Feb 15, 2023
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Nach den Erdbeben: Bis zu 84 Milliarden Dollar – so teuer wird der Wiederaufbau in der Türkei

Written by Ozan Demircan


Zerstörte Häuser in Antakya

Die Zerstörungen in der Türkei und in Syrien sind enorm.


(Foto: AP)

Antakya Es war eine Jahrhundertkatastrophe: Bei dem Erdbeben in der Türkei und Syrien kamen am vergangenen Montag zehntausende Menschen ums Leben, Millionen verloren ihr Zuhause.

Um den Wiederaufbau voranzubringen, hat die Weltbank der Türkei bereits Unterstützung von 1,78 Milliarden US-Dollar (1,65 Milliarden Euro) zugesagt. 13 Millionen Menschen leben in den betroffenen zehn Provinzen, das Beben hat alle Wirtschaftsbereiche der Region massiv in Mitleidenschaft gezogen.

Inzwischen gibt es erste Berechnungen zur Schadensbilanz. Die auf Naturkatastrophen spezialisierten Experten der US-Firma Verisk Analytics veranschlagen die wirtschaftlichen Schäden des Erdbebens in der Türkei und in Syrien auf mehr als 20 Milliarden Dollar. Nur ein Bruchteil davon – gut eine Milliarde Dollar – sei aber versichert.

„Die Differenz zwischen wirtschaftlichen und versicherten Schäden – die Deckungslücke – zeigt, wie teuer Katastrophen für die Gesellschaft sind“, sagte Verisk-Manager Bill Churney. Den Großteil der nicht versicherten Schäden müsse der Staat tragen.

In der Südosttürkei ist die Landwirtschaft besonders bedeutend, die Firmen dort steuern 14,3 Prozent zum nationalen Einkommen bei. 8,7 Prozent der türkischen Exporte kommen aus dieser Region, der Großteil allerdings aus der nur punktuell betroffenen Provinz Gaziantep. Im vergangenen Jahr wurden aus dem Gebiet Waren im Wert von knapp 20 Milliarden US-Dollar exportiert.

Weizenernte in der Türkei

Der Südosten der Türkei ist vor allem von der Landwirtschaft geprägt.



(Foto: dpa)

Der private Türkische Unternehmens- und Geschäftsverband Türkonfed rechnet damit, dass sich die Schäden auf bis zu 84 Milliarden US-Dollar belaufen könnten. Demnach verliere die Türkei durch das Beben rund zehn Milliarden US-Dollar an Wirtschaftskraft, was rund 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspräche. Hinzu kommen mehr als 70 Milliarden US-Dollar durch beschädigte und zerstörte Gebäude sowie rund drei Milliarden US-Dollar durch verlorene Arbeitsstunden.

Bei den Annahmen gehen die Analysten des Verbands von mehr als doppelt so vielen Toten wie bislang bekannt aus, außerdem von rund einer Million zerstörten Gebäuden. Bisher wurden in der Türkei 36.000 Todesopfer bestätigt, in Syrien 5900. Dass die Börse seit der Erdbebenserie zehn Prozent verloren hat, ist hier noch nicht einberechnet.

>> Lesen Sie auch: Kaum internationale Hilfe: – „Die Syrer durchleben diese schwierigen Tage allein“

Auch die US-Großbank Goldman Sachs rechnet damit, dass die Türkei durch das Beben rund ein Prozent ihrer Wirtschaftskraft einbüßt. Zuletzt wuchs die Volkswirtschaft nach der Coronapandemie mit Raten von bis zu 11,4 Prozent pro Jahr. Für das Jahr 2023 rechneten Analysten mit einem nationalen Wirtschaftswachstum von drei bis 3,5 Prozent.

Die verschiedenen Regionen der Türkei sind wirtschaftlich stark miteinander verwoben, weshalb negative Auswirkungen auch auf nationaler Ebene befürchtet werden. „Die Erholung wird schrittweise und nicht vor 2024 erfolgen“, schreiben die Analysten des Washingtoner Middle East Institute in einer Analyse. Ein Wachstumsverlust von zwei bis 2,5 Prozent sei möglich.

Wichtige Wirtschaftsregionen des Landes nicht betroffen

Allerdings entfacht der Wiederaufbau auch neue wirtschaftliche Aktivitäten. Damit könnte ein Teil der entstandenen Schäden für die Wirtschaft wieder abgefedert werden. Für eine relativ zügige Erholung spricht auch, dass wichtige Teile der türkischen Volkswirtschaft noch intakt sind. So blieben die Tourismusgebiete als wichtige Devisenquellen des Landes von dem Erdbeben verschont.

Urlauber in der Türkei

Die Touristenregionen der Türkei sind weitgehend intakt.


(Foto: Anadolu Agency/Getty Images)

Auch in der Erdbebenregion wurde nicht die gesamte Infrastruktur zerstört. Verschiedene große Hauptverkehrsrouten blieben intakt, ebenso der Hafen in Iskenderun, die Staudämme, wichtige Ölpipelines und die Flughäfen.

Die türkische Regierung importiert weniger Gold

Dennoch schaltet die Regierung in den Krisenmodus. So wird die Türkei einige Goldimporte als Teil eines Notfallplans aussetzen, um die wirtschaftlichen Folgen der Erdbeben zu mildern, sagte ein Beamter der Nachrichtenagentur Bloomberg. Die Türkei investiert in das Edelmetall als Absicherung gegen die grassierende Inflation und den Verfall der Lira.

Wie sich die Erdbebenserie auf die Geldpolitik auswirkt, ist noch unklar. Das Geld, das sich die Türkei nun zum Wiederaufbau an den Kapitalmärkten beschaffen muss, könnte die Inflation im Land jedenfalls weiter antreiben.

Unmittelbarer könnten die Auswirkungen der Katastrophe auf die Wahlen im Mai sein. Einerseits, weil das Land jetzt Geld braucht, um den Wiederaufbau voranzutreiben. Andererseits, weil finanziell Geschädigte vermutlich eher geneigt sind, der Regierung die Schuld für ihre Lage zu geben.

Dabei spielen auch die türkischen Versicherer eine Rolle, die in den vergangenen Jahren bereits mehr Geld an ihre Kunden auszahlen mussten, als sie einnahmen. Möglicherweise werden einige Assekuranzen deshalb erst spät Geld auszahlen – und der Wert der Summen könnte von der Inflation direkt wieder dezimiert werden. Wenn dies in der heißen Wahlkampfphase bis Mai geschieht, könnte auch das der Regierung zur Last gelegt werden.

Dem möchte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan offenbar vorbeugen. Gleich nach dem Erdbeben versprach seine Regierung allen Betroffenen eine Sofortzahlung von 10.000 Lira, rund 500 Euro. Anfang dieser Woche gab Erdogan bekannt, allen Angehörigen von Verstorbenen weitere 100.000 Lira (circa 5000 Euro) zu zahlen.

Mehr: Wie Menschen 200 Stunden unter Trümmern überleben



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