Berlin Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) und ostdeutsche Bundestagsabgeordnete machen sich Sorgen um gemeinnützige industrienahe Forschungseinrichtungen – vor allem in Ostdeutschland. Grund ist die strenge Auslegung des sogenannten Besserstellungsverbots durch das von Robert Habeck (Grüne) geführte Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.
Es sieht vor, dass die Vergütung von Beschäftigten in öffentlich geförderten Projekten nicht die Gehaltsobergrenzen nach dem Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes überschreiten darf. Das Wirtschaftsministerium legt die Vorschrift aber seit einiger Zeit so aus, dass dies beispielsweise auch für die Geschäftsführer und das Leitungspersonal von Forschungsinstituten gilt – auch dann, wenn diese mit den geförderten Projekten persönlich gar nichts zu tun haben.
Die strenge Auslegung des Besserstellungsverbots gefährde mehr als 130 private gemeinnützige und industrienahe Forschungseinrichtungen – und damit wichtiges Know-how für den Mittelstand, kritisiert der thüringische Bundestagsabgeordnete Gerald Ullrich (FDP). Einige von diesen haben sich in der Zuse-Gemeinschaft zusammengeschlossen, viele sind in Ostdeutschland angesiedelt.
Ausnahmeregelung geht Instituten nicht weit genug
Sie müssen sich nun entscheiden: Entweder sie behalten ihre Spitzenkräfte zu den marktüblichen Konditionen und verlieren damit den Zugang zu öffentlichen Fördermitteln. Oder sie erhalten weiter staatliche Förderung, müssen dann aber hinnehmen, dass ihre leitenden Angestellten sich wegen nicht konkurrenzfähiger Bezahlung einen neuen Job suchen.
„Wenn wir hier nichts tun, verlieren wir nicht nur Fach- und Führungskräfte im Osten, es können auch keine neuen angeworben werden“, sagte Ullrich dem Handelsblatt. Auf seine Initiative hin haben die Sprecher der Ost-Landesgruppen der Bundestagsfraktionen von SPD, Grünen und FDP einen Brief an die Bundesministerien für Wirtschaft, Finanzen und Forschung geschrieben mit der dringenden Bitte, für Abhilfe zu sorgen.
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Zwar hat die Ampelkoalition mittlerweile eine Ausnahmeregelung geschaffen, die aber nur einem kleinen Teil der betroffenen Institute nützt. Das Wirtschaftsministerium weist zudem darauf hin, dass eine bessere Bezahlung von Führungskräften mit Genehmigung des Finanzministeriums möglich sei.
Diesen Weg über Ausnahmeanträge hält man in den betroffenen Instituten aber für wenig praktikabel, weil bei jeder Gehaltsanpassung, Neuanstellung oder Anpassung des Tätigkeitsbereichs eines Mitarbeiters wieder ein neuer Antrag gestellt werden müsste.
Auch die DIHK zeigt sich wegen der strengen Auslegung des Besserstellungsverbots alarmiert. „Mit der Deckelung von Forschergehältern auf das Niveau des öffentlichen Dienstes drohen geförderten Einrichtungen erhebliche Wettbewerbsnachteile – für die privatwirtschaftlichen Forschungseinrichtungen selbst, für die mit ihnen verbundenen Betriebe aus dem Mittelstand und damit auch für den Forschungsstandort Deutschland insgesamt“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer Achim Dercks dem Handelsblatt.
Eine national und international konkurrenzfähige Bezahlung in diesen Instituten sei für die forschungsintensiven mittelständischen Unternehmen von zentraler Bedeutung.
Laut DIHK-Innovationsreport habe jedes fünfte Unternehmen Schwierigkeiten, geeignete Kooperationspartner in der Wissenschaft zu finden. „Umso wichtiger ist es, die vielerorts enge Kooperation zwischen privatwirtschaftlich organisierten Forschungseinrichtungen und Mittelständlern zu erhalten“, sagte Dercks.
Klarstellung im Bundeshaushaltsgesetz gefordert
Abhilfe ließe sich aus seiner Sicht leicht durch eine Klarstellung im Bundeshaushaltsgesetz schaffen: „Dabei könnte man entweder die industrienahen Forschungseinrichtungen von dem Verbot ausnehmen oder klarstellen, dass es nur für die Mitarbeiter in den geförderten Projekten anwendbar ist.“ So, wie es lange Zeit auch gängige Praxis war.
Die ostdeutschen Parlamentarier weisen in ihrem Brief an die Ministerien darauf hin, dass eine Befreiung vom Besserstellungsverbot keine finanziellen Folgen für die öffentlichen Haushalte hätte. Denn die Personalkosten in öffentlich geförderten Projekten seien begrenzt. Die höheren Entgelte für die Geschäftsführer und das leitende Personal der gemeinnützigen Forschungseinrichtungen müssten also ohnehin aus nicht öffentlichen Mitteln, also beispielsweise durch Industrieaufträge, finanziert werden.
Die Abgeordneten verweisen zudem darauf, dass für die großen institutionellen Wissenschaftseinrichtungen wie die Helmholtz- oder Leibniz-Institute das Besserstellungsverbot nicht gilt. Es sei aber „nicht zielführend, an anderer Stelle einen Zweig der Forschungslandschaft zu beschneiden, welcher gerade die praxisorientierte Forschung stützt“.
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