Feb 9, 2023
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Umweltkatastrophe: Türkei und Syrien: So gespalten ist die Welt bei der Erdbebenhilfe

Written by Christian Wermke

Rom Auf Paletten werden Zelte, Feldbetten, Schlafsäcke und winterfeste Kleidung aus dem Hangar gefahren. 50 Tonnen Hilfsgüter hat die Luftwaffe hier in der Nacht verladen, wie auf Videos der Bundeswehr zu sehen ist. Am Donnerstagmorgen starteten die ersten drei Airbus A400M in Richtung Türkei.

Bis in die nächste Woche rein sollen vom Fliegerhorst Wunstorf in Niedersachsen täglich drei der schweren Militärtransporter in das Erdbebengebiet fliegen. Das Innenministerium sprach von Material im Gesamtwert von einer Million Euro. Aus Berlin wurden auch Passagiermaschinen von Turkish Airlines mit tonnenweise Hilfsgütern beladen.

Die internationale Hilfe aus dem Westen nach den verheerenden Erdbeben in der Türkei und Nordsyrien ist enorm – vor allem für die Türkei: Nicht nur Deutschland ist dabei. Rettungsteams kommen aus den USA, aus Italien, aus Frankreich. Selbst Zypern, das wegen der Besetzung des nördlichen Teils der Insel im jahrelangen Clinch mit der Türkei steht, entsendet 21 Retter ins Erdbebengebiet. Insgesamt sollen mehr als 100.000 Helfer aus dem In- und Ausland im Einsatz sein.

Anders sieht es bei der Hilfe für Syrien aus. Zwar wurden Gelder für beide Länder versprochen, Berlin stockt die humanitären Hilfen ebenso auf wie die Europäische Union. Doch mit Hilfslieferungen in das Bürgerkriegsland tut sich der Westen bislang schwer – auch aus Angst, den Diktator Baschar al-Assad damit zu stärken.

Nur ein Grenzübergang nach Syrien ist offen

Die Welt ist gespalten. Da ist die Türkei: Schon am Montagabend, wenige Stunden nach dem Beben mit einer Stärke von bis zu 7,7 auf der Richter-Skala, machten sich die ersten freiwilligen Helfer aus Deutschland mit Spürhunden auf den Weg in die Türkei. Am Mittwoch schickte die gemeinnützige Organisation @fire aus der Nähe von Osnabrück ein zweites Team hinterher, auch das Technische Hilfswerk ist seitdem mit 50 Männern und Frauen im Südosten des Landes präsent, um nach verschütteten Menschen zu suchen.

Die Hoffnung, noch Überlebende unter den Trümmern zu finden, schwindet mit jeder Minute: „Es ist immer ein Wettlauf gegen die Zeit“, sagt Sebastian Baum, Sprecher von @fire. „Bei 72 Stunden ist die Überlebenschance nahe null.“ Hinzu kommt die Kälte: Die Temperaturen im Krisengebiet liegen um den Gefrierpunkt herum. Die Zahl der Toten stieg am Donnerstag auf mehr als 20.000, um die 70.000 Menschen sollen verletzt sein.

Und das ist Syrien, wo die Hilfe eher kleckerweise ankommt. „Die internationale Staatengemeinschaft darf die Menschen in Nordsyrien nicht vergessen“, sagt Christian Katzer, Geschäftsführer von Ärzte ohne Grenzen in Deutschland. Es brauche eine groß angelegte internationale Hilfsaktion für die Region und „klare Unterstützung von humanitären Organisationen, die bereits in der Region arbeiten“.

>> Lesen Sie hier: Wie das Erdbeben Syrien aus der Isolation befreien könnte

Seit 2011 herrscht Krieg in Syrien, mehr als eine halbe Million Menschen sind laut internationalen Schätzungen dabei gestorben, rund 5,6 Millionen Syrer sind laut der UN in andere Länder geflüchtet.

Opferzahlen in der Türkei und Syrien steigen rasant

Assads Regime herrscht derzeit über gut zwei Drittel des Landes. Hilfsgüter, die über die Hauptstadt Damaskus ins Land kommen, werden von Assads Männern verteilt. Mehrfach gab es Berichte darüber, dass sich die Regierung daran selbst bereichere und Güter ans eigene Volk verkaufe. Auch sollen bei der Verteilung von Hilfsgütern Gebiete übergangen worden sein, die Assad als feindlich ansieht.

Die vom Erdbeben getroffene Region erstreckt sich über von Assad kontrollierte Gebiete, aber auch über die Rebellenprovinz Idlib. Derzeit gibt es mit Bab al-Hawa nur einen offenen Grenzübergang zwischen der Türkei und den syrischen Rebellengebieten. Der UN-Syrienvermittler Geir Pedersen appellierte an die syrische Regierung, Hilfsgüter für Regionen außerhalb der Regierungskontrolle nicht zu blockieren. „Wir müssen sicherstellen, dass es keine politischen Behinderungen gibt, um die Hilfsgüter dorthin zu bekommen, wo Menschen betroffen sind“, erklärte Pedersen in Genf.

Die türkische Regierung bemüht sich inzwischen darum, eine Öffnung der von der syrischen Regierung kontrollierten Grenzposten zu erreichen. Seit Jahren sind die Übergänge wegen der Spannungen zwischen beiden Ländern geschlossen. „Wir sind bei einem Einsatz immer auf die Zusammenarbeit mit den Behörden angewiesen“, sagt @fire-Sprecher Baum. In der Türkei habe das gut funktioniert, in Syrien sehe es anders aus. „Leider ist die Hilfe bei einem Erdbeben auch immer sehr politisch.“

Statt Rettungsausrüstung kommt Waschmittel

Ganz abgeschnitten von internationaler Hilfe ist Syrien aber auch nicht: Der Oman hat schon am Mittwoch eine Luftbrücke mit Hilfsgütern gestartet – will aber keine Rettungsteams ins Land schicken. Die Vereinigten Arabischen Emirate sagten Hilfe im Wert von 50 Millionen Dollar zu und wollen ein Feldlazarett errichten. Auch Indien schickte schon Hilfsgüter per Flugzeug. Unterstützung bekam die syrische Führung auch aus Iran, Russland und China zugesichert – seit Langem direkte oder indirekte Unterstützer von Machthaber Assad.

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Syriens Regierung nahm das Erdbeben zum Anlass, erneut die westlichen Sanktionen zu kritisieren, die die USA und die EU wegen des brutalen Vorgehens des Regimes im Bürgerkrieg verhängt haben. Sie würden die Hilfe für die Bevölkerung erschweren.

Experten bezweifeln allerdings, dass die Aufhebung der Strafmaßnahmen einen direkten Einfluss auf die dringend benötigte Nothilfe hätte. Rund 4,5 Millionen Menschen leben in den Teilen im Nordwesten des Landes, der nicht von Assad kontrolliert wird. Nach UN-Angaben waren 90 Prozent der dortigen Bevölkerung bereits vor der Erdbebenkatastrophe auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Im Laufe des Donnerstags passierten dann doch noch die ersten sechs Lastwagen die Grenze nach Syrien, wie die UN mitteilte. Aktivisten vor Ort berichteten aber, dass es sich um Hilfslieferungen handele, die schon vor dem Erdbeben geplant waren. Statt lebenswichtiger Ausrüstung für die Rettungsteams sei deshalb unter anderem Waschmittel angekommen.

Mehr: Jahrtausendkatastrophe in der Türkei: Kritik an Erdogans Krisenmanagement wächst



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