Brüssel, Berlin In der Energiekrise haben die Europäer ihren Energieverbrauch deutlich gesenkt. In Deutschland, dem Land mit dem höchsten Gasverbrauch in der EU, ging der Verbrauch nach Angaben der Bundesnetzagentur 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 17,6 Prozent zurück.
Doch der Klimarat der Europäischen Union will mehr. „Es braucht zusätzliche Anstrengungen, um die angehobenen Ziele zu erreichen“, schreiben die Wissenschaftler in ihrem Bericht über die Reaktion der EU auf die Energiekrise.
Schon in den vergangenen Jahren zahlten sich die Sparmaßnahmen in Europa aus: „Die EU hat eine nachweisbare Erfolgsbilanz bei der Verbesserung der Energieeffizienz und der Senkung der Energienachfrage“, heißt es in dem Bericht. Für das Jahr 2020 hatte sie das Ziel, die Energieeffizienz um 20 Prozent zu verbessern, erreichte dann aber sogar mehr als ein Viertel.
Nun aber werden die Ziele weiter angehoben. Der im Dezember beschlossene Repower-EU-Plan setzt das Effizienzziel auf 40 Prozent hoch.
Vor allem zwei Sektoren sind es, in denen die Wissenschaftler Einsparpotenzial sehen. Der wichtigste ist mit Abstand der Gebäudebereich. Zwei Fünftel des europäischen Energiekonsums hat mit Gebäuden zu tun, also vor allem mit dem Heizen und Klimatisieren.
Chemieindustrie ist im Fokus
Seit die Energiepreise im Oktober 2021 stark stiegen, hätten viele EU-Staaten bereits die Sanierung von Gebäuden beschleunigt. Damit die EU ihre Klimaziele für 2030 und 2050 erreiche, müssten die Sanierungen aber weiter beschleunigt werden.
Das Potenzial in der Industrie sei geringer. Zusätzliche Anreize zum Energiesparen liefert die Reform des Emissionshandels, die politisch bereits beschlossen ist und an diesem Mittwoch von den EU-Mitgliedstaaten offiziell angenommen wurde. Deutlich weniger Unternehmen werden künftig kostenlose CO2-Emissionsrechte erhalten.
Der Klimarat empfiehlt nun, auch diesen Unternehmen zusätzlich Druck zu machen: Der Anreiz für Effizienzsteigerungen „kann noch verstärkt werden, indem die kostenlose Zuteilung von EU-Emissionszertifikaten an die Verpflichtung zur Emissionsminderung geknüpft wird“, heißt es im Bericht. Dabei geht es um eine Erhöhung der Effizienz zum Beispiel von Chemieanlagen und auch um den Wechsel der Energieträger, also etwa die Umstellung von Öl und Gas auf Strom und Wasserstoff.
Die Chemiebranche, der größte Gasverbraucher in der Industrie, sieht das skeptisch. Der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Chemischen Industrie (VCI), Wolfgang Große Entrup, sagte, der spezifische Energiebedarf der chemisch-pharmazeutischen Industrie sei seit Jahrzehnten rückläufig. „Allein zwischen 1990 und 2020 ging er um die Hälfte zurück“, sagte er.
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In der aktuellen Energiekrise habe die Branche ihre Einsparbemühungen weiter verstärkt. Kurzfristig realisierbare Reduktionspotenziale seien weitgehend ausgeschöpft.
Biokraftstoffe mit großen Nachteilen
Den Wechsel auf biologisch hergestellte Brennstoffe sieht der Klimarat kritisch. Die Wissenschaftler sehen den Anbau von Energiepflanzen in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Auch den Import von Biokraftstoffen sehen sie als Faktor, der zu Unsicherheit bei der Versorgung mit Lebensmitteln führen kann.
Die Politik solle keine Anreize für die Produktion und den Verbrauch von Biokraftstoffen schaffen, wenn damit ein Risiko verbunden sei, dass diese Produktion in Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion stehe.
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Der Klimarat wurde mit dem Klimagesetz von 2021 eingeführt und soll die EU auf ihrem gesetzlich festgelegten Weg beraten, bis 2050 klimaneutral zu werden. Vorsitzender ist der Direktor des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer.
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