine schnelle Entscheidung. Dass sich Sunak selbst noch vor einigen Monaten für den steuerlichen Sonderstatus seiner in Indien beheimateten Frau Akshata Murty rechtfertigen musste, macht die Sache nicht besser.
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Für Oppositionschef Keir Starmer von der Labour Partei ist die neue Affäre eine Steilvorlage: „Ist der Premier der Meinung, dass jemand, der versucht, Steuern zu vermeiden, nicht gleichzeitig für die Steuern des Landes verantwortlich sein kann?“, wollte Starmer von Sunak wissen. Dass der Premier darauf ein Antwort verweigerte, deutete der Labour-Chef als Zeichen der Führungsschwäche.
Und hier trifft Starmer einen wunden Punkt, ist es doch nicht das erste Mal, dass der Premier zögert, Parteifreunde für deren Verfehlungen zur Verantwortung zu ziehen. So berief Sunak die umstrittene Innenministerin Suella Braverman in sein Kabinett, obwohl die Tory-Politikerin kurz zuvor wegen der Weitergabe vertraulicher Dokumente zurückgetreten war. Auch seinen Vizepremier Dominic Raab ließ er ungeschoren trotz massiver Vorwürfe von Mitarbeitern, er sei ein „Bully“.
Dass Sunak nicht so führungsstark sein kann, wie er vielleicht möchte, hat auch mit seiner politische Schwäche zu tun. Obwohl die Tories im Unterhaus eine Mehrheit von 67 Sitzen haben, ist die Partei in vielen Fragen gespalten. So musste Sunak kürzlich Forderungen von rund 50 Fraktionsmitgliedern nachgeben, die das neue Sicherheitsgesetz im Internet erheblich verschärfen wollten. Zuvor hatte sich der Premier schon im Streit über verbindliche Ziele für den Haus- und Wohnungsbau dem Willen von Tory-Rebellen gebeugt sowie seinen Widerstand gegen neue Windkraftanlagen an Land aufgegeben.
BBC-Chef half bei einem privaten Kredit für Boris Johnson
Für die Opposition sind das alles Anzeichen von Schwäche einer konservativem Partei, die nun seit 13 Jahren regiert, in den Meinungsumfragen aber mehr als 20 Prozentpunkte hinter Labour zurückliegt. Selbst konservative Stimmen wie die Zeitschrift „The Spectator“ vergleichen den Niedergang der von Skandalen und Streit gebeutelten Tories mit den letzten Tagen der Regierung von Ex-Premier John Major vor dem Erdrutschsieg von Tony Blair 1997.
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Dass Sunak dem Skandalimage seiner Partei nicht entrinnen kann, dafür sorgen schon die Sünden seiner Vorgänger. So ließ sich Ex-Premier Johnson wie vor Kurzem bekannt geworden mithilfe des heutigen BBC-Chairmans Richard Sharp einen privaten Kredit von 800.000 Pfund vermitteln. Kurz danach empfahl Johnson den ehemaligen Goldman-Sachs-Banker für den Spitzenjob bei der BBC.
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