Berlin Das geplante zweite Rentenpaket der Bundesregierung nimmt Konturen an. Wie es aus Koalitionskreisen heißt, soll das Rentenniveau gesetzlich zunächst bis zum Jahr 2045 bei 48 Prozent festgeschrieben werden. Differenzen gibt es weiter über den Aufbau einer kapitalgedeckten Säule in der gesetzlichen Rentenversicherung.
Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, das Mindestrentenniveau von 48 Prozent „dauerhaft“ abzusichern. Dabei handelt es sich um eine rechnerische Größe: Das Rentenniveau gibt an, welchen Prozentsatz des aktuellen Durchschnittslohns ein Ruheständler als Rente erhält, der exakt 45 Jahre lang immer zum Durchschnittslohn gearbeitet und Beiträge gezahlt hat. Nach geltendem Recht würde es nach 2025 auf unter 48 Prozent sinken.
Wie genau die Festschreibung erfolgen soll, ist offen, auch wenn Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) einen Kabinettsbeschluss über das Rentenpaket noch in der ersten Jahreshälfte anstrebt. „Die Finanzierungsideen fehlen noch“, sagt der arbeitsmarkt- und sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Pascal Kober.
Da die SPD über eine weitere Anhebung des gesetzlichen Rentenalters nicht mit sich reden lässt, ist eine Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent nur über steigende Beiträge oder höhere Steuerzuschüsse zu erreichen. Angestrebt wird nun, absehbare Beitragssatzsteigerungen ab Mitte oder Ende der 2030er-Jahre durch die neue kapitalgedeckte Säule um mindestens 0,5 Prozentpunkte abzufedern.
Ob das gelingt, hängt aber davon ab, welches Volumen die Säule bis dahin erreicht hat. Derzeit wird über das „Generationenkapital“, wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) das Projekt inzwischen nennt, noch gerungen. Der FDP wie auch der SPD ist bewusst, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten zehn Milliarden Euro nicht ausreichen werden, um eine nennenswerte Kapitaldeckung aufzubauen.
„Erhebliche Friktionen“ bei dem Thema möglich
Im Gespräch ist nun offenbar, zusätzlich noch Post-Aktien im Wert von zehn Milliarden Euro in die noch zu gründende Stiftung für das Generationenkapital einzubringen. Seine Partei werde außerdem weiter dafür werben, dass jedes Jahr weitere zehn Milliarden Euro in das Generationenkapital fließen, sagt FDP-Politiker Kober: „Arbeitsminister Heil sollte nicht nur Politik für die rentennahen Jahrgänge machen, sondern auch an die Generationengerechtigkeit denken.“
Kober erwartet aber auch, dass das Thema noch „zu erheblichen Friktionen“ führen wird, weil Teile der Grünen sich weiter „mit Händen und Füßen“ gegen das Generationenkapital stemmten. Deren Rentenexperte Markus Kurth ist zumindest skeptisch: „Bei steigenden Zinsen wird es immer schwieriger werden, das nötige Zinsdifferenzial für das Generationenkapital zu erwirtschaften“, sagt er.
Kurth spielt damit auf den Grundgedanken von Finanzminister Lindner an: Demnach soll der Staat sich zu günstigen Konditionen Geld am Kapitalmarkt leihen, es in Aktien investieren und so Kapital zur Stabilisierung der Rentenfinanzen ansparen. Damit die Rechnung aufgeht, sind bei wachsenden Zinskosten aber auch immer höhere Renditen erforderlich. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte den Leitzins für den Euro-Raum in der vergangenen Woche um 0,5 Punkte auf drei Prozent angehoben.
Auch die SPD zieht bei der kapitalgedeckten Säule in der gesetzlichen Rentenversicherung aber eine klare rote Linie: „Die FDP versucht weiter offenzuhalten, dass irgendwann auch Beitragsgelder da reinfließen können“, sagt ihr Sozialexperte Martin Rosemann. „Aber weder die Grünen noch wir machen eine Umwidmung von Beitragsmitteln in das Generationenkapital mit.“ Beides müsse sauber getrennt bleiben.
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Die Liberalen hatten im Wahlkampf eine „Aktienrente“ nach skandinavischem Vorbild vorgeschlagen, bei der Teile der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung in Aktienanlagen gesteckt werden sollten. Als Ende Januar der norwegische Staatsfonds einen Rekordverlust von 152 Milliarden Euro vermeldete, twitterte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch, dies sei ein „Warnsignal“. Seine Partei werde die Renten von Millionen von Menschen in Deutschland „nicht durch Spekulationen am Aktienmarkt in Gefahr bringen“.
SPD hat keine großen Hoffnungen bei der Reform
Grüne und SPD wollen garantiert sehen, dass es nicht zulasten der Versicherten geht, wenn die Stiftung für das Generationenkapital nicht die erhoffte Rendite bringt oder gar Verluste schreibt. FDP-Chef Lindner hat schon deutlich gemacht, dass bei Verlusten der Staat mit einem höheren Bundeszuschuss einspringen soll.
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch will die Renten von Millionen von Menschen „nicht durch Spekulationen am Aktienmarkt in Gefahr bringen“.
Wenn schon Kapitaldeckung, dann würden die Grünen sie lieber außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung sehen – in einem von ihnen favorisierten „Bürgerfonds“, der die Riester-Rente ablösen soll. Ideen für die dritte Säule der Alterssicherung soll die „Fokusgruppe private Altersvorsorge“ liefern, der neben dem Finanz-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium auch Vertreter der Versicherungswirtschaft, der Sozialpartner und Verbraucherschützer angehören.
Die Gruppe, die am 24. Januar ihre Arbeit aufgenommen hat, soll bis zum Sommer die von den Grünen favorisierte Möglichkeit eines öffentlich verwalteten Fonds für die private Vorsorge ebenso prüfen wie die Förderung von Produkten mit höheren Renditechancen als bei der aktuellen Riester-Rente.
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Bei der SPD verknüpft man aber mit einer Reform keine besonders großen Hoffnungen. „Die dritte Säule dient eher der Lebensstandardsicherung von Mittel- bis Besserverdienern“, sagt Sozialexperte Rosemann. „Die Vorstellung, damit Altersarmut bekämpfen zu können, halte ich für absurd.“
Sein FDP-Kollege Kober rechnet noch mit schwierigen Verhandlungen, die am Ende auch auf die Haushälter zukommen werden: Die SPD wolle Geld für die Stabilisierung des Rentenniveaus, die FDP für das Generationenkapital und die Grünen für ihren Bürgerfonds. „Das muss alles noch austariert werden.“
Hinzu kommt, dass neben der Rente auch in anderen Sozialversicherungszweigen wie Gesundheit und Pflege höhere Kosten drohen und die SPD nicht will, dass Finanzlöcher allein von den Beitragszahlern gestopft werden.
Beim geplanten Rentenpaket könnte es deshalb schon in der Frühkoordinierung, also dem ersten Austausch zwischen den Bundesministerien und dem Bundeskanzleramt über ein Gesetzesvorhaben, möglicherweise um ganz grundsätzliche Fragen der Tragfähigkeit der Sozialsysteme gehen, heißt es in Koalitionskreisen.
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