Berlin, Hamburg Bundesverkehrsminister Volker Wissing will künftig nicht nur Verkehrsprojekte beschleunigt planen und bauen, sondern auch Mobilfunknetze. Dazu will der FDP-Politiker den Bau von Mobilfunkmasten zum überragenden öffentlichen Interesse erklären und so im Telekommunikationsgesetz festschreiben.
„Dies stärkt die Errichtung von Mobilfunkmasten im Rahmen von ermessensgetragenen Abwägungsentscheidungen der Genehmigungsbehörden“, begründet das Ministerium den Schritt in einer Antwort auf eine Anfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie liegt dem Handelsblatt vor.
Auf 14,5 Prozent des Territoriums gilt dies für die Kunden von mindestens einem der drei großen Anbieter Deutsche Telekom, Vodafone oder Telefónica (O2) („graue Flecken“). 97,8 Prozent des Landes werden zumindest von einem Anbieter mit dem Mobilfunkstandard 4G (LTE) versorgt. Beim schnelleren 5G gilt das für 84,7 Prozent der Fläche.
„Deutschland hinkt beim Mobilfunkausbau hinterher“, kritisierte Reinhard Brandl (CSU). Er begrüßte die Pläne Wissings, zweifelt aber an dessen Durchsetzungsfähigkeit. „Nach dem Hickhack um sein Planungsbeschleunigungsgesetz für den Verkehrsbereich bin ich nicht optimistisch.“
Länder befreien Mobilfunker von Genehmigungsverfahren
Den Unternehmen drohen bis zu 50.000 Euro Strafe für jeden nicht errichteten Mast. Sie verweisen indes auf langwierige Genehmigungsverfahren und begrüßen daher den Plan des Verkehrsministers. Man freue sich über „jede Initiative, die den Netzausbau schneller macht“, erklärte etwa die Telekom auf Nachfrage. Die „konkreten Auswirkungen“ ließen sich indes erst bewerten, wenn klar sei, für welche Bereiche die Neuregelung gelte.
Ähnlich vorsichtig bewertete Christian Sommer, Vorstand bei Vodafones Mobilfunkturmtochter Vantage Towers, den Vorstoß. Die Einordnung von Mobilfunkmasten als Vorhaben von „überragendem öffentlichen Interesse“ könne „dazu beitragen, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen“.
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Derweil forcieren die Bundesländer den Ausbau. So hat Nordrhein-Westfalen 2021 die Landesbauordnung geändert: Der Mindestabstand zwischen Masten darf seither geringer ausfallen, auch entfällt die Genehmigungspflicht bei Masten bis zu einer Höhe von 20 Metern. Die Verfahren liefen nun deutlich schneller, wie ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums erklärte. „Gerade bei Dachstandorten gelingt es, durch zusätzliche Antennen die Versorgung zu verbessern und schnell und unbürokratisch zusätzliche Netzkapazitäten bereitzustellen.“ Insgesamt gebe es in dem Bundesland „mehr als 14.000“ Masten. Vodafone wolle im ersten Halbjahr 33 neue Masten aufstellen.
NRW sieht sich als Vorreiter. In der Tat hat auch Hessen inzwischen ähnliche Regeln eingeführt. Durch die geringeren Abstände „steigt die Anzahl der möglichen Grundstücke, und es gibt eine höhere Auswahl an potenziell geeigneten Standorten“, erklärte ein Sprecher des Digitalministeriums. „In der Summe führt dies für die Mobilfunkunternehmen zu schnelleren, kostengünstigeren und funktechnisch besseren Umsetzungen und damit im Ergebnis zu einer besseren Mobilfunkversorgung.“
Bayern will diese Regeln künftig auch anwenden und ändert gerade seine Landesbauordnung. Zudem sollen die Unternehmen „ebenfalls verfahrensfrei“ temporäre Masten ohne Höhenbegrenzung aufstellen dürfen, „wenn diese für maximal 24 Monate aufgestellt werden und zur Schließung einer bestehenden Versorgungslücke erforderlich sind“, wie das Landeskabinett kürzlich beschloss.
Unternehmen wollen schon vor der Genehmigung bauen
Doch drängen die Unternehmen weiter auf einfache Genehmigungen, gerade bei standardisierten Masten. Markus Haas, Chef von Telefónica Deutschland (O2), wirbt deshalb für eine sogenannte Genehmigungsfiktion. So könnten die Unternehmen einen Mast aufstellen und notfalls wieder abreißen, wenn das Amt den Bau doch nicht genehmigt.
Dies geschehe aber in den seltensten Fällen, weshalb das Risiko gering sei. „Was Tesla in Brandenburg mit dem Bau der Fabrik ohne Genehmigung durfte, wünschen wir uns auch“, sagte Haas. Der Infrastrukturausbau und die Digitalisierung würden so „massiv“ beschleunigt.
Die Bundesregierung hingegen benötigt noch Zeit. Dies gilt etwa für schnellere Verfahren für ein 5G-Netz entlang der Bundesfernstraßen, für die sie sich mit den Ländern abstimmt. Aus der Antwort auf die Anfrage der Unionsfraktion geht hervor, dass bald „ein Zwischenbericht finalisiert und die weitere Vorgehensweise festgelegt werden“ soll.
Auch lässt etwa das neue Förderprogramm auf sich warten, mit dem der Bund den Glasfaserausbau im Land fördern will. Das alte Programm hatte Verkehrsminister Wissing im Oktober wegen der zu hohen Nachfrage gestoppt. „Die neue Förderrichtlinie soll möglichst im ersten Quartal 2023 in Kraft treten. Ein neuer Förderaufruf ist unmittelbar im Anschluss vorgesehen“, heißt es nun in der Antwort des Ministeriums.
Entsprechend spottet die Opposition. „Die Fortschrittskoalition kommt schon bei den ersten Schritten zur Umsetzung der Gigabitstrategie ins Stolpern“, sagte der CSU-Digitalpolitiker Hansjörg Durz. „Ob ein Haftungsfonds für alternative Verlegemethoden oder ein geplantes Nachhaltigkeitssiegel für Glasfaser: Die Prüfungen dazu sind noch nicht abgeschlossen und hängen damit hinter dem Zeitplan.“
Und Berichterstatterin Ronja Kemmer (CDU) sagte: „Die Bundesregierung gibt ganz offen zu, dass bei der eigentlich für 2022 angestrebten Erstellung eines Konzepts für 5G-Ökosysteme bisher nichts passiert ist. Auch der Meilensteinplan zur Schließung von weißen Flecken im Mobilfunk lässt weiter auf sich warten.“
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