Jan 30, 2023
50 Views
Comments Off on Grüne Investitionen: Streit um neuen Schuldenfonds – so viel Geld hat die EU noch in Reserve
0 0

Grüne Investitionen: Streit um neuen Schuldenfonds – so viel Geld hat die EU noch in Reserve

Written by Carsten Volkery


Brüssel Kaum ein Thema spaltet Europa so sehr wie die Frage, ob die Europäische Union neue Gemeinschaftsschulden für den grünen Umbau der Wirtschaft aufnehmen sollte. Das US-Subventionsprogramm IRA (Inflation Reduction Act) alarmiert Europas Politiker und führt zu Forderungen nach einem europäischen „Souveränitätsfonds“.

Hinter dem IRA steckt ein 369-Milliarden-Dollar-Paket, mit dem die US-Regierung grüne Schlüsseltechnologien in ihr Land lotsen will.

Doch in der EU ist der Widerstand gegen neue Schulden zur Bekämpfung der US-Pläne groß. Bundeskanzler Olaf Scholz und der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte verweisen darauf, dass es in den verschiedenen EU-Töpfen noch genug Geld gebe und man diese Mittel nur umwidmen und schneller auszahlen müsse. Lesen Sie im Folgenden einen Überblick, wie viel Geld die EU mobilisieren könnte. 

Der reguläre siebenjährige Haushalt der EU (2021–2027) enthält rund 1211 Milliarden Euro. Hinzu kommt das in der Pandemie beschlossene Sonderbudget „Next Generation EU“ mit weiteren 807 Milliarden Euro (bis 2026). Insgesamt stehen auf EU-Ebene also etwas mehr als 2018 Milliarden Euro zur Verfügung – für sämtliche Politikfelder.

Top-Jobs des Tages

Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.

Ein erheblicher Teil der Mittel fließt in grüne Investitionen: 30 Prozent des EU-Haushalts sind laut Kommission für den Kampf gegen den Klimawandel eingeplant. Von den 723 Milliarden Euro im Corona-Wiederaufbaufonds, einem Unterfonds von „NextGenEU“, sind sogar 40 Prozent für den grünen Umbau der Wirtschaft vorgesehen.

>> Lesen Sie hier auch: EU-Ratspräsident schlägt Vier-Punkte-Plan gegen US-Subventionsprogramm vor

Neben diesen Summen wirken die 369 Milliarden Euro an Steuerrabatten und Subventionen der US-Regierung gar nicht mehr so gewaltig.

„Das Problem ist nicht, dass Europa keine grüne Industriepolitik hat“, sagt Simone Tagliapietra vom Brüsseler Institut Bruegel. „Das Problem ist, dass Europa zu viel davon hat.“ Während die US-Regierung ihre grünen Subventionen unter dem Titel IRA griffig verpackt und vermarktet habe, verteilten sich die Mittel in Europa auf mehrere Ebenen (EU, Mitgliedstaaten, Regionen, Kommunen).

Wie viel Geld liegt noch im Corona-Wiederaufbaufonds?

Der Fonds besteht aus Hilfen (338 Milliarden Euro) und Krediten (385 Milliarden Euro). Der Unterschied zwischen diesen beiden Arten besteht darin, dass die Mitgliedstaaten die Kredite an die Kommission zurückzahlen müssen. Deshalb haben nur sieben Regierungen Kredite beantragt, und zwar insgesamt 165 Milliarden Euro.

Die Hilfen hingegen sind nahezu komplett den Mitgliedstaaten zugeteilt. Das Geld ist in den nationalen Aufbauplänen bis 2026 bereits verplant. Ausgezahlt wurden davon bislang 95 Milliarden Euro.

Aktuell sind also noch 220 Milliarden Euro an Krediten im Fonds verfügbar. Die Regierungen, die bisher darauf verzichteten, haben noch bis Mitte März Zeit, diese Mittel zu beantragen. Es wird erwartet, dass einige südeuropäische Staaten wie Spanien und Portugal das tun, weil sich ihre Finanzierungsbedingungen an den Märkten in den vergangenen zwei Jahren verschlechtert haben. Staaten wie Deutschland hingegen, die selbst zu besseren Zinsen Geld aufnehmen können als die EU, haben kein Interesse daran.

Alle Coronakredite, die nicht abgerufen werden, sollen Mitte März in den neuen EU-Fonds „Repower EU“ fließen. Dieser wurde kurz nach Beginn der Ukraine-Invasion beschlossen, um möglichst schnell unabhängig von russischer Energie zu werden.

Könnte „Repower EU“ die Antwort sein?

Repower EU ist formal ein Unterfonds des Coronafonds. Er enthält einen Grundstock von 20 Milliarden Euro an neuen Zuschüssen, die aus den Einnahmen aus dem europäischen Emissionshandel stammen.

Außerdem wurden fünf Milliarden aus dem Brexit-Anpassungsfonds dorthin umgeschichtet. Hinzu kommen künftig die nicht abgerufenen Coronafonds-Kredite. Je nachdem, wie viel die Staaten bis Mitte März beantragen, wird diese Summe irgendwo zwischen null und 220 Milliarden Euro liegen.

Die Repower-EU-Kredite sind nicht ausschließlich für grüne Investitionen vorgesehen. Auch Flüssiggas-(LNG-)Infrastruktur oder Atomkraftwerke können damit finanziert werden. Ebenso können die Gelder etwa für den Bau von Batteriefabriken eingesetzt werden. Hier könnten die EU-Regierungschefs zum Beispiel ansetzen, wenn sie Gelder stärker auf bestimmte Sektoren fokussieren wollen, die durch den IRA gefährdet sind.

>> Lesen Sie hier auch: Kommentar – Die EU braucht keinen neuen Schuldenfonds

„Man kann mit Repower EU viel machen, um auf den IRA zu reagieren“, sagt Siegfried Muresan, konservativer Haushaltsexperte im Europaparlament. Zwar seien die Coronahilfen keine direkte Antwort auf den IRA. Aber die bis 2026 laufenden grünen Investitionen würden den Standort Europa wettbewerbsfähiger machen. 

Wie viel Geld liegt noch in der Flexibilitätsreserve?

Für Notfälle enthält der EU-Haushalt auch noch eine Flexibilitätsreserve in Höhe von 21 Milliarden Euro. Bis Ende 2021 waren 1,2 Milliarden Euro abgeflossen, die Zahlen für 2022 liegen noch nicht vor. Das Geld wäre theoretisch ebenfalls verfügbar.

Was passiert als Nächstes?

Angesichts der vorhandenen Mittel hält das deutsche Bundesfinanzministerium einen neuen europäischen Investitionsfonds für überflüssig. Die EU-Gelder müssten nur „schneller und effektiver zum Einsatz kommen“, heißt es in Berlin.

Darüber hinaus setzt die Bundesregierung vor allem auf nationale Antworten: Sie drängt darauf, die EU-Beihilferegeln zu lockern, damit jedes Land strategisch wichtige Industrien stärker unterstützen kann.

Auch Bruegel-Experte Tagliapietra sieht als Hauptproblem nicht einen Mangel an EU-Mitteln, sondern dass das Geld über zu viele Abteilungen verstreut sei. Das erschwere ein koordiniertes Vorgehen. Obendrein bestehe die Gefahr, dass die EU keine Skaleneffekte erzielen könne.

Als ersten Schritt fordert er daher mehr Koordinierung auf EU-Ebene. Subventionen seien nötig, aber vor allem brauche man Innovation, eine stärkere Harmonisierung der Regeln und mehr grenzüberschreitende Projekte.

Auf einem Sondergipfel am 9. Februar wollen die 27 Regierungschefs über die europäische Antwort auf den IRA beraten. Bis dahin wird es noch intensive Verhandlungen geben. Am Montag besucht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte in Den Haag.

Am Mittwoch wird die Kommission Vorschläge vorlegen, wie die EU auf das US-Programm reagieren sollte. Erwartet wird eine befristete Lockerung der Beihilferegeln in einzelnen Sektoren. Die Debatte über mögliche zusätzliche Finanzmittel soll hingegen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

Mehr: EU-Kommissionsspitze warnt vor Subventionswettlauf mit den USA



<< Den vollständigen Artikel: Grüne Investitionen: Streit um neuen Schuldenfonds – so viel Geld hat die EU noch in Reserve >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.

Article Categories:
Politik

Comments are closed.