Feb 3, 2023
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Giorgia Meloni trifft Olaf Scholz: Warum der Staatsbesuch von Italiens Regierungschefin in Berlin ein diplomatischer Drahtseilakt wird

Written by Martin Greive

Sie stehen eng zusammen, lächeln, Kopf an Kopf, die Arme umeinandergelegt. Von einer „starken Freundschaft“ schrieb Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni auf Twitter – und lobte nach dem Besuch von Ungarns Präsidentin Katalin Novak die „herzlichen Beziehungen“ der Länder.

Fraglich ist, ob es an diesem Freitag zu ähnlichem Überschwang kommen wird, wenn Meloni auf den deutschen Bundeskanzler trifft. Es ist ihr erster Staatsbesuch in Berlin, gut dreieinhalb Monate nach Amtsantritt als Chefin eines rechten Bündnisses. Zwar haben sich Meloni und Olaf Scholz schon auf diversen Gipfeln gesehen, haben etwa am Rande der Weltklimakonferenz COP-27 in Ägypten rund 45 Minuten lang ein ausführlicheres Gespräch gehabt. Aber mit der offiziellen Einladung, samt militärischen Ehren, hat man lange gewartet.

In Berliner Regierungskreisen heißt es, dahinter steckten keinerlei „strategische Erwägungen“. Es habe sich schlicht kein früherer Termin gefunden. Auch brauchte die italienische Regierung etwas Zeit, um sich zurechtzuruckeln. Aber ganz ungelegen kam es Scholz nicht, dass sich der Antrittsbesuch hinauszögerte. So konnte er erst mal aus der Ferne betrachten, wie sich Meloni in ihren ersten Amtsmonaten schlägt.

Nach dem Wahlsieg der Rechten war die Skepsis groß in Deutschland: Was sendet das für Signale, wenn Scholz die Postfaschistin hofiert und wie jeden anderen Staatsgast behandelt? Ist das Treffen der beiden nun die Rückkehr zur Normalität – oder schwingen immer noch Zweifel im Umgang mit der rechten Römerin mit?

Immer wieder mahnten Politologen im Wahlkampf vor einer schleichenden Orbanisierung Italiens, einer Aushöhlung der europäischen Werte, wie sie Ungarns Regierungschef Viktor Orban seit Längerem praktiziert. Auch Meloni selbst schürte die Ängste, zeigte sich immer wieder antieuropäisch, in ihrer Biografie schrieb sie von einer „gewissen Abneigung“ gegenüber Deutschland. Italien leide unter der „französisch-deutschen Achse“, ihre Vision für die EU sei ein Bündnis von „freien europäischen Völkern“. Doch dieser Sound zog nicht mit in den Palazzo Chigi ein, den Amtssitz der Ministerpräsidentin.

Die Italienerin bleibt auf dem Kurs der Vorgängerregierung

Melonis Regierung aus ihrer postfaschistischen Fratelli d’Italia, der rechten Lega und der konservativen Partei Forza Italia ist in groben Linien auf dem Kurs der Vorgängerregierung geblieben, gerade was Außen- und Haushaltspolitik angeht. „Meloni fährt eine viel realistischere Politik, als viele erwartet haben, bei vielen Themen gibt es eine große Kontinuität mit Mario Draghi“, sagt Cecilia Emma Sottilotta, Politikwissenschaftlerin der Uni Perugia.

Melonis politisches Programm sei in der Tat ein rechtes: Sicherheit, Migration, das Festhalten an den Begriffen Mutter und Vater als Familie. „Aber die totale Konfrontation, gerade mit Europa, versucht sie zu umschiffen.“

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Keiner italienischen Regierung war es bisher gelungen, in das Duo Deutschland/Frankreich hereinzukommen, sagt Nathalie Tocci, Direktorin der Denkfabrik Istituto Affari Internazionali. „Nur Mario Draghi hat das geschafft.“

Tocci erinnert an die Bilder von Draghi, Frankreichs Staatspräsidenten Emmanuel Macron und Scholz, die im vergangenen Sommer gemeinsam im Zug nach Kiew fuhren. „Durch Draghi hat Italien wieder eine bedeutende internationale Rolle gespielt.“

Auch Scholz steuerte nach seiner Wahl Ende 2021 als eine der ersten Auslandsstationen Rom an und vereinbarte mit Draghi, einen „deutsch-italienischen Aktionsplan“ abzuschließen, der die Beziehungen wie mit Frankreich vertiefen sollte. Mit Melonis Wahlsieg kühlte sich das deutsch-italienische Verhältnis wieder ab.

Es gibt reichlich Meinungsverschiedenheiten

Wenig hilfreich war da auch der Empfang von PD-Chef Enrico Letta in Berlin: Nur sechs Tage vor der Parlamentswahl wurde der Sozialdemokrat von Scholz und seiner Partei umgarnt. SPD-Chef Lars Klingbeil mahnte, dass Meloni Italien „in die falsche Richtung lenken würde“. Nach der Wahl gaben sich Berliner Politiker zurückhaltend: Man müsse weiter miteinander reden – und Meloni an ihren Taten messen.

In ihrer Antrittsrede distanzierte sich Meloni dann erstmals öffentlich vom Faschismus. Ihr erster Haushaltsentwurf war deutlich weniger opulent als erwartet, teure Wahlversprechen hat sie kassiert. An der Unterstützung der Ukraine hat sich nichts geändert. Auch die versprochenen Reformpläne will Meloni einhalten, um die Milliardengelder aus dem EU-Wiederaufbaufonds nicht zu riskieren. Im EU-Rat zeigt sich Meloni bislang überraschend zahm.

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Man werde weiter „eng mit Italien zusammenarbeiten“, heißt es in Berlin. Was aber nicht heißt, dass es keine Meinungsverschiedenheiten gibt. Das Thema Migration, das auch auf dem EU-Rat in der kommenden Woche auf der Agenda steht, sei „erwartbar schwierig“.

Auch bei der Reform der EU-Schuldenregeln sind beide Positionen weit auseinander. „Es dürfte bei dem Treffen wenig Konkretes herauskommen“, befürchtet Tocci. SPD-Außenpolitiker Axel Schäfer hat die Hoffnung nicht aufgegeben: „Ich erwarte, dass Frau Meloni sich bei ihrem Treffen mit Scholz zum deutsch-italienischen Aktionsplan bekennt.“ Bis Ostern könnte der neue „Freundschaftsvertrag“ unterzeichnet werden.

Mehr: Vandalismus: Italienische Diplomaten in Berlin und Barcelona betroffen



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