Berlin Die Grünen-Fraktion im Bundestag stärkt der Bundesregierung in der Auseinandersetzung mit Frankreich um die Definition von grünem Wasserstoff den Rücken. Nach Überzeugung des Grünen-Bundestagsabgeordneten Felix Banaszak darf mit Atomstrom hergestellter Wasserstoff nicht als „grün“ eingestuft werden. „Die Bundesregierung sollte dieser Regelung widersprechen“, sagte der Wirtschaftspolitiker.
In einem dem Handelsblatt vorliegenden Positionspapier spricht Banaszak sich für eine enge Definition von grünem Wasserstoff aus. „Oberstes Ziel muss sein, dass grüner Wasserstoff da draufsteht, wo er auch wirklich drin ist. Wasserstoff aus erneuerbarem Strom ist der einzige nachhaltige und damit grüne Wasserstoff“, heißt es darin. Banaszak bringt damit die mehrheitliche Meinung in der Bundestagsfraktion der Grünen zum Ausdruck.
Damit wächst der Druck auf die Bundesregierung, sich in Brüssel gegen den von der EU-Kommission am Montag veröffentlichten delegierten Rechtsakt zur Definition von klimafreundlichem Wasserstoff zu positionieren. Der Kommission zufolge kann Wasserstoff auch dann als klimafreundlich gelten, wenn der zur Herstellung benötigte Strom aus Atomkraftwerken stammt.
In Frankreich mit seinem hohen Atomstromanteil kam die Definition gut an. Im Umfeld der französischen Energieministerin Agnès Pannier Runacher war von einem „schönen französischen Sieg“ die Rede.
Im fachlich zuständigen Bundeswirtschaftsministerium sieht man das anders. „Wir haben eine klare Position“, sagte eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums. „Nach unserer Meinung ist Kernkraft keine erneuerbare Energie, und Wasserstoff, der mit Kernkraft hergestellt wird, kein erneuerbarer, grüner Wasserstoff.“ Deutschland werde sich mit dieser Position einbringen.
Das Bundeskanzleramt tritt den Vorschlägen der Kommission allerdings nicht ganz so vehement entgegen wie das Wirtschaftsressort. „Grundsätzlich liegt es im Interesse aller Regierungen der EU, die Wasserstoffwirtschaft ans Laufen zu bringen, sodass Wasserstoff das Gas der Zukunft ist, mit dem wir alle unsere ambitionierten Klimaschutzziele erreichen wollen“, hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag gesagt. Deswegen sei es jetzt im ersten Schritt erst einmal wichtig, das Thema „ans Laufen zu bekommen“.
Blauer Wasserstoff könnte bei Überbrückung helfen
Die Frage, ob es sich um roten, blauen oder grünen Wasserstoff handle, sei im Moment gar nicht so relevant. Vielmehr gehe es darum, „dass wir hinsichtlich der Wasserstoffwirtschaft jetzt den Schwung erreichen, den wir brauchen, um dann in absehbarer Zeit auch allesamt auf diese Form des Energieträgers umschwenken zu können“.
Grünen-Politiker Banaszak fordert Regelungen, die es ermöglichen, aus erneuerbarem Strom produzierten Wasserstoff klar von Wasserstoff abzugrenzen, der auf Basis von Atomstrom oder Erdgas hergestellt wird. „Ich hielte es für einen Treppenwitz, wenn am Ende Stahl als grüner Stahl gelten würde, für den zusätzliche fossile Energien aufgewandt wurden“, sagte er.
Blauer Wasserstoff dürfe „eventuell für einen begrenzten Übergangszeitraum als Brücke genutzt werden, aber diese Brücke muss ein klares Ende haben“. Dieser wird auf Erdgas-Basis hergestellt; das bei der Herstellung frei werdende CO2 wird abgeschieden und unterirdisch gespeichert.
Banaszak geht davon aus, dass Wasserstoff auf Dauer ein knappes Gut bleibt. Deshalb müsse seine Anwendung klar priorisiert werden.
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„Wasserstoff sollte zunächst dort Anwendung finden, wo die direkte Elektrifizierung von Prozessen technisch oder wirtschaftlich keine Alternative ist“, heißt es im Positionspapier. Das bedeute einen Vorrang für Anwendungen in der Stahl- und Chemieindustrie. Der Pkw-Verkehr und Wohnimmobilien stellten dagegen keinen priorisierten Anwendungsbereich dar, weil es dort Alternativen gebe.
Kritisch sieht Banaszak ein Engagement des Staates beim Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur: „Um bedarfsorientiert zu planen und vorzugehen, scheint mir eine staatliche Koordinierung sinnvoll. Ob dafür eine Wasserstoffnetzgesellschaft mit staatlicher Beteiligung der sinnvollste Weg ist, ist eine offene Frage.“
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) verfolgt das Ziel, eine staatliche Wasserstoffnetzgesellschaft aufzubauen. Doch er stößt mit diesem Plan nicht nur in den eigenen Reihen auf Skepsis, sondern auch bei den Koalitionspartnern.
SPD und FDP kritisieren Pläne für Wasserstoffnetzgesellschaft
In der SPD befürchtet man, eine staatliche Wasserstoff-Infrastrukturgesellschaft könnte ein Leitungsnetz entwerfen, das nur die industriellen Zentren Deutschlands berücksichtigt. Darüber könnten dann zwar Stahl-, Chemie- und Zementunternehmen mit Wasserstoff versorgt werden, andere potenzielle Abnehmer, etwa in den Sektoren Verkehr und Wärme, blieben aber unberücksichtigt.
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„Eine bundeseigene Wasserstoff-Infrastrukturgesellschaft darf nicht von dem Verständnis auch dezentraler möglicher Wasserstoff-Bedarfe wegführen. Das wäre der Fall, wenn sie sich auf nur einige wenige Achsen beschränken würde, die den Wasserstoff zu wenigen Verbrauchszentren leiten würden“, sagte Nina Scheer, energiepolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, dem Handelsblatt. Man dürfe die Tür für eine Wasserstoffnutzung in den Sektoren Wärme und Verkehr nicht zuschlagen.
Die FDP-Fraktion steht einer staatlichen Beteiligung grundsätzlich skeptisch gegenüber. Auch die Liberalen sehen die gleiche Gefahr wie die SPD: „Ein Wasserstoffnetz unter staatlicher Kontrolle birgt die Gefahr, rein nach politischen Wunschvorstellungen gebaut zu werden“, sagte FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler.
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<< Den vollständigen Artikel: Streit über EU-Definition: Grüne wollen Atomstrom für Wasserstoffherstellung auf keinen Fall akzeptieren >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.