Brüssel, Paris Deutschland und vier weitere EU-Länder stellen insgesamt vier Milliarden Euro an staatlichem Wagniskapital bereit, um eine Abwanderung von vielversprechenden Tech-Firmen aus Europa zu verhindern. Die ersten Verträge der „European Tech Champions Initiative“ werden am Montag in Brüssel unterzeichnet, wie das Handelsblatt aus mehreren mit dem Thema vertrauten Quellen erfuhr. Damit kann der bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) angesiedelte Dachfonds, der fortgeschrittenen Start-ups aus der EU zum entscheidenden Wachstumsschub verhelfen soll, zeitnah die Arbeit aufnehmen.
Deutschland, Frankreich und Spanien stellen als Anschubfinanzierung jeweils eine Milliarde Euro zur Verfügung, zudem leisten Italien und Belgien einen finanziellen Beitrag. Später sollen sich auch andere Mitgliedsstaaten sowie private Geldgeber an dem Fonds beteiligen. Das Ziel ist, ihn mit insgesamt zehn Milliarden Euro auszustatten.
Die „European Tech Champions Initiative“ geht auf Frankreichs EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 zurück. Europa müsse bei digitalen Zukunftstechnologien von den USA und China unabhängig werden, hieß es damals aus Paris. Dazu brauche die EU auch eigene „Technologieriesen“, die es mit den großen weltweiten Tech-Unternehmen aufnehmen könnten.
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Das französische Finanzministerium bestätigte auf Anfrage, dass Frankreich am Montag bei der Vertragsunterzeichnung für den Fonds eine Milliarde Euro bereitstellen werde. „Die Initiative ist ein eindrückliches Beispiel dafür, was wir gemeinsam erreichen können, um die wirtschaftliche und industrielle Souveränität Europas zu stärken“, sagte Finanz- und Wirtschaftsminister Bruno Le Maire dem Handelsblatt. „Auf diesem Weg können die europäischen Tech-Firmen noch mehr zu Innovation, Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen in der Europäischen Union beitragen.“
Auch die Bundesregierung hatte das Projekt von Beginn an vorangetrieben. Berlin will damit die Finanzierungsprobleme angehen, mit denen europäische Start-ups während der kritischen Wachstumsphase konfrontiert sind. Finanzminister Christian Lindner (FDP) beklagte vergangenes Jahr, dass die EU durch das fehlende eigene Risikokapital gerade jene Tech-Firmen „mit dem höchsten Wachstumspotenzial“ verliere.
Wenn Tech-Unternehmen nach einer erfolgreichen Gründungszeit ihr Geschäft hochskalieren wollen, müssen sie zwei- bis dreistellige Millionenbeträge an den Kapitalmärkten auftreiben. Bislang mangelt es an europäischen Wagniskapitalgebern, die eine derartige Schlagkraft aufbringen können. Reifere Start-ups wenden sich daher häufig an Investoren außerhalb Europas – die dann nicht selten über den künftigen Sitz des Unternehmens oder den Ort eines möglichen Börsengangs entscheiden.
Europas Tech-Branche dürfte der Fonds aktuell auch aus einem anderen Grund gelegen kommen: Für Start-ups ist es zuletzt schwieriger geworden, frisches Wagniskapital einzusammeln. Investoren sind bei den Finanzierungsrunden zurückhaltender geworden, institutionelle Geldgeber legen angesichts steigender Zinsen wieder stärker in risikoärmeren Staats- und Unternehmenspapieren an.
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Eine Schlüsselrolle beim Aufbau des Dachfonds spielt der Europäischen Investitionsfonds (EIF), der Risikokapital-Arm der EIB. Dieser soll mindestens 500 Millionen Euro zum Kapital beisteuern und sich um das Management des Dachfonds kümmern. Geplant ist, dass die Mittel aus dem Dachfonds in einem ersten Schritt an Private-Equity- und Risikokapital-Fonds mit Sitz in der EU fließen, die dann wiederum in europäische Start-ups in der kritischen Wachstumsphase investieren.
Die Hoffnung ist, mit den staatlichen Milliarden als Hebel zusätzliche private Investitionen zu mobilisieren. Dem Vernehmen nach könnten auch noch in diesem Jahr weitere EU-Mitglieder konkrete Zusagen für den Dachfonds machen. Gerade unter kleineren Mitgliedsstaaten stößt die Initiative aber auch auf Skepsis. Dort befürchtet man, dass am Ende vor allem Tech-Firmen aus Frankreich und Deutschland von dem staatlich befüllten Risikokapital-Topf profitieren werden.
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