Feb 13, 2023
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Parlament: Israelischer Staatspräsident schlägt wegen umstrittener Justizreform Alarm

Written by Pierre Heumann

Tel Aviv Israels Präsident Isaac Herzog warnt vor einem „verfassungsrechtlichen und sozialen Zusammenbruch“ des Landes. In einer emotionalen Fernsehansprache forderte er am Sonntag sowohl die Koalitionsregierung von Premier Benjamin Netanjahu als auch die Opposition auf, den Konflikt um die Justizreform im Dialog zu lösen, und zwar möglichst schnell.

Millionen Israelis und eine große Zahl von Juden in der Diaspora sehen die beabsichtigte Justizreform als echte Bedrohung der israelischen Demokratie und als eine Gefahr für die Gewaltenteilung, erklärte Herzog. Der Justizminister zeigt sich jetzt zwar bereit zum Dialog und hat Oppositionsführer Jair Lapid zum gemeinsamen Treffen beim Präsidenten eingeladen. Im Parlament trieb die Regierung aber auch am Montag ihre umstrittene Justizreform so schnell voran, dass Kritiker von einem „Coup“ sprechen.

Die vielleicht wichtigste Änderung ist die sogenannte Überstimmungsklausel. Sie ermächtigt das Parlament, Entscheide des Obersten Gerichtshofs mit einfacher Mehrheit aufzuheben. Außerdem sollen Politiker über die Ernennung von Richtern entscheiden.

Reformgegner glauben, dass so Kontrollmechanismen ausgeschaltet werden sollen. Der Oberste Gerichtshof würde von einer unabhängigen Institution in ein „pseudopolitisches Gremium“ verwandelt, und die geplante Änderung bei der Ernennung von Richtern würde dazu führen, dass Entscheidungen der Justiz stets zugunsten der Regierung ausfallen, befürchten sie.

Netanjahu und seine Koalition argumentieren hingegen, die Justiz verfüge derzeit über zu viel Macht und müsse deshalb in Schach gehalten werden: Die Reform korrigiere, was korrigiert werden müsse. Die Rechte des Einzelnen würden „vollständig“ geschützt, versichert Netanjahu, der die Reform ins Zentrum seiner innenpolitischen Agenda gestellt hat.

Staatspräsident Herzog warnt vor Zusammenbruch des Landes

Es sei möglich, einen breiten Konsens zu erreichen, der die Bürger Israels über alle politischen Kontroversen stelle, gibt sich der 63-jährige Herzog überzeugt. Sein Amt ist allerdings vor allem symbolischer Natur, Herzog hat keine Exekutivkompetenzen.

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Dennoch alarmierte Herzog bereits vor einem Monat die Nation und warnte, dass die Justizreform dem Kabinett mehr Einfluss auf das oberste Gericht des Landes einräumen werde. Um die gesellschaftliche Krise durch die Reform zu entschärfen und einen Dialog einzuleiten, traf er sich mit Vertretern der Regierung, der Opposition, der Knesset, der Justiz und Bürgerbewegungen, stets auf der Suche nach einem Kompromiss.

„Wir befinden uns in einem tiefgreifenden Konflikt, der unser Land auseinanderreißt“, wiederholte er am Sonntag seine Warnung, wenige Stunden bevor die Justizkommission der Knesset die Debatte über die Reform aufnahm.

Rückgang der Investitionen befürchtet

Vor dem Parlament und im ganzen Land demonstrierten am Montag mehrere Zehntausend Bürger gegen das Vorhaben der Koalition. Mit dabei war auch Erel Margalit, Vorsitzender der Risikokapitalfirma Jerusalem Venture Partners. Er führte einen Marsch von Hightech-Führungskräften und Start-up-Unternehmern an, um sich dem Massenprotest vor der Knesset anzuschließen, zu dem Bürger aus dem ganzen Land angereist waren. „Wir befinden uns in einem dramatischen Moment in der Geschichte Israels, in dem wir alle, die wir in der Hightech-Industrie und in ganz Israel für Demokratie eintreten, aufstehen und dieser Regierung sagen müssen: ,Nein!‘“, meinte Margalit, der wie Herzog früher für die Arbeitspartei eingetreten ist.

Proteste in Israel

Die israelische Gesellschaft ist tief gespalten.



(Foto: dpa)

Der Streit um die Justizreform reflektiert die ideologischen und sozialen Gräben innerhalb Israels. Die Menschen im Technologiesektor kommen wie Herzog, dessen Vater ebenfalls Präsident gewesen war, mehrheitlich aus der israelischen Mittelschicht, die überwiegend säkular ist. Die Anhänger der Koalition von Netanjahu sind überwiegend religiös.

Die Änderungen im israelischen Rechtssystem könnten möglicherweise zu einem Rückgang der Investitionen in Israel führen, sowohl auf den Kapitalmärkten als auch bei den Direktinvestitionen, mahnen Unternehmer. Dies könne zu einer Schwächung der Landeswährung Schekel beitragen.

Während Netanjahu die Kritik aus der Wirtschaft anfänglich als politisches Manöver seiner Gegner abgetan hatte, um die Reform zu verhindern, nimmt er die warnenden Stimmen jetzt ernst. Deshalb versuchte er, internationale Ratingagenturen davon zu überzeugen, dass die Reform der Wirtschaft nicht schaden werde und es deshalb keinen Grund gebe, Israel herabzustufen oder Investitionen abzuziehen.

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Vergangene Woche schickte Netanjahu zudem seinen engen Vertrauten Ron Dermer in die USA. Der ehemalige Botschafter in Washington soll dort Banken und Investoren davon überzeugen, dass Israels Wirtschaft weiterhin wachsen und für Investoren lukrativ sein werde. Im vergangenen Jahr stieg das Bruttoinlandsprodukt um sechs Prozent.

Netanjahu-Kritiker vermuten hinter der Justizreform auch persönliche Motive des Premiers. Sie sei ein Versuch, einer Verurteilung wegen Korruption zu entgehen oder das laufende Verfahren gegen ihn ganz einzustellen, indem er das Oberste Gericht so stark schwächt, dass es ihm nichts anhaben kann. Sicher ist derzeit lediglich, dass Netanjahu seit Jahren behauptet, dass die Justiz ihm gegenüber ungerecht sei.

Mehr: „King Bibi“ so schwach wie nie: Netanjahu hat sich abhängig von Extremisten gemacht



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