Warum haben Autokraten Erfolg? In der Türkei sieht man, dass drei Umstände Präsident Erdogan zur Wiederwahl helfen werden: Unterdrückung, Macht – und die Schwäche der Opposition, ein überzeugendes Programm zu entwickeln.
Zunächst ist allen Beobachtern klar, dass schon der Wahlkampf nicht fair verläuft. Der Ex-Chef der prokurdischen Oppositionspartei HDP sitzt im Gefängnis, der Partei selbst droht ein Verbotsverfahren, dem oppositionellen Istanbuler Bürgermeister droht ein Politikverbot. Die Regierung um Staatschef Erdogan stellt damit potenzielle Kandidaten kalt, noch bevor sie gefährlich werden.
Außerdem bedient er sich eines Instruments, auf das die Opposition keinen Einfluss hat: der Außenpolitik. Erdogan provoziert Verbündete unter dem Deckmantel der Vaterlandsverteidigung und düpiert Partner, indem er mit Wladimir Putin redet. Im Ukrainekrieg stieg er zum obersten Verhandler auf. Das gefällt vielen im Land, die ansonsten den Präsidenten nicht unterstützen.
Die Opposition vergisst Kurden, junge Leute und die Mittelschicht
Der größte Wahlhelfer ist die gespaltene Opposition. Die drittgrößte Partei des Landes HDP durfte dem größten Bündnis gegen Erdogan nicht beitreten – weil die Nationalisten dagegen sind. In Umfragen führen einige Figuren der CHP, die noch auf Staatsgründer Kemal Atatürk zurückgeht, vor Erdogan. Doch ihr Parteichef möchte sie nicht aufstellen.
Top-Jobs des Tages
Jetzt die besten Jobs finden und
per E-Mail benachrichtigt werden.
Stattdessen veröffentlichte der „Sechsertisch“, darunter sind neben der CHP auch Nationalisten, Islamisten und zwei Ex-Erdogan-Minister, am Montag ein Wahlmanifest mit 75 Kapiteln und 2300 Versprechen. Darunter die Rücknahme des Präsidialsystems; aber auch Unsinn wie die Umbenennung des Agrarministeriums. Oder fragwürdige Pläne wie der, das Land zum Finanzzentrum umzuwandeln.
Kurden werden nicht erwähnt, die Mittelschicht auch nicht. Auf die sechs Millionen Erstwähler geht das Dokument nur fünfmal ein. Unter anderem heißt es, dass Hürden für junge Erntehelfer sinken sollen.
Mit einem Gesetzentwurf wollte die Opposition das seit Atatürk in der Türkei umstrittene Recht, ein Kopftuch zu tragen, gesetzlich verankern und damit konservative Wähler gewinnen. Erdogan schlug daraufhin vor, die Kopftuchfreiheit in die Verfassung zu schreiben. Die Opposition will aber so weit doch nicht gehen. Eine Zukunftskoalition, die das Land demokratisch und wirtschaftlich reformieren will, müsste anders klingen.
Aus dem Bündnis gegen Erdogan wird ein Bund, der zum Scheitern verurteilt ist. In der Türkei gewinnen Wahlen Anführer wie Erdogan, die keine Kompromisse eingehen. Der Zwist in der Opposition schadet dem Bündnis. Kein Wunder, dass Erdogan in Umfragen wieder zulegt.
<< Den vollständigen Artikel: Kommentar: Die Opposition in der Türkei scheitert daran, eine Alternative zu Erdogan zu bieten >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.