Washington Der Besuch des US-Präsidenten in Polen, kurz vor dem Jahrestags des russischen Einmarschs in der Ukraine, soll gleich mehrere Zwecke erfüllen. Im Vordergrund steht das Versprechen, dass sich die Nato auf die Führungsrolle der USA verlassen kann. Joe Biden wolle in der Hauptstadt Warschau „die transatlantische Einheit und seine eiserne Unterstützung für unsere Verbündeten“ unterstreichen, betonte das Weiße Haus.
Die Reise ist auch als Signal der Entschlossenheit gegen Wladimir Putin gedacht: Denn während Biden am Dienstag eine Rede vor dem Warschauer Königsschloss hält, ist für den selben Tag eine Grundsatzrede Putins an das russische Volk geplant. Voraussichtlich wird Putin darin seine nächste Militäroffensive in der Ukraine ankündigen.
Laut Daniel Fried, früherer US-Botschafter in Polen, könnte Biden der westlichen Militärallianz ein neues Gefühl der Verbundenheit geben. „Biden wird in Warschau als Kriegspräsident auftreten, an der Grenze eines Kriegslandes, er wird die freie Welt gegen die Tyrannei symbolisieren. Wenn er seine Sache gut macht, könnte dies ein entscheidender Moment für sein Vermächtnis werden, und für ganz Europa“, schrieb er in einem Beitrag für die Denkfabrik Atlantic Council.
Biden landet am Dienstagmorgen in Warschau, ursprünglich war der Besuch bereits für Montagabend geplant – das Weiße Haus gab keine Begründung für die Verschiebung. Um 17.30 Uhr soll er dann vor dem Königsschloss auftreten.
Am Mittwoch trifft er sich mit den Staats- und Regierungschefs der „Bukarest Neun“, die Nato-Länder in Osteuropa. Die Gruppe hatte sich 2014 nach der russischen Annexion der Krim gegründet.
Kein Besuch in der Ukraine geplant
Einen Besuch im 300 Kilometer entfernten Kriegsland schloss John Kirby, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats des Weißen Hauses, allerdings aus. „Diese besondere Reise ist kurz und wird sich auf Warschau konzentrieren“, sagte er. Auf die Frage, ob Biden die Ukraine betreten werde, antwortete er: „Nein“.
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Kurz nach Kriegsbeginn war Biden an die polnisch-ukrainische Grenze gereist. Damals hatte er in einer Rede einen Regimewechsel in Russland gefordert: Putin könne „nicht an der Macht bleiben“, sagte der Präsident. Das Weiße Haus sprach anschließend von einem Missverständnis, was zeigte, dass Washington einen direkten Konflikt mit Moskau unbedingt vermeiden will. Auch deshalb könnte sich die US-Regierung gegen einen Besuch im Kriegsland entschlossen haben.
Polen als Ziel ist strategisch gewählt, denn das Land ist ein zentraler Nato-Partner für die USA. Es beherbergt 10.000 amerikanische Soldaten und dient als Drehscheibe für westliche Waffentransfers in die Ukraine. Die osteuropäischen Länder „stehen buchstäblich an vorderster Front unserer kollektiven Verteidigung“, sagte Kirby.
In den vergangenen Tagen ging die US-Regierung in eine Diplomatie-Offensive: Vizepräsidentin Kamala Harris und US-Außenminister Antony Blinken reisten zur Münchner Sicherheitskonferenz, Top-Strategen aus dem Weißen Haus und Politiker aus dem US-Kongress waren stark vertreten.
Nato-Partner
10.000
US-Soldaten
sind in Polen stationiert.
Harris warf Russland „systematische Atacken auf die Zivilbevölkerung“ in der Ukraine vor und „grausame Akte von Mord, Folter, Vergewaltigung und Deportation.“ Für Anfang März wird Bundeskanzler Olaf Scholz für einen Arbeitsbesuch in Washington erwartet.
Doch die Reise findet zu einem sensiblen Zeitpunkt statt. In den USA und Europa stellt man sich auf einen langen, harten Winter für die Ukraine ein. „Bis Verhandlungen auch nur ansatzweise realistisch sind, gibt es kein schnelles Szenario für ein Ende des Kriegs“, sagte Peter Rough, Direktor des Europazentrums an der konservativen Denkfrabrik Hudson Institute. „Ziel der US-Regierung ist es, die Ukraine in eine starke Verhandlungsposition zu bringen, wann auch immer diese Gespräche kommen mögen und unter welchen Umständen sie erfolgen.“
Die Rufe aus Kiew nach Kampfjets lehnt die US-Regierung jedoch ab, erst nach langem Zögern hatten die USA Panzer genehmigt. Laut der „Washington Post“ habe die US-Regierung gegenüber Kiew erklärt, dass es keine Garantie für künftige Militärhilfen gebe. Die USA haben 26,7 Milliarden US-Dollar für ukrainische Verteidigungszwecke bewilligt, darunter für Kampffahrzeuge, Trucks, minenresistente Geländewagen und Raketenabwehrsysteme. Biden werde in Polen keine neue Tranche ankündigen, erklärte Kirby.
Waffenverschleiß der Ukraine wird zum Problem
Offenbar reagiert Biden damit auf innenpolitischen Druck: Teile der Republikaner, die seit Januar das Repräsentantenhaus im US-Kongress dominieren, wollen die Ukraine-Hilfen blockieren. Im Streit um die Anhebung der Schuldengrenze steht der rasant kletternde US-Verteidigungshaushalt zur Debatte.
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Andere Republikaner, und auch einige Demokraten, fordern hingegen US-Kampfjets, damit die Ukraine eine Chance habe, Russland zu besiegen. Ohne entsprechendes Militärgerät sei die Ukraine „dazu verdammt, einen ewigen Krieg zu führen, weil sie nicht verlieren und nicht gewinnen kann“, meint Experte Rough.
Kurz vor Bidens Polen-Reise riefen Abgeordnete aus beiden Parteien den Präsidenten auf, den Einsatz von F-16-Fliegern zu genehmigen. „Die F-16 sind ein absolutes Muss“, sagte der republikanische Senator Lindsey Graham auf der Münchner Sicherheitskonferenz. Für den Moment zeigt Biden Engagement für die Ukraine, zieht aber zugleich Grenzen. So wollen die USA keine Raketen mit größerer Reichweite, die tief in Russland eindringen können, in das Kriegsland schicken.
Zu groß ist die Furcht vor einem militärischen Konflikt zwischen den USA und Russland. „Das würde die Nato zersprengen“, so drückte es Biden aus, als er sich im Dezember mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski traf.
Biden wird in Warschau als Kriegspräsident auftreten, an der Grenze eines Kriegslandes, er wird die freie Welt gegen die Tyrannei symbolisieren. Daniel Fried, früherer US-Botschafter in Polen
Biden, der bald zur Wiederwahl antreten könnte, muss auch auf die öffentliche Stimmung Rücksicht nehmen. Laut einer Umfrage der Nachrichtenagentur AP stützten zum Kriegsbeginn noch 60 Prozent der US-Bürger die amerikanischen Miitärhilfen, inzwischen sind es 48 Prozent.
In der Nato schwelt parallel die Debatte darüber, wie lange der Westen mit dem Waffenverschleiß der Ukraine noch mithalten kann. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnte kürzlich, dass die „derzeitige Munitionsausgabenrate der Ukraine um ein Vielfaches höher ist als unsere derzeitige Produktionsrate“, die Verteidigungsindustrie sei „unter Druck“.
Einen großen Teil der Last tragen amerikanische Rüstungsunternehmen. Laut CNN pumpte das Pentagon zuletzt drei Milliarden US-Dollar in Munitionskäufe aus dem Ausland und Produktionssteigerungen im Inland. Allein die Herstellung von Artilleriegranaten sei von 15.000 pro Monat auf 70.000 gestiegen. Ein großer Teil davon wird in Scranton im US-Bundesstaat Pennsylvania hergestellt – dem Geburtsort von Präsident Biden.
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