Paris Für Oleksij Resnikow war es der erste bilaterale Besuch in einer europäischen Hauptstadt: Der ukrainische Verteidigungsminister traf am Dienstag in Paris zunächst den französischen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu und dann Präsident Emmanuel Macron. Die Hoffnungen in Kiew scheinen groß, dass Frankreich bei der heiß diskutierten Lieferung westlicher Kampfjets als eine Art Eisbrecher agiert – so wie Anfang Januar, als Macron mit der Zusage vorpreschte, der Ukraine Spähpanzer bereitzustellen.
Resnikow sagte bei einer Pressekonferenz mit Lecornu, er wünsche sich eine „Führungsrolle“ der Franzosen bei den Kampfflugzeugen. „Darum bin ich da.“ Dem Vernehmen nach hat Kiew ein besonderes Auge auf die Mirage-Jets geworfen, die von den französischen Streitkräften derzeit schrittweise ausgemustert und durch die modernere Rafale ersetzt werden.
Nach den Kampfpanzern sind Kampfflugzeuge das nächste Rüstungsgut, das die ukrainische Regierung zur Verteidigung gegen Russland einfordert. Während US-Präsident Joe Biden die Frage nach einer möglichen F-16-Lieferung an die Ukraine am Montag mit einem knappen „Nein“ beantwortete, entschied sich Macron für eine offenere Wortwahl.
Bei einem Besuch in den Niederlanden sagte er: „Prinzipiell ist nichts verboten.“ Konkrete Pläne für eine Lieferung gibt es zwar nicht. Allerdings hätte Paris bei der Entscheidung freie Hand: Die Mirage-Jets wurden von der französischen Rüstungsfirma Dassault gebaut. Es bedürfte also keiner Zustimmung der Vereinigten Staaten, die etwa im Fall einer möglichen Lieferung von polnischen F-16-Jets an die Ukrainer erforderlich wäre.
Reznikow wollte in der Pressekonferenz nicht sagen, ob seine Regierung eine offizielle Anfrage zur Lieferung von Kampfjets an Frankreich gestellt hat. Man habe zwar über Flugzeuge gesprochen, aber nicht über konkrete Namen und Modelle, sondern um „Plattformen“ der Luftverteidigung.
„Frankreich hat den Weg bereitet“
Der ukrainische Verteidigungsminister ließ allerdings durchblicken, dass er sich wünschen würde, wenn Frankreich einen ähnlichen Vorstoß wagen würde wie bei Spähpanzer vom Typ AMX-10 RC. Einen Tag nach Macron hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) damals die Abgabe von Marder-Schützenpanzern verkündet.
In der Folge dieses Tabubruchs erklärte sich Scholz angesichts des wachsenden nationalen und internationalen Drucks auch zur Lieferung von Leopard 2-Kampfpanzern bereit. Biden sagte zu, den M1-Abrams zu schicken. „Frankreich hat den Weg bereitet“, sagte Resnikow „Es hat die Lawine losgetreten.“
Nach der Spähpanzer-Ankündigung zögerte Paris dann aber bei der Lieferung des Leclerc, dem Pendant zum Leopard 2. Offiziell prüft Paris die Angelegenheit noch, die Gespräche am Dienstag deuteten aber darauf hin, dass der französische Kampfpanzer nicht in der Ukraine zum Einsatz kommen wird.
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Lecornu verwies auf die drei Bedingungen, die Macron für Waffenlieferungen formuliert hatte: Sie dürften zu keiner weiteren Eskalation des Konflikts führen, müssten eine „echte und wirksame“ Hilfe für die ukrainische Armee darstellen und dürften „unsere eigenen Verteidigungsfähigkeiten“ nicht schwächen.
Der französische Verteidigungsminister spielte den Nutzen des Leclerc für die Ukrainer herunter: Der Leclerc sei zwar „ein technologisches Juwel“, aber eben auch sehr wartungsaufwendig. Zudem sei er „kein Exportschlager“ gewesen – eine Anspielung auf die deutlich größeren Leopard-Bestände in den europäischen Armeen. Resnikow erklärte, dass es bei den Gesprächen in Paris auch um den Leclerc gegangen sei, jedoch Fragen bei der „Instandhaltung“ bestünden.
Statt der Leclerc-Panzer kündigte Frankreich am Dienstag an, zwölf weitere Caesar-Haubitzen an die Ukraine zu liefern. Zuvor hatte Paris bereits 18 der mobilen Artilleriegeschütze zur Verfügung gestellt, von der nach Angaben von Lecornu eins inzwischen außer Gefecht ist.
Außerdem soll die Ukraine von Frankreich ein Luftüberwachungsradar vom Typ GM 200 erhalten. Das von der französischen Rüstungsfirma Thales gebaute Radar kann feindliche Flugzeuge in einem Umkreis von 250 Kilometern entdecken.
Frankreich will ukrainische Soldaten in Polen ausbilden
Bis zum Sommer will Frankreich zudem die Ausbildung von 2000 ukrainischen Soldaten in Frankreich gewährleisten. Darüber hinaus kündigte Lecornu die Entsendung von 150 französischen Soldaten nach Polen an, die dort gemeinsam mit polnischen Soldaten die Ausbildung von 600 ukrainischen Kämpfern pro Monate übernehmen sollen.
Im Gespräch ist ferner die Lieferung des französisch-italienischen Luftverteidigungssystems SAMP/T, das Mittel- und Langstreckenraketen abfangen kann. Das hochmoderne System, das in den französischen Streitkräften auch unter dem Namen „Mamba“ bekannt ist, würde mit seinen Boden-Luft-Raketen die ukrainische Flugabwehr deutlich stärken. Resnikow sagte am Dienstag, er begrüße die „laufenden Arbeiten“ zur Bereitstellung von SAMP/T.
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