Zürich, Brüssel Der erste Schlag gegen die Kriegskasse des Kremls erfolgte im Dezember. Ende 2022 stoppte die EU die Einfuhr von Rohöl aus Russland und setzte zugleich gemeinsam mit den USA und den anderen G7-Staaten einen globalen Preisdeckel in Kraft. Seither wird russisches Öl zu deutlich niedrigeren Preisen gehandelt als Rohöl aus anderen Quellen.
„Es gab viel Skepsis, ob so ein Preisdeckel funktionieren kann“, sagte Maria Shagina, Energieexpertin beim International Institute for Strategic Studies (IISS). „Aber er funktioniert.“
Nun wird der nächste Schlag vorbereitet. Die EU-Staaten befinden sich in der Schlussphase der Verhandlungen über die Einführung von Preisdeckeln auf Diesel und Schweröl. Ein Treffen von Vertretern der Mitgliedstaaten brachte am Dienstag zwar noch keinen Durchbruch. Klar ist aber, dass der Preisdeckel am 5. Februar in Kraft treten soll.
Von diesem Stichtag an will die EU selbst kein Diesel oder Schweröl aus Russland mehr importieren. Zugleich dürfen Ausfuhren von russischen Ölprodukten in andere Weltregionen nur noch dann von europäischen Reedern verschifft oder europäischen Finanzfirmen versichert werden, wenn sie unterhalb des Preisdeckels gehandelt werden. Wie schon im Dezember beim Rohöl-Preisdeckel unterstützen die G7-Staaten die neuen Maßnahmen.
Diskussionen gibt es noch über die Höhe des Deckels. Die EU-Kommission hat 100 Dollar pro Fass für Diesel und 45 Dollar pro Fass für Schweröl vorgeschlagen, was etwa zehn Prozent unter dem Marktpreis liegen soll. Relevant ist vor allem der Deckel auf Diesel. Polen und die baltischen Staaten wollen niedrigere Werte, andere Staaten wollen lieber vorsichtig vorgehen und die Summe eher hoch ansetzen.
Konsequenzen für Moskau und deutsche Autofahrer
Je niedriger der Deckel liegt, desto mehr dürften Russlands Dieselkunden den Preis drücken können, wodurch die Sanktion umso schmerzhafter für Moskau wird. Ein zu niedriger Deckel könnte aber dazu führen, dass Russland den Export stark reduziert oder ganz einstellt. Das würde den Markt durcheinanderwirbeln und die Preise im Westen noch stärker steigen lassen, als es ohnehin erwartet wird.
Beim Rohöl gelang es den G7-Staaten, Russlands Einnahmen aus dem Export zu senken, gleichzeitig aber die exportierte Menge unverändert zu lassen. So entstand auf dem Weltmarkt keine Knappheit. Beim Diesel dürfte das schwerer fallen.
„Die Preise an der Zapfsäule sind in der vergangenen Woche schon gestiegen und werden weiter steigen“, sagt Michael Connolly vom Branchendienst ICIS. „Denn Europa importierte bis zuletzt große Mengen an russischem Diesel, die kurzfristig schwer zu ersetzen sind.“
Das Dieselembargo könnte damit im Westen einen größeren Schaden hinterlassen als das Rohölembargo. In den kommenden Monaten werde das Angebot aber wieder steigen, weil in anderen Teilen der Welt große Raffinerien fertiggestellt werden, sagt Connolly.
Die Preise an den Tankstellen würden damit auch wieder fallen. Der Grund dafür hat nichts mit dem Überfall Russlands auf die Ukraine zu tun: Die Investitionsentscheidungen für diese Raffinerien seien vor zehn bis 15 Jahren getroffen worden, erklärte Connolly. Diesel habe damals noch ein umweltfreundliches Image gehabt.
Für Russland werden die Auswirkungen des Preisdeckels auf Diesel wohl schwerwiegender als jene des Preisdeckels auf Rohöl. Moskau versucht, den Preisdeckel beim Rohöl zu umgehen und wird das auch beim Preisdeckel auf Diesel probieren, meint Shagina. „Russland hat für viel Geld eine Schattenflotte aus sehr alten Tankern aufgebaut, um sein Rohöl zu verschiffen“, sagt sie.
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Schon das sei teilweise abenteuerlich: „Russische Firmen zahlen 40 Millionen Euro für sehr alte Tanker“, sagt sie. „Das ist viel Geld für einen Haufen Metallschrott, der auf dem Ozean treibt.“
Umgehung wird schwieriger
Diesel auf diesem Weg zu verkaufen wird noch deutlich schwieriger. Die Schattenflotte weiter auszubauen dürfte Moskau vor Probleme stellen. Hinzu kommt, dass anders als beim Importverbot für Rohöl China und Indien als Großabnehmer wegfallen. Sie haben eigene Raffineriekapazitäten und sind darum am Rohöl eher interessiert als am fertigen Diesel.
Giovanni Staunovo, Rohstoff-Analyst bei der Schweizer Bank UBS, erwartet daher, dass Russland gezwungen sein dürfte, die Ölproduktion von über zehn Millionen Barrel pro Tag vor dem Krieg auf neun Millionen Fass pro Tag zu drosseln.
Die Kombination aus schrumpfendem Angebot und wachsender Nachfrage wegen der wirtschaftlichen Öffnung in China nach der Coronapandemie werde den Rohölpreis von derzeit etwa 85 Dollar pro Fass Brent-Öl auf mehr als 100 Dollar im zweiten Halbjahr 2023 steigen lassen.
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Der Preisdeckel soll Russland für den Angriffskrieg gegen die Ukraine bestrafen. Er ist eine indirekte Sanktion, die anders wirkt als ein klassisches Embargo. Die westlichen Staaten verbieten es ihren Versicherungen und Reedereien, sich am Handel mit russischem Diesel zu beteiligen, wenn der Diesel zu einem Preis oberhalb des Preisdeckels verkauft wurde. Da viele Reeder in der EU ansässig sind und viele Versicherungen in Großbritannien, bremst der Westen auf diese Weise das Ölgeschäft Russlands deutlich.
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