Feb 15, 2023
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Arztpraxen: Gutachten warnt vor Folgen von Lauterbach-Gesetz gegen Investoren

Written by Jürgen Klöckner


Berlin, Frankfurt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) wählte drastische Worte, als er über den Einstieg von privaten Investoren in Arztpraxen sprach. Dort seien „Heuschrecken“ mit „absoluter Profitgier“ am Werk, sagte er kürzlich.

Ein für das erste Quartal geplantes Gesetz, um den Aufkauf zu unterbinden, steht zwar noch aus. Unter Betreibern sorgt aber allein die Ankündigung für breite Kritik, die der Bundesverband der Betreiber Medizinischer Versorgungszentren (BBMV) und des Verbands Akkreditierte Labore in der Medizin e.V. (ALM) mit einem neuen Gutachten untermauern will.

Auf Initiative der Verbände hat ein Expertentrio untersucht, welche Rolle Investoren in der ambulanten Versorgung spielen. Das Gutachten wurde am Mittwoch vorgestellt. Neue Regelungen, heißt es darin, würden sich im Endeffekt sogar negativ auswirken.

Die Beschränkung würde nicht zu einer Sicherstellung der Versorgung im ländlichen Raum führen, sondern zu einer weiteren Verschärfung der bereits mancherorts prekären Lage“, schreiben die Autoren.

Zu ihnen zählen der Gesundheitsökonom Frank-Ulrich Fricke und die Rechtsanwälte Werner Köhler sowie Stephan Rau. Zudem erwarten sie einen Rückgang von Arbeitsplätzen für Ärzte und weniger Investitionen in ambulante Versorgung.

Zeichen stehen auf Regulierung

Stattdessen halten die Autoren einen „qualitätsorientierten Wettbewerb mit einer größtmöglichen Vielzahl an Versorgungsformen, Trägern und Kapitalgebern“ für notwendig. „Das schließt medizinische Versorgungszentren (MVZ) sowie nicht ärztliche, private Kapitalgeber auch aus dem Grund ausdrücklich mit ein, dass Renditeorientierung ein Merkmal aller Kapitalgeber im Gesundheitswesen ist.“

In der Politik stehen die Zeichen allerdings nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern auf Regulierung. Das hatte zuletzt auch der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek betont.

Der CSU-Politiker begründete dies mit „monopolartigen Strukturen“ und einem rasanten Anstieg des Anteils von MVZ-Gruppen mit Kapitalbeteiligung. Ähnlich äußerte sich kürzlich die Bundesärztekammer.

Der Verband fordert unter anderem, dass künftig nur fachübergreifende MVZ zugelassen werden – und nicht mehr solche, die sich auf einen Bereich fokussieren. Dafür müsse der Bestandsschutz aufgehoben werden. Darüber hinaus soll der Marktanteil von einem Betreiber auf zehn Prozent beschränkt und Transparenz über Inhaber geschaffen werden.

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Im vergangenen Jahr hatten sich Meldungen zu Übernahmen von Praxen durch Finanzinvestoren gehäuft. Das rief die Politik auf den Plan. Dahinter steckt die Sorge, dass investorengetriebene MVZ Einzelpraxen verdrängen und sich das Leistungsspektrum auf bestimmte, besonders lukrative Angebote konzentriert – etwa auf Augenheilkunde oder die Radiologie.

Pläne stoßen bei FDP auf Wohlwollen

Zugleich wird befürchtet, dass zeitaufwendige Behandlungen, etwa von chronisch kranken Patienten, zurückgestellt würden. Die Bundesärztekammer berichtet zudem von angestellten Ärzten, die Zielvereinbarungen für Behandlungen einhalten müssten, die nicht am Patientenwohl orientiert seien.

In der Ampelkoalition stoßen Lauterbachs Pläne deswegen selbst bei der FDP auf Wohlwollen. Betreiber müssten „gewissen Leitplanken“ unterliegen, sagte kürzlich der gesundheitspolitische Sprecher, Andrew Ullmann, dem Handelsblatt.

Karl Lauterbach

Ein für das erste Quartal geplantes Gesetz, um den Aufkauf privater Arztpraxen zu unterbinden, steht noch aus.



(Foto: dpa)

Mit dem Gutachten der Experten wollen BBMV und ALM der Debatte etwas entgegensetzen. Beide Verbände vertreten MVZ mit Kapitalinvestoren im Hintergrund. Im ALM sind die Laborbetreiber organisiert, ein Markt, in dem viele Finanzinvestoren beteiligt sind.

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Zu den größten Anbietern hierzulande gehören beispielweise die international aktiven börsennotierten Laborkonzerne Sonic Healthcare und Synlab mit Umsätzen im Milliardenbereich. An Synlab hält Finanzinvestor Cinven noch 43 Prozent der Anteile.

Milliardenmarkt mit Praxen

Der ambulante Gesundheitsmarkt in Deutschland ist riesig: Mehr als 213 Milliarden Euro wurden im Jahr 2020 im ambulanten Bereich ausgegeben, fast 90 Milliarden entfielen auf Arzt- und Zahnarztpraxen, zeigen die Zahlen des statistischen Bundesamts.

Seit 2015 ist bei MVZ-Gründungen eine beschleunigte Zunahme festzustellen, wie Daten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) zeigen. Damals ermöglichte der amtierende Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) die Gründung fachgleicher MVZ und auch den Einstieg öffentlicher Rechtsformen. Auch die Autoren des Gutachtens räumen ein, dass der Anteil der MVZ an der ambulanten Versorgung in den vergangenen Jahr stark gestiegen ist.

Den größten Teil der ambulanten Versorgung aber würden weiterhin Einzelpraxen mit einem Anteil von 78 Prozent erbringen. Von einer Verdrängung oder Dominanz könne also keine Rede sein.

Zudem gebe es keine Auffälligkeiten, „die darauf hinweisen, dass die Interessen von Kapitalgebern, ärztlich oder nicht ärztlich, die medizinischen Entscheidungen in MVZ in höherem Maß beeinflussen als etwa bei Einzelpraxen“.

Was die Daten der KBV nicht zeigen, ist, inwieweit Investorengruppen an dem Boom dieser MVZ beteiligt waren. Denn MVZ können grundsätzlich auch von Ärzten oder Krankenhausträgern gegründet werden, an denen wiederum Investoren beteiligt sind. Selbst die Bundesärztekammer räumt eine dürftige Datenlage ein.

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In dem Gutachten heißt es dazu mit Verweis auf Zahlen aus dem Jahr 2020, dass sich das Wachstum gleichmäßig auf ärztliche und nicht ärztliche Kapitalgeber verteile. Zudem liege der Anteil privater, nicht ärztlicher Kapitalgeber lediglich bei bis zu zwei Prozent an allen Arztstellen in der ambulanten Versorgung. Bei Zahnärzten liegt der Anteil mit fünf Prozent etwas höher. Im Umkehrschluss heißt das, dass Lauterbachs Gesetz nur auf einen winzigen Teil der ambulanten Versorgung zielt.

Steigendes Interesse von Investoren

Die Zahlen sind auch dem Bundesgesundheitsministerium bekannt, das in einem Rechtsgutachten von Ende des vergangenen Jahres darauf verweist.

Eine Marktanalyse der Beratungsgesellschaft Boston Consulting Group (BCG) zeigt ein zunehmendes Interesse von privaten Investoren an der ambulanten Versorgung. Von insgesamt 572 Transaktionen, die BCG in den Jahren 2015 bis 2020 analysierte, wurden mehr als 60 Prozent der Zukäufe im ambulanten Bereich getätigt.

Riesiger Markt

213

Milliarden Euro

wurden im Jahr 2020 im ambulanten Bereich ausgegeben.

„Investoren haben die ab 2015 geschaffenen Möglichkeiten zum Einstieg in den ambulanten Markt verstärkt genutzt“, sagt BCG-Partner Zun-Gon Kim. „Sie bringen das nötige Kapital mit, um in Fachgebieten zu expandieren, in denen hohe Investitionen nötig sind, aber in denen auch eine vergleichsweise höhere Profitabilität erzielt werden kann.“

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Das schnelle Wachstum der MVZ in den vergangenen Jahren sei aber von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Zum einen haben viele niedergelassene Ärzte das Rentenalter erreicht und wollen ihre Praxis verkaufen. „Auf der anderen Seite sind viele junge Mediziner und Medizinerinnen nicht mehr bereit, ins Risiko zu gehen und für Praxisübernahmen 170.000 Euro und mehr zu zahlen“, sagt der Berater.

Da wird der Verkauf an einen Investor für den Praxisinhaber zur Lösung. Nicht zuletzt wollen auch immer mehr Absolventen und insbesondere Absolventinnen lieber im Angestelltenverhältnis mit festen und planbaren Arbeitszeiten arbeiten und entscheiden sich bewusst für die Arbeit in einem MVZ.

Mehr: Mehr als jeder zweiten Klinik droht die Herabstufung zum Gesundheitszentrum



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