Feb 17, 2023
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Energieversorgung: Mineralölunternehmen Hoyer erwägt Einstieg bei Raffinerie PCK Schwedt

Written by Klaus Stratmann


Berlin Der Kreis der potenziellen Käufer für die Raffinerie PCK Schwedt vergrößert sich. Nach Informationen des Handelsblatts aus Branchenkreisen hat das niedersächsische Mineralölunternehmen Hoyer Interesse daran, bei der brandenburgischen Raffinerie einzusteigen.

Die Wilhelm Hoyer GmbH & Co. KG mit Sitz in Visselhövede am Rande der Lüneburger Heide ist ein Familienunternehmen, das nach eigenen Angaben über 2200 Mitarbeitende an mehr als 60 Standorten beschäftigt. Hoyer betreibt mehr als 200 eigene Tankstellen sowie Autohöfe und versorgt Endkunden sowie Handelspartner mit Diesel, Heizöl, Benzin, Flüssiggas und Holzpellets. Eine Anfrage des Handelsblatts bei Hoyer blieb bislang unbeantwortet.

Zum Verkauf steht der 37,5-Prozent-Anteil an PCK Schwedt, den derzeit noch der Shell-Konzern hält. Mehrheitseigner der Raffinerie ist mit 54 Prozent Rosneft Deutschland, die unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur stehende Tochter des russischen Ölkonzerns Rosneft. Das Gemeinschaftsunternehmen PCK war mit seiner Raffinerie der letzte verbliebene Lieferpunkt in Deutschland für russisches Öl. Die Bundesregierung hat Rosneft Deutschland unter ihre Treuhandverwaltung gestellt, um den Russen den direkten Einfluss auf PCK zu nehmen.

Auch der 54-Prozent-Anteil von Rosneft könnte nun sehr bald verkauft werden: Am Mittwoch beschloss das Bundeskabinett eine Änderung des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG), die es leichter machen soll, Anteile von Unternehmen zu veräußern, die unter Treuhandverwaltung stehen.

Derzeit ist ein solcher Verkauf gemäß EnSiG nur zulässig, wenn er zum Werterhalt des Unternehmens erforderlich ist. Künftig soll ein Verkauf auch „zur Sicherung des Funktionierens des Gemeinwesens im Sektor Energie und zur Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit“ erlaubt sein.

Enteignung soll überflüssig werden

Der Vorteil dieser Lösung für den Bund: Es könnte formal bei der Treuhandschaft bleiben. Eine Enteignung, die im Fall Rosneft Deutschland viele Rechtsfragen aufwerfen würde, wäre überflüssig. Schon die Treuhandverwaltung stößt auf Kritik. Rosneft klagt deswegen gegen die Bundesregierung. Prozessauftakt vor dem Bundesverwaltungsgericht ist am 22. Februar.

>> Lesen Sie hier auch: Russische Ölexporte brechen ein – Kasachstan will Deutschland beliefern

Der Entwurf für die geplante Änderung des EnSiG geht jetzt in die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung und soll zügig beschlossen werden. Damit wäre die Grundlage geschaffen, den Anteil von Rosneft Deutschland an PCK Schwedt rasch zu veräußern.

Es stehen bereits Interessenten parat, die sowohl die Anteile von Shell als auch die Rosneft-Deutschland-Anteile übernehmen würden: „Die Alcmene-Gruppe ist weiterhin an der PCK interessiert. Wir stehen auch zu unseren Plänen bezüglich der grünen Transformation des Standorts. Weiter glauben wir an die dauerhafte wirtschaftliche Rentabilität der PCK“, sagte Raul Riefler, Geschäftsführer der Almene-Gruppe dem Handelsblatt.

In Betracht kommen nach Angaben des Unternehmens sowohl eine Voll- als auch eine Teilübernahme. Angesichts der sensiblen Natur des Projekts könne man allerdings keine Auskunft zum Stand von Gesprächen mit den verschiedenen Stakeholdern geben. Die Alcmene betreibt in der Region Tallinn in Estland vier Ölterminals und hatte sich schon vor Monaten als Käufer angeboten.

Auch das Energieunternehmen Enertrag SE aus dem brandenburgischen Dauerthal hatte sich ins Gespräch gebracht. Das Biokraftstoffunternehmen Verbio ist aktuell nicht mehr interessiert. Verbio-Chef Claus Sauter sagte dem Handelsblatt, es habe seit Monaten keine Gespräche mehr gegeben. Sein Unternehmen stehe zwar für die Transformation der PCK in eine „grüne Raffinerie“ zur Verfügung, nicht jedoch für den Betrieb einer konventionellen Raffinerie.

Für den Fall, dass die Bundesregierung Rosneft Deutschland über die geplante Neuregelung des EnSiG aus der Raffinerie herausdrängt, dürfte der staatliche polnische Ölkonzern Orlen nach Einschätzung von Brancheninsidern wieder verstärktes Interesse an einem Einstieg haben.

Für die Polen ist es inakzeptabel, sich an der Raffinerie zu beteiligen, solange mit Rosneft Deutschland die Tochter eines russischen Unternehmens Mehrheitseigner ist.

Bundesregierung verhandelt seit Monaten mit Polen

Polen spielt für die Zukunft des Raffineriestandorts Schwedt eine Schlüsselrolle. PCK Schwedt wurde über Jahrzehnte zu annähernd 100 Prozent über die Ölpipeline „Druschba“ („Freundschaft“) mit Rohöl aus Russland versorgt. Die Bundesregierung hatte allerdings im vergangenen Jahr unabhängig von den auf EU-Ebene beschlossenen Sanktionen aus freien Stück entschieden, dass ab Januar 2023 kein russisches Pipeline-Öl mehr nach Deutschland importiert werden darf.

>> Lesen Sie hier auch: Polen macht Druck auf Berlin: Enteignung von Rosneft Deutschland rückt näher

Die Ersatzbeschaffung von Öl erfolgt nun über die Ölpipeline, die vom Hafen Rostock nach Schwedt führt. Allerdings reicht die Kapazität der Pipeline nicht für die Komplettauslastung der Raffinerie aus. Die Auslastung erreicht nach Branchenangaben derzeit nur Werte von weniger als 60 Prozent. Weit unter diesen Wert darf die Auslastung nicht sinken, weil das den Betrieb der Pipeline gefährden könnte. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte in den vergangenen Monaten betont, auch für den Erhalt der Jobs sei eine Auslastung von 70 Prozent erstrebenswert.

Seit Monaten verhandelt die Bundesregierung daher mit der polnischen Seite darüber, zusätzlich den polnischen Hafen Danzig und die damit verbundene Pipeline-Infrastruktur nutzen zu können. Bislang gab es aber erst Probelieferungen. Insider sagen, sobald Rosneft Deutschland nicht mehr an der Raffinerie in Schwedt beteiligt sei, könnten sich die Dinge schlagartig zum Positiven wandeln.

Nach Überzeugung von Shell wird die Frage um die Auslastung allerdings aktuell überbewertet. „In der öffentlich geführten Debatte über PCK wird der Eindruck erweckt, eine Auslastung von 70 Prozent sei zwingend erforderlich. Das ist jedoch nur bedingt der Fall“, sagte eine Shell-Sprecherin. „Natürlich ist die Auslastung von derzeit 60 Prozent auf Dauer nicht ausreichend. Aber sie ist vorübergehend völlig in Ordnung, bildet lediglich die Marktgegebenheiten ab“, sagte sie.

Energiekonzern Kazmunaigaz in Kasachstan

Die Regierung will auch Öl aus Kasachstan beschaffen, um die Auslastung der Raffinerie in Schwedt sicherzustellen.



(Foto: dpa)

Parallel soll Öl aus Kasachstan beschafft werden, um die Auslastung der Raffinerie sicherzustellen. In dem am 16. September 2022 vom Bundeswirtschaftsministerium veröffentlichten „Zukunftspakt“ zur Sicherung des Standorts PCK Schwedt heißt es dazu, die Bundesregierung werde ihre Gespräche mit der kasachischen Regierung mit hoher Priorität fortsetzen.

In Regierungskreisen heißt es dazu jetzt, es sei Sache der Unternehmen, in Kasachstan Lieferverträge zu schließen. Man rechne allerdings noch im Februar mit konkreten Ergebnissen. In Branchenkreisen heißt es, die Verhandlungen seien nicht einfach. Kasachstan wolle es sich keinesfalls mit Russland verscherzen. Für den Pipelinetransport von kasachischem Öl nach Westeuropa muss russische Leitungsinfrastruktur genutzt werden.

Die Signale der Russen zu diesem Thema seien nicht eindeutig und nicht verlässlich, berichtet ein Insider. Sich in dieser Frage auf Russland zu verlassen, sei halsbrecherisch. „Wer um Öl betteln muss, kann nicht wählerisch sein“, sagte ein anderer.

Eine weitere Möglichkeit, die Auslastung in Schwedt zu erhöhen, besteht in einer grundlegenden Erneuerung der Pipeline von Rostock nach Schwedt. Im „Zukunftspakt“ von September hatte das Bundeswirtschaftsministerium zugesagt, eine „Ertüchtigung“ der Pipeline zu finanzieren: „Der Umfang der Baumaßnahmen beträgt voraussichtlich circa 400 Millionen Euro, eine Finanzierung zu 100 Prozent durch den Bund ist vorgesehen“, heißt es darin.

Rückzug der Ampel aus dem Pipelinebau sorgt für Unmut

Doch daran fühlt sich die Bundesregierung nicht mehr gebunden. Eine 100-Prozent-Finanzierung sei schon aus beihilferechtlichen Gründen nicht möglich. Zudem erwarte man, dass sich auch die Mineralunternehmen an dem Projekt beteiligten, hieß es in Regierungskreisen. Die Bereitschaft der Unternehmen sei aber nicht erkennbar. Allerdings signalisieren potenzielle Käufer diese Bereitschaft: Man könne sich „vorstellen, uns an einem Pipelineneubau finanziell zu beteiligen“, sagte Alcmene-Geschäftsführer Raul Riefler.

Der Rückzieher des Bunds beim Pipelinebau sorgt unter den Mitarbeitern der Raffinerie in Schwedt für erheblichen Unmut. In einem Schreiben der Mitarbeiter an Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), das dem Handelsblatt vorliegt, heißt es, man nehme mit Befremden zur Kenntnis, dass sich die Bundesregierung nun gegen den Neubau der Pipeline entschieden habe. Der Verzicht auf russisches Pipeline-Öl durch die Bundesregierung sei freiwillig erfolgt. Nun stehe die Bundesregierung in der Pflicht, den Standort Schwedt vor den Folgen dieses Verzichts zu schützen.

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