Washington Die Massenkollission eines Güterzugs mit hochgiftiger Fracht beunruhigt US-Behörden und Anwohner. Am 3. Februar war im Ort Palestine, an der Grenze zwischen den Bundesstaaten Ohio und Pennsylvania, ein Güterzug mit 50 Waggons entgleist, von denen zehn gefährliche Chemikalien transportierten.
Der Unfall löste ein gigantisches Feuer aus, dessen Rauchschwaden sich kilometerweit über das Areal zogen. Außerdem entschieden die zuständigen Behörden vor Ort, einen Teil der Fracht zu sprengen, um eine unkontrollierte Explosion zu verhindern und die Chemikalien zu neutralisieren. Rund 2000 Bewohner wurden zeitweise evakuiert, Schulen und Geschäfte schlossen.
Zunächst hatten Lokalmedien über den Vorfall berichtet, auch US-Verkehrsminister Pete Buttigieg äußerte sich erst zehn Tage später öffentlich. Doch mittlerweile zieht der Unfall größere Kreise: überregionale US-Medien schreiben über das Inferno, die politischen Folgen erreichen den US-Kongress – und die internationale Diplomatie.
China lästert über das „amerikanische Tschernobyl“
So gab das Ohio Department of Natural Resources am Dienstag bekannt, dass etwa 3500 Fische tot aufgefunden wurden, dazu Hunderte leblose Vögel. Der Gouverneur von Ohio, Mike DeWine, forderte den US-Kongress auf, die Sicherheit des Bahnverkehrs schärfer zu regulieren. Silverio Caggiano, ein ehemaliger Feuerwehrchef aus Ohio, beschrieb im TV-Sender „Fox News“ die Situation als „nuklearen Winter“ und kritisierte: „Wir haben diese Stadt mit Chemikalien bombardiert“.
Auch in den Beziehungen zwischen China und den USA spielt der Vorfall eine Rolle. Am Dienstag twitterte die Sprecherin des chinesischen Außenministeriums, Hua Chunying: „Anscheinend sieht man in den USA einen zivilen Ballon als große Bedrohung. Aber eine explosive Zugentgleisung und das Austreten giftiger Chemikalien hingegen nicht“. Die Sprecherin verglich den Vorfall in Palestine mit einem „amerikanischen Tschernobyl“. US-Präsident Joe Biden hatte Anfang Februar einen mutmaßlichen chinesischen Spionage-Ballon abschießen lassen.
Erst allmählich wird jetzt das Ausmaß des Zugunglücks klar, viele Fragen sind offen. Die Züge standen unter der Obhut der Betreibergesellschaft Norfolk Southern. Zu den transportierten Chemikalien gehörten unter anderem Vinylchlorid, ein giftiges, krebserregendes und brennbares Gas, das zur Herstellung von Hartplastik verwendet wird.
Auch Chlorwasserstoff, das lebensbedrohliche Atemprobleme verursachen kann, wurde in hohen Mengen freigesetzt. Mindestens drei weitere Substanzen – Butylacrylat, Ethylhexylacrylat und Ethylenglykolmonobutyl – gelangten in die Luft, den Boden und angrenzende Gewässer.
Laut der E.P.A., der Umweltbehörde des Bundes, habe man einige Tage nach dem Unfall keine Schadstoffe in „besorgniserregender Höhe“ mehr feststellen können. Der „New York Times“ zufolge klagen Anwohner allerdings über Kopfschmerzen und Übelkeit. Der republikanische Senator J.D. Vance, der den Bundesstaat Ohio vertritt, sprach auf Twitter von einer „komplexen Umweltkatastrophe“ und kritisierte die Bahn-Reformen der vergangenen Jahre. 2017 waren etwa die Vorschriften für Bremssystem-Upgrades von Zügen mit gefährlichen Gütern gelockert worden.
Seit einigen Jahren warnen Eisenbahngewerkschaften vor dem Risiko von Unfällen, das wegen Personalabbaus und hohen Krankheitsständen steige. „Tatsächlich haben Entgleisungen pro Zugmeile und Zwischenfälle auf Rangierbahnhöfen erheblich zugenommen“, sagte Greg Regan, Präsident der Transportgewerbe-Abteilung der größten Industrie-Gewerkschaft AFL-CIO.
Auch der linke Senator Bernie Sanders kritisierte eine „chronische Unterinvestition in Infrastruktur und Personal“. 2021 hatte der US-Kongress ein billionenschweres Infrastrukturpaket verabschiedet, doch die Modernisierung von Zügen und Schienen dürfte Jahre dauern. Laut der Nachrichtenagentur AP war für den Vorfall in Palestine offenbar ein mechanisches Problems mit einer Eisenbahnwagenachse verantwortlich.
Mehr: Biden verteidigt in seiner Rede zur Lage der Nation den US-Protektionismus
<< Den vollständigen Artikel: USA: Nach Chemie-Unglück in Ohio steigt die Sorge vor Giftstoffen – Tausende Fische tot >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.