Der frühere RKI-Präsident wird das Institut verlassen.
(Foto: IMAGO/Future Image)
Berlin Als Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) hat Lothar Wieler die deutsche Coronapolitik an entscheidender Stelle mitgeprägt – nun widmet sich der Professor für Mikrobiologie nach Informationen des Handelsblatts wieder verstärkt der Wissenschaft: Zum 1. April wird er am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam anheuern.
Wieler soll Sprecher des neuen Clusters „Digital Health“ werden, in dem es um die Digitalisierung von Medizin und Gesundheitswesen geht. Das bestätigte die Hasso-Plattner-Stiftung, die das HPI maßgeblich finanziert. Zum neuen Schwerpunkt sollen mehrere bereits bestehende Professuren in den Bereichen „Digital Health“ und Informatik zählen. Weitere Stellen werden ausgeschrieben.
Der Wissenschaftler werde das bereits vorhandene Wissen über digitale Technologien „durch seine wissenschaftliche Expertise und Erfahrung im Bereich Public Health optimal ergänzen“, erklärte Tobias Friedrich, Dekan und einer der drei Geschäftsführer des HPI.
Er spielte eine zentrale Rolle bei der Pandemiebekämpfung
Er wolle helfen, die Digitalisierung im Public-Health-Sektor voranzubringen, erklärte Wieler. „Diese Pandemie wird nicht die letzte gewesen sein, aber wir können uns besser auf die nächste vorbereiten, indem wir jetzt die richtigen Schlüsse ziehen und in die Forschung investieren.“
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Der Wissenschaftler hatte Anfang Januar bekannt gegeben, nach fast acht Jahren an der Spitze des RKI sein Amt niederzulegen. Er wolle sich „neuen Aufgaben in Forschung und Lehre“ widmen, hieß es. Als Grund für den Rückzug nannten Weggefährten auch die „auffressende Rolle“, die das Amt mit sich gebracht habe. Der heute 61-Jährige war in der Pandemie eine zentrale Figur. Insbesondere in der Anfangszeit der Coronakrise trat Wieler wöchentlich in der Bundespressekonferenz auf, um die Pandemie zu erklären. Stets im Anzug, referierte er die aktuellen Infektionszahlen.
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Gleichzeitig versuchte Wieler, das Institut mit großen Digitalisierungsinitiativen trotz begrenzter Mittel voranzubringen. Anfang 2021 gab er etwa den Bau des Zentrums für Künstliche Intelligenz in der Public-Health-Forschung (ZKI-PH) bekannt.
Mit der Einrichtung will das RKI Epidemien umfassender analysieren, Krankheitslasten besser berechnen und Frühwarnsysteme entwickeln. Nach Kritik an Alleingängen – etwa durch die Verkürzung des Genesenenstatus – trat Wieler im vergangenen Jahr allerdings deutlich seltener in der Öffentlichkeit auf. Es ging damals darum, dass diese Änderung durch das RKI vorher nicht angekündigt worden war. Viele Bürger verloren quasi über Nacht ihr Recht, in Restaurants, Bars oder in Fitnessstudios zu gehen.
Wieler brachte das scharfe Kritik ein, insbesondere vonseiten der FDP, die seinen Rücktritt forderte. Grund dafür war auch die schlussendlich mangelnde Digitalisierung des Instituts. Auch die Aussagekraft der vom RKI angegebenen Pandemiedaten wurde immer wieder diskutiert.
Zu seinem Abschied wurde Wieler für seine Arbeit allerdings viel Anerkennung zuteil. Er habe sich bei der Bewältigung der Pandemie „für das Land bleibende und herausragende Verdienste erworben“, sagte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Ohne ihn „wäre Deutschland deutlich schlechter durch diese Pandemie gekommen“.
Dass er nun zurück in die Forschung geht, dürfte für Wieler aber eine Erleichterung sein. Er kennt sich in der Wissenschaft bestens aus. In den 1980er-Jahren studierte er Veterinärmedizin in Berlin und München. Dort promovierte er im Jahr 1988 und habilitierte später in Gießen im Fach Infektionskrankheiten und Hygiene der Tiere. Vor seinem Wechsel zum RKI war Wieler Direktor des Instituts für Mikrobiologie und Tierseuchen an der Freien Universität (FU) Berlin.
Sein künftiger Schwerpunkt liegt auf dem „Digital Engineering“
Der wissenschaftliche Schwerpunkt von Wielers neuem Arbeitgeber, dem HPI, liegt auf dem „Digital Engineering“, also dem Einsatz digitaler Technologien in Wirtschaft und Gesellschaft. So hat das Institut beispielsweise über mehrere Jahre eine Cloud-Plattform für Schulen konzeptioniert und entwickelt, die mehrere Bundesländer übernehmen.
Und im vergangenen Jahr hat der Wissenschaftler Ralf Herbrich, der viele Jahre für Konzerne wie Facebook, Amazon und Zalando arbeitete, einen Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz und Nachhaltigkeit übernommen. Seit 2017 gibt es am HPI bereits ein „Digital Health Center“, um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Bereichen Medizin und Technologie zusammenzuführen.
Die Pandemie hat den Bedarf an digitalen Lösungen im Gesundheitswesen deutlich gemacht, daher will das Institut den Bereich offenbar ausbauen. Finanziert wird das HPI, das formal eine Fakultät der Universität Potsdam ist, größtenteils von der Stiftung des SAP-Mitgründers Hasso Plattner.
Mehr: Der Corona-Erklärer geht – RKI-Chef Lothar Wieler tritt zurück
<< Den vollständigen Artikel: Gesundheitsforschung: Zurück in die Wissenschaft: Früherer RKI-Chef Lothar Wieler geht zum Hasso-Plattner-Institut >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.