Kahramanmaras Auch acht Tage nach dem verheerenden Erdbeben in der Südosttürkei werden noch Menschen lebend aus den Trümmern geborgen. In der Provinz Kahramanmaras hätten Helfer am Dienstagmorgen zwei 17 und 21 Jahre alte Brüder gerettet, berichteten die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu und der Sender CNN Türk.
Sie lagen demnach 198 Stunden unter den Trümmern. In der Provinz Adiyaman sei ein 18-Jähriger, der ähnlich lange verschüttet war, gerettet worden. Auch in der Provinz Hatay wurde Anadolu zufolge eine 26 Jahre alte Frau nach mehr als acht Tagen unter den Ruinen lebend geborgen.
Normalerweise überleben Menschen ohne Zugang zu Wasser und Verpflegung maximal drei bis fünf Tage. Auch die Temperaturen spielen eine entscheidende Rolle. Sie sanken in den vergangenen Tagen im Erdbebengebiert zeitweise auf minus sechs Grad. Das hat die Überlebenschancen nach Angaben von Experten deutlich beeinträchtigt.
Am frühen Montagmorgen vor einer Woche hatte ein erstes Beben der Stärke 7,7 um 2.17 Uhr (MEZ) die Südosttürkei erschüttert, Stunden später folgte ein zweites schweres Beben der Stärke 7,6.
Die Zahl der bestätigten Toten lag bis zum Dienstagmorgen in der Türkei und Syrien bei mehr als 37.500, mehr als 80.000 Menschen wurden verletzt. Tausende werden weiter vermisst. Viele Orte in der Region sind dem Erdboden gleich, Hunderttausende Überlebende sind obdachlos.
Zugang zu Wasser rettet Leben
Einsatzkräfte bargen am frühen Montagabend einen 13-Jährigen nach 182 Stunden unter Trümmern. Sie trugen den Jungen in der Provinz Hatay auf einer Liege zum Krankenwagen, wie Bilder des Staatssenders TRT zeigten. Ein Helfer hielt dabei die Hand des Jungen. Überlebende, die nach so vielen Stunden gefunden werden, müssen Zugang zu Flüssigkeit gehabt haben – etwa zu Regenwasser oder Schnee.
Professor Eduardo Reinoso Angulo, Ingenieur an der Nationalen Autonomem Universität von Mexiko, schätzt die Wahrscheinlichkeit, jetzt noch Menschen lebend zu finden, als sehr gering ein. Die Überlebenschancen von Menschen in den Trümmern gingen nach fünf Tagen drastisch zurück und tendierten nach neun Tagen gegen null, sagte Reinoso Angulo. Der Wissenschaftler ist Hauptautor einer Studie aus dem Jahr 2017, die sich mit Todesfällen bei Erdbeben befasst.
Allerdings gebe es immer wieder Ausnahmen. Das liegt auch daran, dass die Rettungskräfte trotz der schwierigen Umstände vor Ort teilweise sehr effizient arbeiten und sich gegenseitig helfen. So ist eine ganze Reihe verschiedener Helfer vor Ort.
Etwa Uwe Elze und seine Suchhündin Pia. Der Hundetrainer aus Celle in Niedersachsen meldete sich nach den Meldungen über das Erdbeben umgehend als Freiwilliger beim türkischen Konsulat. Zwölf Stunden später saß er im Flieger. „Die Organisation vor Ort ist unbeschreiblich gut.“
Für Schlaf sei dennoch kaum Zeit, die Bedingungen herausfordernd. Am Morgen wache er mit eingefrorener Mütze in seinem Zelt auf. Elze ist einer von mehr als 100.000 Freiwilligen, die in die Erdbebenregion gereist sind. 60 Überlebende habe er mit seiner Hündin Pia schon in den Trümmern gefunden.
Einwöchige Trauerzeit ausgerufen
Neben den Ärzten und Such- und Rettungstrupps aus der Türkei und dem Ausland sind auch türkische Minenarbeiter im Einsatz. Sie haben nicht nur Erfahrungen mit verschütteten Menschen, sondern wissen auch genau, wie man sich zu ihnen vorarbeitet. Neben den professionell ausgebildeten Rettungskräften können die Minenarbeiter die Überlebenschancen der Verschütteten deutlich erhöhen.
Sie graben einen kleinen Tunnel, durch den sie die in den Trümmern eingeschlossenen Menschen mit dem Nötigsten versorgen können, etwa Wasser und Glucose. Anschließend errichten sie eine Art Stollen, wie man ihn aus dem Untertagebau kennt, mit Holzstützen und -pfeilern, um die Opfer bergen zu können.
In der südtürkischen Stadt Antakya kann man sehen, welchen Effekt diese schiere Masse an verschiedenen Expertisen hat. Obwohl die Stadt zum Großteil komplett zerstört ist, werden noch immer Menschen aus dem Schutt gerettet. Auf der großen Saray-Straße sieht man links wie rechts nur noch Ruinen. Doch in regelmäßigen Abständen rufen Hilfskräfte aus den Trümmern Sätze wie „Er lebt noch!“ oder „Wir brauchen einen Rettungswagen“.
Eine so schlagkräftige Such- und Rettungsaktion können sich die Menschen in Syrien nur wünschen. Wegen des Bürgerkriegs und der internationalen Isolation des Landes sind viele Gebäude sehr instabil. Nach den Erdstößen fielen sie direkt in sich zusammen. Und danach kamen kaum Helfer ins Land.
Die Rettungsorganisation Weißhelme, die im Nordwesten Syriens nach Opfern der Erdbebenkatastrophe sucht, hat nun eine einwöchige Trauer ausgerufen. Das deutet darauf hin, dass die Zivilschützer wohl nicht mehr davon ausgehen, unter den Trümmern noch Überlebende zu finden. Ab Montag wehen die Flaggen auf halbmast.
Mehr: Kaum Hilfe wie die Syrer die Tage nach dem Beben alleine durchstehen müssen
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