Berlin „Das müssen Sie den Justizminister fragen“ – diesen Satz zu Marco Buschmann hört man in der Ampelkoalition immer öfter, wenn es bei bestimmten Themen nicht vorangeht. Vor allem in der SPD ist der Unmut über den FDP-Politiker und Bundesjustizminister groß.
„Wir wünschen uns, dass er die Schlagzahl bei den Projekten erhöht, die im Koalitionsvertrag stehen. Da ist schon noch viel Luft nach oben bei ihm“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, dem Handelsblatt. Auch bei den Grünen heißt es, Buschmann habe den Ampel-Koalitionsvertrag mit verhandelt und wisse, was zu tun sei.
Die Kritik wiegt schwer, gilt der 45-jährige Buschmann doch als enger Vertrauter von FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner. Steht die Arbeit des Justizministers unter Beschuss, trifft das auch Lindner.
Das Justizministerium betont indes: „Unsere Richtschnur ist der Koalitionsvertrag – und daran halten wir uns.“ Man wolle die vereinbarten Projekte gerne zügig abarbeiten, „das erwarten wir auch von den anderen Häusern“.
Dennoch ist der Unmut über Buschmann groß, wie die folgenden Beispiele zeigen.
1. Beispiel: Mietrecht
Dort gibt es aus Sicht von SPD-Politiker Fechner „einige Baustellen“, die der Justizminister schon längst hätte angehen müssen. „Die packt Herr Buschmann einfach nicht an und liefert nicht. Das ist sehr ärgerlich.“ Auch die Grünen-Fraktionsvizin Julia Verlinden kritisierte, dass Buschmann die Neuausrichtung des Mietrechts bislang nicht umgesetzt habe.
Im Koalitionsvertrag seien „viele Maßnahmen“ vereinbart worden, um Mieterinnen und Mieter „nachhaltig besser zu schützen und die Mietpreisexplosion effektiv zu dämpfen“, sagte Verlinden dem Handelsblatt.
Der Unmut bei dem Thema ist vor allem bei den Sozialdemokraten groß, weil sie Wohnen schon lange als „eine der sozialen Fragen unserer Zeit“ betrachten.
Buschmanns Ministerium hat bei mietrechtlichen Fragen die Federführung. Das erklärt, warum die SPD jetzt Druck macht.
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Konkret geht es um die Verlängerung der Mietpreisbremse bis ins Jahr 2029 und die Ausweitung der Mietspiegel-Pflicht. Mehr Tempo fordern SPD und Grüne auch bei der Umsetzung der vereinbarten Kappungsgrenze von elf Prozent, wonach die Miete innerhalb von drei Jahren nicht über diese Grenze hinaus erhöht werden darf. Aktuell liegt diese Grenze, je nach Region bei 20 Prozent beziehungsweise 15 Prozent. „Dafür sollte der Minister auch endlich einen Gesetzentwurf vorlegen“, sagte Fechner.
In Buschmanns Ministerium versteht man die Aufregung nicht. „Wir werden demnächst einen Gesetzentwurf vorlegen, der die vereinbarten Vorhaben umsetzt“, heißt es auf Anfrage. Erwartet wird allerdings, dass auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) liefert. Notwendig seien mehr Neubauten. Im Koalitionsvertrag sei das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr vereinbart worden. „Dem hinken wir leider deutlich hinterher.“
2. Beispiel: Indexmieten
Für den SPD-Politiker Fechner ist die Sache klar: „Wir müssen beraten, wie wir gegen die extrem ansteigenden Indexmieten vorgehen.“ Indexmieten sind an die Inflation gekoppelt, was Mieterinnen und Mieter in Zeiten steigender Verbraucherpreise besonders belastet. Ein Unding, meinen auch die Grünen.
„Statt damit weiter den Mieterschutz zu umgehen, brauchen wir endlich Schutz und Planbarkeit für beide Seiten etwa durch qualifizierte Mietspiegel“, sagte die Grünen-Politikerin Verlinden. „Diese Hausaufgaben liegen bislang unerledigt im Justizministerium.“
Katharina Dröge, Co-Chefin der Grünen-Fraktion im Bundestag, will nun mit den Koalitionspartnern besprechen, wie Indexmieten reguliert werden können. Dröge schlug vor, bestehende Indexmietverträge zu deckeln und neue härter zu regulieren.
Das Justizministerium will davon nichts wissen und verweist darauf, dass zu Indexmieten im Koalitionsvertrag nichts vereinbart worden sei. „Wir beobachten die Entwicklung, sehen aber gegenwärtig keinen unmittelbaren Handlungsbedarf“, heißt es.
3. Beispiel: Elementarschadenversicherung
Auch bei anderen Themen sorgt Buschmann für Unmut in der Ampelkoalition. „Uns ist sauer aufgestoßen, dass er, ohne dass es dazu eine Diskussion gab, einer Elementarschadenversicherung in Deutschland sofort eine Absage erteilt hat“, sagte SPD-Politiker Fechner. Eine solche Versicherung, die Schäden durch Naturgefahren abdecken soll, gebe es bereits in vielen anderen europäischen Ländern.
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Und dass es in Deutschland einen Bedarf dafür gebe, habe die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021 gezeigt. Zudem, so Fechner weiter, hätten sich die Justizminister der Länder und die Ministerpräsidenten für eine solche Versicherung ausgesprochen. „Aber Herr Buschmann will nicht einmal darüber diskutieren. Das hat uns geärgert und ist nicht das letzte Wort in der Ampel.“
Das sieht das Bundesumweltministerium von Ressortchefin Steffi Lemke (Grüne) ebenso. Der Parlamentarische Staatssekretär Christian Kühn wies denn auch kürzlich darauf hin, dass es innerhalb der Bundesregierung „ausdrücklich noch keine Vorfestlegung“ gebe, ob künftig eine Absicherung gegen Naturgefahren gesetzlich vorgeschrieben werden solle.
Für die Grünen-Politikerin Verlinden ist die Sache klar: „Der Versicherungsschutz gegen Elementarschäden muss allgemein ausgeweitet werden und gleichzeitig sozial verträglich bleiben.“ So würden die Menschen vor einem unkalkulierbaren finanziellen Ruin im Katastrophenfall geschützt.
Doch Buschmann sträubt sich auch hier. Sein Argument: „In einer Zeit höchster finanzieller Belastungen privater Haushalte sollten wir von allem die Finger lassen, was Wohnen und Leben in Deutschland noch teurer macht.“ Nicht nur Eigentümern würden noch mehr Kosten aufgebürdet, sondern diese würden zudem „an Mieterinnen und Mieter durchgereicht werden“, warnte er.
4. Beispiel: Vorratsdatenspeicherung
Buschmann stemmt sich vehement gegen die Pläne des SPD-geführten Innenministeriums für eine zeitlich begrenzte Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen bei der Kriminalitätsbekämpfung. Der Minister wirbt stattdessen für ein „Quick Freeze“-Verfahren, das „eins zu eins durch den Koalitionsvertrag gedeckt“ sei. Dabei muss ein Richter im Verdachtsfall zunächst anordnen, dass bestimmte Daten gesichert, also eingefroren, werden dürfen. SPD-Politiker Fechner ist sicher, der Koalitionsvertrag stütze Buschmanns Position nicht.
Über seine Äußerungen zur IP-Adressen-Speicherung sei man auch deshalb nicht erfreut, so Fechner weiter, weil dazu noch innerhalb der Bundesregierung die Beratungen liefen. Deshalb wäre von Buschmann mehr Zurückhaltung angebracht.
Doch Zurückhaltung liegt nicht in der Natur des Ministers. Buschmann nutzt gerne den Kurznachrichtendienst Twitter, um sich in laufende Debatten einzuschalten. Manchmal schießt er damit übers Ziel hinaus.
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Im Innenministerium war man sehr verstimmt, als er in einem Tweet seine Abneigung gegen die Vorratsdatenspeicherung mit der indirekten Aufforderung an Innenministerin Nancy Faeser (SPD) verband, statt digitale Überwachung aller Bürger zu betreiben, solle sie „besser alle Services bei Bürgerämtern und sonstigen Behörden, mit denen die Menschen Kontakt haben, rasch digitalisieren“. Faeser hat die Federführung bei der Verwaltungsdigitalisierung, die seit Jahren nur schleppend vorankommt.
5. Beispiel: BND-Spionagefall
Das Twittern Buschmanns hat auch an anderer Stelle für Unmut innerhalb der Bundesregierung gesorgt, wie das Handelsblatt aus Regierungskreisen erfuhr. Nach der Festnahme eines Mitarbeiters des Bundesnachrichtendienstes (BND) wegen möglicher Spionage für Russland schrieb Buschmann auf dem Kurznachrichtendienst: „Wenn sich der Verdacht bestätigt, ist hier ein wichtiger Schlag gegen russische Spionage gelungen. Das zeigt, wie wachsam wir sein müssen.“
Damit habe der Minister eine regierungsinterne Absprache gebrochen, hieß es. Denn es sei verabredet gewesen, sich zu dem Spionagefall nicht öffentlich zu äußern, um die weiteren Ermittlungen nicht zu gefährden. Im Justizministerium weiß man nichts von einer solchen Absprache. „Herr Buschmann hat dazu getwittert, nachdem der Vorgang durch den Generalbundesanwalt sowieso öffentlich geworden ist.“
Mehr: Die Ampel kann sich bei diesen zentralen Projekten nicht einigen.
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