Feb 13, 2023
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Energie: Deutschland fürchtet Nachteile bei Reform des europäischen Strommarkts

Written by Christoph Herwartz


Hochspannungsleitung

Die Bundesregierung warnt mit anderen EU-Mitgliedern vor Schäden für den Ausbau erneuerbarer Energien, den Wettbewerb und den grenzüberschreitenden Stromhandel.



(Foto: dpa)

Brüssel Es klingt wie eine Selbstverständlichkeit, woran Deutschland und andere EU-Staaten ihre Partner am Montag in einem Brief erinnerten: „Jede Reform, die über gezielte Anpassungen des bestehenden Rahmens hinausgeht, sollte durch eine gründliche Folgenabschätzung untermauert werden und nicht im Krisenmodus verabschiedet werden“, heißt es in einem Brief zum europäischen Strommarktdesign.

Aber die Bundesregierung fürchtet genau das: dass unter dem Eindruck der eigentlich schon überwundenen Energiekrise jetzt eine Reform durchgesetzt wird, die den Strommarkt belastet. Der Ausbau von Wind- und Solarkraft könnte darunter leiden, Länder könnten in Zukunft den grenzüberschreitenden Stromhandel einschränken, und langfristig könnten dadurch auch die Strompreise höher liegen als notwendig.

Unter den Absendern des Briefs sind neben Deutschland auch die Niederlande und ansonsten vor allem kleinere Staaten: Dänemark, Estland, Finnland, Luxemburg und Lettland. Gemeinsam wenden sie sich gegen einen Trend, der ihrer Ansicht nach die Errungenschaften der vergangenen Strommarktreformen aufs Spiel setzt: Frankreich und Spanien hatten im Januar ihre Vorstellungen für eine Neuordnung skizziert und dabei mehr staatliche Lenkung und weniger schwankende Preise gefordert.

So wollen sie, dass die Preise für Wind- und Solarstrom durch Differenzverträge, sogenannte „Contracts for Difference“ (CfD), geregelt werden. Darin wird ein konstanter Strompreis festgelegt, den die Betreiber der Anlagen am Markt verlangen können. Solange der Marktpreis unter diesem Referenzpreis liegt, zahlt der Staat die Differenz an den Stromerzeuger. Dafür muss der Stromerzeuger zahlen, wenn der Marktpreis über dem Referenzpreis liegt.

Sollten solche Verträge für neue oder sogar für bestehende Anlagen vorgeschrieben werden, ließen sich dadurch die Preise kurzfristig senken. Darum geht es offensichtlich den Befürwortern einer schnellen Reform.

Niedrige Preise jetzt oder in der Zukunft

Die Preissenkung kommt zustande, weil die Strompreise derzeit besonders hoch sind, für die kommenden Jahre aber fallende Strompreise erwartet werden. Ein Differenzvertrag würde einen Mittelwert dieser aktuellen und zukünftigen Preise festschreiben.

>> Lesen Sie hier: EU-Kommission startet Reform des Strommarkts – und löst Sorgen in der Öko-Branche aus

Ökonomen und die Unternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien erwarten außerdem sinkende Anreize für den Bau neuer Wind- und Solaranlagen, wenn CfD zur Pflicht werden. Dadurch könnte ein langfristiger Schaden für den europäischen Energiemarkt entstehen.

Die Bundesregierung warnt darum im Brief: „Die EU darf nicht aus den Augen verlieren, was notwendig ist, um das übergeordnete Ziel zu erreichen, nämlich die ehrgeizigen mittel- und langfristigen Klima- und Energieziele bei gleichzeitiger Gewährleistung von Versorgungssicherheit und erschwinglichen Preisen.“ CfD sollten nur dann eine Rolle spielen, wenn sie die Energiewende voranbrächten, das Vertrauen von Investoren nicht beschädigten und die Anpassung an aktuelle Marktsituationen erlaubten. Dazu müssten sie „clever gestaltet“ sein, so der Brief.

All diese Prognosen in einer Folgenabschätzung detailliert durchzurechnen gehört zum Standardprogramm, bevor die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag vorlegt. Doch dafür fehlt die Zeit, wenn sie ihren Zeitplan einhalten will: Schon für März ist die Veröffentlichung geplant.

Eile bei Ursula von der Leyen

Bis zu diesem Montag hat die Kommission noch Feedback zu ersten Reformideen entgegengenommen. 65 Fragen hatte sie dazu an Stakeholder verschickt. Allein die Antworten zu sichten und im Gesetzentwurf zu berücksichtigen dürfte mehrere Wochen in Anspruch nehmen.

Ursula von der Leyen

Die EU-Kommissionspräsidentin hatte im vergangenen Jahr neue Regeln für den Strommarkt versprochen, durch die Kunden von den niedrigen Erzeugungskosten bei Wind und Sonne profitieren können.



(Foto: Reuters)

Nachdem die Kommission einen Gesetzesvorschlag gemacht hat, können das EU-Parlament und die Mitgliedstaaten noch Änderungen vornehmen, um sich schließlich auf ein finales Gesetz zu einigen. Die Kommission hat aber den Anspruch, zumindest funktionierende, fertig ausgearbeitete Gesetze vorzuschlagen. Die Ergebnisse aus ihren Folgenabschätzungen bestimmen oft auch die Diskussionen im weiteren Gesetzgebungsprozess.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte im vergangenen Jahr neue Regeln für den Strommarkt versprochen, durch die Kunden von den niedrigen Erzeugungskosten bei Wind und Sonne profitieren können. Will sie ihr Versprechen halten, lässt sich der Termin für den Gesetzesvorschlag nicht mehr weit nach hinten verschieben. Im Frühjahr 2024 wird ein neues Europaparlament gewählt. Wenn das Gesetz bis dahin nicht offiziell beschlossen ist, verschiebt es sich für längere Zeit.

Mehr: Spaniens Wirtschaftsministerin über Energiekosten – „Unser Ansatz war ganz anders als der deutsche“



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