Berlin, Brüssel Die EU-Kommission will den Mitgliedstaaten kurzfristig 350 Milliarden Euro für grüne Investitionen zur Verfügung stellen, um auf den amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) zu reagieren. Die EU-Beihilferegeln sollen so gelockert werden, dass die 27 Regierungen diese Mittel auch in Form von Steuervergünstigungen an Unternehmen auszahlen können.
Die 350 Milliarden Euro stünden als „Brückenlösung“ bald bereit, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) bei der Vorstellung des grünen Industrieplans am Mittwoch in Brüssel. „Ich hoffe, die Mitgliedstaaten werden dieses Geld nutzen.“
Die Summe setzt sich zusammen aus bis zu 250 Milliarden Euro aus dem Repower-EU-Fonds sowie 100 Milliarden Euro aus dem Kohäsionsfonds. Der Repower-EU-Fonds besteht vor allem aus nicht abgerufenen Corona-Krediten. Diese werden nun umgewidmet, um grüne Schlüsselindustrien, die „Net-Zero-Industrie“, wie Windkraft, Solarzellen, Batterien, E-Autos und Wasserstoff zu fördern.
Der Kohäsionsfonds ist einer der größten Posten im regulären EU-Haushalt. Die Mittel sind traditionell dafür vorgesehen, die wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den EU-Staaten auszugleichen. Die 100 Milliarden waren bereits für den grünen Umbau der Wirtschaft vorgesehen. Sie sollen nun noch zielgerichteter für bestimmte Branchen eingesetzt werden.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) lobte den Plan als „gute Basis“ für die Diskussion in den kommenden Wochen. Der Vorschlag setze die richtigen Schwerpunkte und passe zu dem, was auch die Bundesregierung mache. „Wir brauchen vor allem schnellere Verfahren und bessere Möglichkeiten zur Förderung der grünen Technologien der Zukunft“, sagte der Minister.
Subventionswettlauf zwischen EU und USA hat begonnen
Mit ihrem Vorschlag reagiert die EU-Kommission auf das 369-Milliarden-Dollar-Subventionsprogramm der USA. In den kommenden Jahren entscheide sich, wo sich die „Net-Zero-Industrie“, ansiedele, sagte von der Leyen.
Die EU habe in dem Rennen eine gute Startposition, weil sie bereits vor drei Jahren den grünen Umbau der Wirtschaft zur Wachstumsstrategie erklärt habe. Angesichts neuer Subventionen in den USA, China und Japan müsse man nun sicherstellen, dass man im globalen Wettbewerb mithalte.
Der Vorschlag soll die Diskussionsgrundlage für den Sondergipfel der EU-Regierungschefs am 9. Februar bilden. Die Kommission will dann einen Gesetzestext ausarbeiten, der von den Regierungschefs Mitte März gebilligt werden soll. Danach würden die neuen Regeln gelten.
Von der Leyen betonte, dass man auf die Wünsche der Unternehmen gehört habe. Diese hatten die US-Steuerrabatte als wichtigen Anreiz genannt, um in den USA zu investieren. „Es ist wichtig, dass wir nun sagen können, wir haben die gleichen Möglichkeiten hier“, sagte die Kommissionschefin.
Konkret heißt das laut Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager: Wenn ein Unternehmen in den USA eine Milliarde Dollar angeboten bekommt, um die Produktion dorthin zu verlegen, darf ein EU-Staat nun die gleiche Summe ausgeben, um das Unternehmen zum Bleiben zu bewegen. Die EU steigt also offenbar doch in einen Subventionswettlauf ein – was sie bisher stets weit von sich gewiesen hatte.
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Wirtschaftsverbände reagierten verhalten auf den Kommissionsvorschlag. Bislang seien die Konturen noch zu unscharf, sagte der Präsident der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Peter Adrian. „Ob das Programm wirklich eine neue Agenda für Wettbewerbsfähigkeit setzt oder nur bisherige Programme unter einem neuen Namen fortführt, muss sich erst noch zeigen.”
Kommission will auch einen „Souveränitätsfonds“
Längerfristig will die Kommission auch einen „Souveränitätsfonds“ für grüne Investitionen einrichten. Man brauche eine gemeinsame europäische Finanzierung für strategisch wichtige Branchen, erklärte von der Leyen.
Der Fonds würde jedoch noch etwas dauern, weil man mit den Mitgliedstaaten erst über die Finanzierungsinstrumente reden müsse. Mehrere Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, lehnen neue Gemeinschaftsschulden ab. Deshalb beschränkt sich die Kommission vorerst auf die Umwidmung bestehender Mittel.
Im Europaparlament wurde der Plan skeptisch kommentiert. Die grüne Europaabgeordnete Henrike Hahn sagte, der Kommissionsvorschlag sei vor allem „eine Auflistung geringfügiger Verbesserungsmöglichkeiten bereits bestehender EU-Instrumente“.
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Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber sprach von „Taschenspielertricks“. Die Kommission verschiebe Mittel von A nach B und versehe diese mit neuen Überschriften. „Mehr Geld steht dabei allerdings nicht zur Verfügung“, sagte er. Allerdings ist Ferber auch dagegen, einen neuen Schuldenfonds einzurichten.
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