Berlin Die Kommunen fordern ein umfangreiches Maßnahmenpaket zur zur Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten. „Viele Städte und Gemeinden haben längst ihre Belastungsgrenze erreicht. Bund und Länder müssen jetzt gemeinsam mit den Kommunen einen konkreten Aktionsplan entwickeln“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, dem Handelsblatt mit Blick auf den von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigten Flüchtlingsgipfel.
Faeser hatte am Wochenende ein neues Spitzentreffen angekündigt. Sie sehe, „dass nach wie vor Handlungsbedarf besteht, und deswegen werde ich jetzt wieder alle Beteiligten zu einem erneuten Flüchtlingsgipfel zu mir ins Haus einladen“, sagte die SPD-Politikerin am Sonntagabend in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Einen Termin für das Treffen nannte sie nicht.
Ein Treffen nur mit Faeser halten ohnehin weder die Kommunen noch die Union angesichts der schwierigen Lage für angemessen. Wenn es um die Finanzen und die Unterbringung gehe, sei die Ministerin nicht allein zuständig, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Andrea Lindholz, im ZDF-„Morgenmagazin“. „Deswegen fordern wir einen größeren Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt.“ Auch der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, mahnte: „In dieser Situation brauchen die Landkreise dringend politische Unterstützung aus dem Kanzleramt.“
Im Oktober hatte es bereits einen Flüchtlingsgipfel von Faeser mit Vertretern von Ländern und Kommunen gegeben. Seinerzeit wurden den Ländern und Kommunen 56 zusätzliche Bundesimmobilien für die Unterbringung von Geflüchteten versprochen. Finanzielle Zusagen machte Faeser nicht. Der Bund hat die Länder und Kommunen 2022 finanziell mit 3,5 Milliarden Euro unterstützt. Für dieses Jahr sind weitere 2,75 Milliarden Euro vereinbart.
Aus Sicht der Kommunen werden die Mittel nicht reichen. „Bisher ist zum Beispiel völlig unklar, wie die Finanzierung ab dem Jahr 2024 aussehen soll“, sagte Städtebundchef Landsberg. Notwendig seien nun „klare zusätzliche Finanzzusagen des Bundes für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge, für Schul- und Kitaplätze und für die Schaffung neuer Wohnungsmöglichkeiten in den Kommunen“.
Verteilung von Flüchtlingen auch auf EU-Ebene ein Dauerthema
In Deutschland hatten im vergangenen Jahr so viele Menschen Asyl beantragt wie seit 2016 nicht mehr. Knapp 218.000 Menschen stellten laut Jahresstatistik des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erstmalig in Deutschland ein solches Schutzersuchen. Das waren knapp 47 Prozent mehr als 2021.
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Die rund eine Million Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die im vergangenen Jahr nach Deutschland kamen, mussten keinen Asylantrag stellen. Sie erhalten auf Basis einer EU-Richtlinie unmittelbar vorübergehenden Schutz.
Die Kommunen halten die derzeitige Situation für kaum noch beherrschbar. „Der Bund muss sofort zusätzliche Grundstücke und Liegenschaften bereitstellen und sie von vornherein in den Zustand bringen, dass dort auch Personen untergebracht werden können“, sagte Städtebundchef Landsberg. „Wir haben keine Zeit mehr, um langfristige Baumaßnahmen mit komplizierten Finanzierungsfragen zu regeln.“
Zudem seien schnell mehr Erstaufnahmeeinrichtungen sowohl der Länder als auch in der Zuständigkeit des Bundes nötig. „In der Migrationspolitik fahren wir derzeit noch viel zu sehr auf Sicht, anstatt langfristig tragfähige Lösungen anzustreben und umzusetzen“, kritisierte Landsberg.
Das gilt aus Sicht der Kommunen auch auf der EU-Ebene. Die Verteilung von Flüchtlingen ist dort ein Dauerthema. Bis heute gibt es keine zufriedenstellende Lösung, auch weil mehrere osteuropäische Länder eine verbindliche Verteilung der Flüchtlinge per Quote auf die EU-Staaten ablehnen.
EU-Migrationsgipfel berät über Maßnahmen gegen unerwünschte Zuwanderung
Für Ende der Woche hat die schwedische EU-Ratspräsidentschaft in Brüssel einen Migrationsgipfel angesetzt, um über den Umgang mit unerwünschter Migration zu beraten. Die EU versucht schon seit Jahren, mehr Ausländer ohne Bleiberecht abzuschieben, kommt aber kaum voran.
2021 befand der Europäische Rechnungshof, das bestehende System sei in hohem Maße ineffizient und bewirke „das Gegenteil dessen, was es eigentlich soll: Statt abzuschrecken, leistet es illegaler Migration Vorschub.“ In Zahlen sieht das so aus: 2019 lag die Quote ausreisepflichtiger Menschen, die die EU tatsächlich verließen, bei 29 Prozent.
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2021 waren es – wohl auch pandemiebedingt – nur 21 Prozent. Dabei hatte die EU-Kommission noch 2018 ein Ziel von rund 70 Prozent ausgerufen. Auch die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP kündigte im Koalitionsvertrag eine „Rückführungsoffensive“ an. Darum soll sich seit diesem Monat verstärkt der neue Sonderbevollmächtigte der Bundesregierung für Migrationsabkommen, Joachim Stamp (FDP), kümmern.
Mehr Rückführungen wären aus Sicht vieler EU-Staaten auch deshalb wichtig, weil die Asylsysteme vieler Länder völlig überlastet sind. Auch hier machen die Kommunen in Deutschland Druck. „Die Staats- und Regierungschefs der EU müssen sich endlich auf eine abgestimmte Migrationspolitik verständigen und eine angemessene Verteilung zwischen den EU-Staaten gewährleisten“, sagte Städtebundchef Landsberg.
Außerdem seien klare Abschieberegelungen für Personen notwendig, die kein Bleiberecht haben. „Es ist auch Aufgabe der EU dafür zu sorgen, dass die Länder ihre Staatsbürger auch tatsächlich zurücknehmen und die Verfahren nicht unnötig verlängern“, sagte Landsberg.
Um hier zu Verbesserungen zu kommen, schlug er vor, Migrationsabkommen auch mit Wirtschaftshilfen für die betroffenen Länder oder mit Möglichkeiten legaler Arbeitsmigration zu verbinden. „Ein Weiter-so in dieser Frage darf es spätestens jetzt nicht mehr geben.“
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