Berlin Am Sonntagabend um 18.09 Uhr gibt es noch ein klein wenig Hoffnung im Hans-Dietrich-Genscher-Haus. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai betritt mit dem Berliner Spitzenkandidaten die Bühne, sie klatschten sich gegenseitig Mut zu. In einer Prognose liegen die Liberalen noch bei fünf Prozent, wären knapp im Berliner Abgeordnetenhaus. „Ich wünsche uns allen starke Nerven für diesen Abend“, sagt Czaja.
Doch lange hielt sich die Hoffnung nicht. In den Stunden nach dem Auftritt von Djir-Sarai und Czaja zeichnete sich immer klarer ab, dass die FDP aus dem Berliner Abgeordnetenhaus geflogen ist. Nur 4,6 Prozent erreichte die Partei bei der Wiederholungswahl, im Jahr 2021 waren es noch 7,1 Prozent gewesen.
Starke Nerven braucht man nun vor allem in der Parteispitze. Für die FDP ist es die fünfte Wahlschlappe in Folge seit der Bundestagswahl. Im Oktober war sie in Niedersachsen an der Fünfprozenthürde gescheitert. Und in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen flog die FDP 2022 aus den Landesregierungen. Im Saarland verpasste sie den Sprung in den Landtag.
In der Partei verweist man auf Berlin-spezifische Gründe: Viele bürgerliche Wähler hätten für die CDU gestimmt, um einen Wechsel im Senat zu erreichen. Doch natürlich wird schon am Sonntagabend im Genscher-Haus die Frage diskutiert, die die Partei spätestens seit der Niederlage in Niedersachsen umtreibt: Wie hoch ist der Preis, den die FDP für das Ampelbündnis im Bund zahlen muss?
Der Berliner Spitzenkandidat Czaja verwies am Sonntagabend schon mal vorsorglich darauf, dass man „zusammen mit der Bundespartei“ gekämpft habe, „wir haben die Ampelkoalition nie versteckt“. Am Abend der Niederlage wurde allerdings zunächst die Bundespartei versteckt. Mit Djir-Sarai und Czaja standen Politiker aus dem Berliner Landesverband auf der Bühne.
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Präsidium und Bundesvorstand beraten am Montagmorgen über den Wahlausgang. Hier war man sich bis zuletzt sicher gewesen, dass die FDP es wieder ins Abgeordnetenhaus schaffen würde. Einen solchen Rückschlag gleich zu Jahresbeginn wollte man unbedingt vermeiden.
Wie lange bleibt die Parteibasis ruhig?
Nach den internen Beratungen wird FDP-Chef Christian Lindner mit Czaja die Niederlage in der Öffentlichkeit erklären müssen. Vermutlich wird es ähnlich klingen wie nach dem Debakel in Niedersachsen: Dass die Ampel nicht die Lieblingskoalition der FDP-Wähler ist, gibt auch Lindner zu. Und trotzdem müsse man aus staatspolitischer Verantwortung nun solide weiterregieren, lautete zuletzt stets die Botschaft.
Die Frage ist, wie lange sich die liberale Basis noch Ruhe verordnen lässt, wie lange man in anderen Landesverbänden die Nerven behält. Im Mai wird in Bremen gewählt, diese Wahl ist bei der Parteispitze mehr oder weniger schon abgehakt. In Bremen gibt es für die FDP traditionell wenig zu holen.
Entscheidend sind die Wahlen im Herbst in Bayern und Hessen. Sollten die Liberalen auch hier Niederlagen einfahren, dann werde man sich davon bis zur Bundestagswahl kaum erholen, warnen die dortigen Wahlkämpfer.
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„Bitterer Abend für die Liberalen“, twitterte der bayerische Spitzenkandidat Martin Hagen am Sonntag, nachdem sich abgezeichnet hatte, dass die FDP es nicht ins Berliner Abgeordnetenhaus schaffen würde. „Die Ampel bringt weiter keinen Rückenwind“, fügte er hinzu.
Entsprechend gibt es Forderungen aus der Partei, man müsse in der Ampelkoalition mehr durchsetzen, eigene Positionen stärker herausarbeiten. „Selbstverständlich hat das auch Folgen mit Blick auf Berlin“, sagte Generalsekretär Djir-Sarai schon am Sonntagabend. „Die Stimme der FDP innerhalb der Ampel muss deutlicher sein als vorher.“
Ruppiges Klima in der Ampelkoalition
Allerdings war die FDP in den vergangenen Wochen schon ruppiger in der Ampelkoalition aufgetreten. Eine Reihe von Gesetzesvorhaben der Koalitionspartner blockiert sie. Bei der Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsprozessen liefert sie sich einen Streit mit den Grünen über die Frage, ob dies auch für den Neubau von Straßen gelten sollte.
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Die Auseinandersetzungen innerhalb der Ampelkoalition haben den Liberalen bisher nicht genutzt. So war der Wahlkampf in Niedersachsen vor allem vom Atomstreit mit den Grünen geprägt, Zuspruch von den Wählern gab es dafür nicht.
Trotz der Verlustserie gab es bisher kaum Kritik an Lindner und der Parteiführung. Nur hinter vorgehaltener Hand äußern sich einige mal kritisch zu einzelnen Bundesministern und werfen ihnen eine schwache Performance vor. Ob es so ruhig bleibt? Einen Stimmungstest zur Gemütslage der Parteibasis gibt es Ende April. Dann treffen sich die Liberalen zum Bundesparteitag und wählen ihre Parteiführung neu.
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