Feb 8, 2023
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Rede zur Lage der Nation: US-Präsident Biden kündigt Abgrenzung zu China an

Written by Annett Meiritz

Washington Brücken, Züge, Straßen, Batteriefabriken, Breitband, all das bauen die USA. Mehr als „700 Milliarden US-Dollar an privaten Investitionen“ seien durch seine Gesetze angekurbelt worden, erklärte US-Präsident Joe Biden in seiner Rede zur Lage der Nation am Dienstag. „Aber wir bauen auch etwas anderes auf“, führte er weiter aus: „Stolz“.

Es war eine selbstbewusste, kämpferische Botschaft, die Biden vorbrachte. Die USA seien „besser aufgestellt als jedes andere Land der Erde“, was Inflation und Energiepreise angehe. Seine Rede konnte auch als Verkaufsargument für eine mögliche zweite Amtszeit verstanden werden. Denn in Washington wird erwartet, dass der 80-Jährige bald seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2024 verkündet.

Angesichts eines gespaltenen Kongresses können Bidens Demokraten seit diesem Jahr nicht mehr viele Gesetze anstoßen. Der US-Präsident unterstrich deshalb vor allem die Umsetzung bereits beschlossener Reformen.

Doch er gab auch Einblicke in seine Pläne für die Zukunft: Biden legte nahe, dass die USA künftig noch mehr auf Protektionismus setzen und sich von China abgrenzen wollen. Gleichzeitig bekannte er sich zur Führungsrolle der USA im westlichen Militärbündnis Nato. 

Die wichtigsten Erkenntnisse der Biden-Rede im Überblick: 

1. Biden verschärft „Buy American“-Regeln

Die Welt muss sich darauf einstellen, dass die USA noch mehr auf Abschottung und Marktbarrieren setzen werden. „Wir stellen sicher, dass die Lieferketten für Amerika in Amerika beginnen. Amerikanische Straßen, amerikanische Brücken und amerikanische Autobahnen werden mit amerikanischen Produkten gebaut“, sagte Biden im Kongress. 

Konkret kündigte Biden neue Standards für Baumaterialien in Infrastrukturprojekten des Bundes an. Darin genutzte Komponenten wie „Bauholz, Glas, Trockenbau, Glasfaserkabel“ müssten künftig in Amerika hergestellt werden, mehr Details dazu legte das Weiße Haus zunächst jedoch nicht vor. 

Unter Bidens Führung hatte der Kongress drei Subventionspakete verabschiedet, insgesamt fließen fast zwei Billionen US-Dollar in Infrastruktur, Halbleiter, erneuerbare Energien und Fertigung. Vor allem der umstrittene Inflation Reduction Act enthält zahlreiche „Made in America“-Vorschriften.

In der EU sieht man die Barrieren als diskriminierend, parallel wächst die Sorge, dass europäische Firmen ihre Produktion in die USA verlagern könnten. Die Wirtschaftsminister von Deutschland und Frankreich, Robert Habeck und Bruno Le Maire, waren deshalb in dieser Woche nach Washington gereist, um für Ausnahmen zu werben.

Eine Kehrtwende beim Inflation Reduction Act, das machte Biden klar, soll es aber nicht geben. „Ich werde mich nicht dafür entschuldigen, dass wir investieren, um Amerika stark zu machen. Dass wir in amerikanische Innovationen investieren, in Branchen, die die Zukunft bestimmen werden und die die chinesische Regierung dominieren will.“

Habeck (links) und Le Maire in Washington

Die Wirtschaftsminister von Deutschland und Frankreich wollen Europas Interessen wahren.



(Foto: dpa)

Bidens Kurs wird in Teilen der US-Wirtschaft kritisch gesehen. So warnte die US-Handelskammer nach Bidens Rede vor einer „Überregulierung“ und stellte fest, der Präsident habe nicht ein einziges Mal die Handelspolitik erwähnt. „Es ist an der Zeit, dass diese Regierung wieder neue Handelsabkommen zur Marktöffnung anstrebt, die nicht nur unseren Lebensstandard, sondern auch unser Ansehen in der Welt erhöhen“, sagte Suzanne Clark, CEO der Handelskammer. 

Biden schottet die USA auch aus Gründen der nationalen Sicherheit ab, um unabhängiger von systemischen Gegnern wie China zu werden. Das Eindringen und später dann der Abschuss eines chinesischen Spionageballons vor einigen Tagen hatte die Beziehungen zu China weiter verschlechtert.

Biden rechtfertigte sich gegenüber Kritikern, die ihm Zögerlichkeit beim Abschuss des Ballons vorgeworfen hatten. „Ich habe gegenüber Präsident Xi deutlich gemacht, dass wir den Wettbewerb suchen, nicht den Konflikt. Aber damit es keine Missverständnisse gibt: Wir handeln, um unser Land zu schützen, wenn China unsere Souveränität bedroht. Genau das haben wir gerade getan“.

Noch ist der Warenverkehr zwischen den größten Volkswirtschaften der Welt stark: Der US-Gesamthandel mit China sei so rege wie nie, teilte das Wirtschaftsministerium am Dienstag mit. 

2. Biden kündigt neuen Vorstoß zur Umverteilung an

Die neue Realität im Machtzentrum der USA wurde im Kongress während Bidens Rede sichtbar: Seit dem 3. Januar regiert Biden mit einem gespaltenen Kongress. Ein radikaler Teil der US-Republikaner droht mit der Blockade wichtiger Gesetze, wie der Anhebung der Schuldengrenze. Hinter Biden saß, wie in den vergangenen Jahren, Vizepräsidentin Kamala Harris – und zum ersten Mal auch der neue republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy. Biden und McCarthy schüttelten sich die Hände, doch immer wieder wurde Biden von Zwischenrufen der Republikaner unterbrochen, es kam zu unruhigen Szenen.

Biden versuchte, das Beste aus der Situation zu machen. Seine Demokraten stellte er als konstruktive Macher dar und die Republikaner als orientierungslose Störer. „Kämpfen um des Kämpfens willen, Macht um der Macht willen, Konflikt um des Konflikts willen, all das führt uns nirgendwo hin“, kritisierte er.

Die Stimmen der Republikaner sind wegen ihrer neuen Mehrheit im Repräsentantenhaus jedoch zwingend erforderlich, um die Schuldengrenze der USA anzuheben und den Haushalt zu verabschieden. Sollten sie bestimmte Forderungen durchsetzen wollen, etwa Kürzungen bei Sozialausgaben oder mehr Geld für den Grenzschutz und die Anhebung blockieren, drohen ein Zahlungsausfall der USA und ein Börsencrash. „Einige meiner republikanischen Freunde wollen die Wirtschaft als Geisel nehmen“, warnte Biden. 

Wir stellen sicher, dass die Lieferketten für Amerika in Amerika beginnen. Amerikanische Straßen, amerikanische Brücken und amerikanische Autobahnen werden mit amerikanischen Produkten gebaut. Joe Biden, US-Präsident

Der US-Präsident nahm den Streit als Anlass, um für mehr Umverteilung zu werben. Er brachte am Dienstag eine höhere Besteuerung von Unternehmen und Superreichen ins Spiel. „Ich bin Kapitalist. Aber zahlen Sie einfach Ihren gerechten Anteil“, sagte er an die größten Konzerne in den USA gerichtet. Außerdem drängte Biden darauf, die Verbrauchssteuer auf Aktienrückkäufe zu vervierfachen. Vor allem Ölriesen hätten „inmitten einer globalen Energiekrise 200 Milliarden US-Dollar verdient. Es ist unverschämt“, so der Präsident. 

Mehr Umverteilung war ein Hauptziel Bidens im Wahlkampf 2020, doch im Amt scheiterte er am Widerstand der Republikaner und einiger Demokraten. Dass er das Thema nun neu auf die Agenda bringt bedeutet, dass er bei einer möglichen Wiederwahl einen erneuten Anlauf starten dürfte.

3. Europa kann im Ukraine-Krieg noch auf die USA zählen

Biden unterstrich das Engagement Washingtons für die Ukraine. „Wir werden so lange zur Seite stehen, wie es dauert“, betonte er. Im vergangenen Jahr hatten die USA der Ukraine mehr als Hundert Milliarden US-Dollar überwiesen, davon sind rund ein Viertel Militärhilfen. Allerdings drohen einige Rechtsaußen-Politiker im Kongress damit, die Gelder zu blockieren.

Unter anderem Jill Biden (lila Kleid) und Paul Pelosi (unten)

Anhänger des US-Präsidenten Biden applaudieren während seiner Rede im Kongress.


(Foto: AP)

Am Dienstag zeigte sich der Präsident in seiner Rolle als Vermittler und Anführer des Westens. „Putins Invasion war ein Test für die Ewigkeit. Ein Test für Amerika. Ein Test für die Welt“, sagte Biden. „Gemeinsam haben wir das getan, was Amerika immer in seinen besten Zeiten tut. Wir führen. Wir haben die Nato vereint und eine globale Koalition aufgebaut“. Verbündete Länder „geben mehr aus und tun mehr“, fügte er hinzu. Eine mögliche Anspielung auf die „Zeitenwende“ der deutschen Bundesregierung.

Eine andere Kernbotschaft Bidens war: die Nation sei nach den Trump-Jahren und der Pandemie wieder in der Normalität angekommen. Corona habe „uns so viel geraubt“, so Biden. „Heute kontrolliert Covid unser Leben nicht mehr“.

Der Moment der Reflexion Bidens dürfte nicht lange anhalten. Im Präsidentschaftswahlkampf wird das politische Klima wieder härter und aggressiver werden. Bei den Republikanern ist Donald Trump derzeit der einzige Bewerber, bald könnten Ron DeSantis, Gouverneur von Florida, die frühere UN-Botschafterin Nikki Haley und andere Republikaner ins Rennen einsteigen.

Bereits am Mittwoch beginnen im Kongress Untersuchungen zu den früheren Ukraine-Geschäfte von Hunter Biden, dem Sohn des Präsidenten. Dazu laufen Ermittlungen gegen Bidens Affäre um illegal aufbewahrte Regierungsdokumente. Der nahende Wahlkampf ist eine Erinnerung daran, dass die Versprechen einer US-Regierung immer nur eine Amtszeit lang haltbar sind. 

Mehr: Bidens Alter ist ein Risikofaktor – aber er wird „unterschätzt“, sagt ein Kenner des Präsidenten. 



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