Jan 31, 2023
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Energie: Rechnungshof kritisiert europäischen Strommarkt als anfällig für Manipulation

Written by Christoph Herwartz

Brüssel Die geplante Reform des europäischen Strommarktdesigns ist eine Gelegenheit, massive Unzulänglichkeiten in der Regulierung dieses Marktes zu beseitigen. So sieht es der Europäische Rechnungshof. „Der Binnenmarkt für Energie hat sich in den letzten Jahren zu langsam entwickelt. Jetzt gibt es ein Momentum, daran etwas zu ändern“, sagte das Rechnungshof-Mitglied Mihails Kozlovs dem Handelsblatt.

Die EU-Kommission hat angekündigt, noch in diesem Quartal Vorschläge für Änderungen am Strommarktdesign vorzulegen. Diskutiert werden dabei vor allem grundsätzliche Fragen wie jene, ob der Strom aus erneuerbaren Energien zu langfristig festgelegten Preisen vergütet werden sollte.

Laut einem an diesem Dienstag veröffentlichten Bericht des Europäischen Rechnungshofs gibt es aber noch einige andere Aspekte, die sich dringend ändern sollten. So werde die vor zehn Jahren in Kraft getretene Verordnung, die Manipulationen verhindern soll (Remit), nicht voll genutzt. „Daher besteht die Gefahr, dass der EU-Strommarkt durch Marktmanipulationen zum Nachteil der Endkunden verzerrt wird“, heißt es in dem Bericht.

Der Markt ist anfällig für Manipulationen

Kozlovs erläutert: Ein Beispiel für Marktmissbrauch könnte sein, dass Stromerzeuger falsche Angaben über ihre Kapazitäten machen, um Preise in die Höhe zu treiben und staatliche Unterstützung einzufordern.

Eine andere Manipulationsmöglichkeit sei, Verbindungen von einem nationalen Stromnetz zu einem anderen zu blockieren, um einen Import von Strom zu verhindern. „Das Ergebnis solcher Manipulationen sind künstlich hoch gehaltene Preise zum Nutzen von Erzeugern und Netzbetreibern und zum Schaden der Stromkunden“, so Kozlovs.

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Um das zu verhindern, schreibt die EU vor, dass die Marktteilnehmer auf dem Strommarkt ihre Transaktionen melden. Doch zweieinhalb Jahre nach Einführung dieser Pflicht stieg die Zahl der Transaktionen so stark an, dass das entsprechende IT-System zusammenbrach, was seitdem häufiger vorkommt.

„Wiederholte Ausfälle führten dazu, dass die für die Marktüberwachung erforderlichen Daten von Juli 2020 bis März 2021 nicht verfügbar waren“, heißt es im Rechnungshofbericht. „In diesem Zeitraum erfolgte praktisch keine wirksame Marktüberwachung, und möglicherweise wurden Fälle von Marktmissbrauch nicht erkannt.“

Kozlovs kritisiert darüber hinaus die Ausstattung der zuständigen Regulierungsbehörde Acer. Dort seien nur sechs Personen damit beschäftigt, Manipulationen im Markt zu verhindern, was viel zu wenig sei.

Die Gebiete sind falsch aufgeteilt

Damit der Strommarkt gut funktioniert, ist es wichtig, dass die Stromgebotszonen die vorhandenen Leitungsengpässe richtig abbilden. So gilt im Norden Schwedens oft ein niedrigerer Strompreis als im Süden. Denn die Leitungen zwischen den Landesteilen sind unzureichend, um den billigen Strom aus dem Norden in den Süden zu transportieren.

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Netzausbau und die richtige Gestaltung der Stromgebotszonen seien „der Schlüssel für das Wachstum des grenzüberschreitenden Handels und die Integration erneuerbarer Energiequellen in den Binnenmarkt“, schreibt der Rechnungshof.

Eigentlich müsste auch Deutschland in Zonen aufgeteilt werden. Da das nicht der Fall ist, muss die Balance im Netz teuer mit zusätzlichen Stromerzeugungen erkauft werden. Die Behörde Acer analysiert solche Unzulänglichkeiten, kann sie aber nicht abstellen. Das wäre Sache der EU-Mitgliedstaaten, die sich dagegen wehren. Insbesondere in Deutschland ist eine solche Aufteilung unpopulär.

Die Marktregeln werden nicht ausreichend hinterfragt

Den komplexen Handel auf den Strommärkten hat die EU teilweise ohne detaillierte Folgenabschätzungen reguliert, befindet der Rechnungshof weiter. So seien die Preisbildungsmethoden an gekoppelten Strombörsen nicht vollständig analysiert worden. Krisensituationen seien nicht berücksichtigt worden, und es sei nicht durchgespielt worden, wie eine flexible Stromnachfrage auf Änderungen bei den Großhandelspreisen reagiert.

Gerade bei einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien im Stromnetz könne sich die EU eine solche Vorgehensweise nicht mehr leisten, meint Kozlovs. „Wir hoffen sehr, dass die EU-Kommission jetzt eine umfassende Folgenabschätzung macht“, mahnt er.

Ob es dazu kommt, ist allerdings fraglich. Das von der EU-Kommission gestartete Konsultationsverfahren läuft über gerade einmal drei Wochen. Will die Kommission ihren Zeitplan einhalten, bleiben danach knapp sieben Wochen Zeit, einen Gesetzesvorschlag auszuarbeiten. Offensichtlich setzt sie darauf, noch vor der Europawahl im Frühjahr 2024 ein fertiges Gesetz zu haben. Dazu müssten auch die Gesetzgeber der EU, das Parlament und der Rat, ungewöhnlich schnell arbeiten.

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