Berlin Nach der grundsätzlichen Entscheidung der westlichen Partner, die Ukraine auch mit Kampfpanzern zu unterstützen, formiert sich jetzt die „Koalition der Willigen“. Polens Vize-Verteidigungsminister Wojciech Skurkiewicz sagte am Donnerstag, sobald die ukrainischen Soldaten die Ausbildung absolviert hätten, werde Polen die zugesagten Leopard 2 an die Ukraine übergeben. Das sei eine Frage von „mehreren Wochen“.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kündigte bei einem Truppenbesuch auf dem Übungsplatz Altengrabow an, Ziel sei, dass die zugesagte Leopard-Kompanie aus Deutschland Ende März oder spätestens im April in der Ukraine zum Einsatz kommen könne. Die Ukraine erhält damit jene Waffensysteme, die sie nach Einschätzung von Militärexperten benötigt, um die erwartete russische Frühjahrsoffensive zurückzuschlagen.
Lob kommt von der wichtigsten Nato-Macht, den USA. „Deutschland ist weiter ein starker Verbündeter der Vereinigten Staaten, und wir sind dankbar für die deutsche Rolle als einer der größten Geber von Hilfe für die Ukraine“, sagte Amerikas Nato-Botschafterin, Julianne Smith, dem Handelsblatt. Die Bereitstellung deutscher Leopard-Panzer sei ein erneutes Beispiel für die „unerschütterliche Unterstützung und das dauerhafte Engagement der Nato-Verbündeten für die Ukraine“.
Die Amerikaner seien ihrerseits froh darüber, „dass wir auch Abrams-Panzer beisteuern können, die es der Ukraine ermöglichen werden, ihr Hoheitsgebiet zu verteidigen“, betonte Smith.
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Doch nach dem langen Ringen um die Panzer-Entscheidung bleibt nicht nur Erleichterung, sondern auch Frust. Frust darüber, dass das wochenlange Gezerre erneut sichtbar gemacht hat, wie schwach Europa militärisch ist. EU-Diplomaten räumen das ein, hinter vorgehaltener Hand ist sogar von einem „Desaster“ die Rede.
Selbst das wirtschaftlich mächtigste Land Europas, die Bundesrepublik, wagt sich nur im Gleichschritt mit den Amerikanern aus der Deckung – dieses Verhalten habe „alle Klischees erfüllt“, die es in Militärkreisen über Deutschland gebe, heißt es. Bei Fragen der eigenen Sicherheit sind die Europäer nur im Verbund mit den USA handlungsfähig. Der Traum der europäischen Souveränität zerschellt an den Realitäten des Ukrainekriegs.
Die Zusage der US-Regierung, Kampfpanzer vom Typ M1 Abrams zu liefern, war notwendig, um die Leopard-Blockade zu brechen. Die USA wollen nun 31 Panzer schicken, genug für ein ukrainisches Bataillon. Allerdings werden die Abrams erst in mehreren Monaten bereitstehen. Dagegen könnten die Leopard-2-Panzer mehrerer EU-Staaten und die Challenger 2, die Großbritannien Kiew versprochen hat, schon im März einsatzbereit sein, wie Pistorius sagte.
Pistorius: „Jeder, der sich Sorgen macht, hat meine Sympathie“
Polen und Deutschland wollen jeweils 14 Leopard 2 liefern, Portugal vier und Norwegen acht. Spanien, Finnland und die Niederlande haben ebenfalls Panzer zugesagt. Auch mit Kanada wollte Pistorius am Donnerstag über eine Beteiligung an der Panzer-Allianz sprechen. Insgesamt kann die Ukraine damit rechnen, in den nächsten Monaten mehr als 100 westliche Kampfpanzer zu erhalten.
Allerdings hatte die ukrainische Militärführung betont, es seien mindestens 300 westliche Kampfpanzer erforderlich, wenn neue Offensiven Erfolg haben sollten.
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Dass sich Kanzler Olaf Scholz (SPD) damit nun brüstet, ein breites Panzerbündnis geschmiedet zu haben, wird in Brüssel mit Kopfschütteln quittiert. „Das Agieren des Kanzlers hat das Führungsvermögen Deutschlands nachhaltig geschwächt“, sagt der EU-Abgeordnete Reinhard Bütikofer (Grüne), der viele Gespräche mit Politikern aus Osteuropa, dem Baltikum, Frankreich und den USA geführt hat. Das monatelange Zögern des Kanzleramts habe „der deutschen Glaubwürdigkeit bei unseren Partnern und Verbündeten schwer geschadet“.
Pistorius sagte beim Truppenbesuch, er werde nicht müde zu betonen, dass die Bundesregierung nicht gezaudert habe. Man habe mit den Alliierten verhandelt, und das brauche seine Zeit. Es sei nach wie vor richtig und wichtig, keine Alleingänge zu wagen. Der Verteidigungsminister verwies auch darauf, dass die deutsche Bevölkerung in der Kampfpanzerfrage gespalten sei. „Jeder, der sich Sorgen macht, hat meine Sympathie“, betonte Pistorius.
Auch die US-Regierung gibt sich große Mühe, dem Eindruck entgegenzutreten, dass es in der Panzerdebatte zu einem Zerwürfnis mit den Deutschen gekommen sei. Für Präsident Biden ist der Bundeskanzler eine „starke Stimme für die Einheit“ der westlichen Partner.
Polens Premier Mateusz Morawiecki will den Streit ebenfalls vergessen machen. „Die Entscheidung, Leoparden in die Ukraine zu schicken, ist ein großer Schritt, um Russland zu stoppen“, twitterte er. „Gemeinsam sind wir stärker.“ Polen hatte mit seiner Ankündigung, notfalls auch ohne deutsche Genehmigung Leopard-Panzer zu liefern, den Druck auf die Bundesregierung erhöht.
Sicherheitspolitische Erwartungen an Deutschland haben sich zerschlagen
Dennoch, das machen Gespräche mit Diplomaten deutlich, ist Vertrauen verloren gegangen. Die Erwartung der Amerikaner, dass Deutschland in der Sicherheitspolitik mehr Eigeninitiative zeigt, hat sich zerschlagen. Nach fast drei Jahrzehnten Abrüstung ist Europa militärisch noch stärker von den USA abhängig als im Kalten Krieg. Die polnische Regierung wiederum hat mit ihren ständigen Spitzen gegen Deutschland und dem Vorpreschen in der Panzerfrage den Zorn des Kanzleramts auf sich gezogen.
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Pistorius‘ vordringliche Aufgabe besteht nun darin, rasch die Lücke zu füllen, die die Weitergabe von zunächst 14 relativ modernen Leopard 2A6 bei der Bundeswehr reißt. Man stehe in einem „Zielkonflikt“, sagte er. „Aber wir müssen uns entscheiden: Wir können ja der Ukraine schlecht sagen, wir stellen unsere Hilfe ein, weil es bei uns vorübergehend Lücken reißt.“
Das sind andere Töne als bei seiner Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD), die immer betont hatte, die Bundeswehr dürfe mit Blick auf die Landes- und Bündnisverteidigung nicht weiter geschwächt werden.
Der CSU-Vize und Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, forderte eine Neuaufstellung der Rüstungsproduktion in der EU, um die Ukraine unterstützen und Lücken in den eigenen Beständen füllen zu können. Pistorius kündigte an, er werde „vermutlich schon in der nächsten Woche“ Gespräche mit der Rüstungsindustrie führen.
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