Berlin Wenn Siegfried Russwurm, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), und Fredrik Persson, Präsident des europäischen Wirtschaftsdachverbands Business Europe, einen Wunsch an die Politik frei hätten, dann wäre es nicht mehr Geld. Vielmehr würden sie Bürokratie und Überregulierung abbauen, um Europa nach vorn zu bringen. Im Gespräch mit dem Handelsblatt fordern die Chefs von BDI und Business Europe einen pragmatischeren Politikstil in Europa.
„Der Blick der Europäer ist zu sehr auf Geld und Subventionen verengt. Andere Aspekte werden vernachlässigt“, sagt Russwurm. Die Amerikaner würden investitionswillige Unternehmen fragen, was sie für diese Unternehmen tun könnten. Die Europäer neigten dazu, zuerst nach den negativen Auswirkungen einer Investition zu fragen. „Das sind zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen“, sagt Russwurm.
Wer Investitionen wolle, müsse Tempo zulassen und auf eine schlanke, effiziente Regulierung achten. „Das machen die Amerikaner wesentlich besser als wir Europäer. So dauern die Planungs- und Genehmigungsverfahren für Industrieprojekte, für Anlagen zur Energieerzeugung und für die benötigte Infrastruktur viel zu lange“, sagt der BDI-Präsident.
Immerhin hat die Politik das Problem erkannt, in Deutschland ist die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren auf der politischen Tagesordnung weit nach oben gerückt. Die Ampelkoalition hat für den Ausbau der erneuerbaren Energien mit dem „Osterpaket“ im vergangenen Jahr eine Reihe von Beschleunigungsmaßnahmen beschlossen.
Hinzu kommt die Ende vergangenen Jahres vom EU-Energieministerrat beschlossene EU-Notfallverordnung, die ebenfalls den Ausbau erneuerbarer Energien voranbringen soll. Zusätzlich arbeitet die Bundesregierung an der Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren für Infrastrukturprojekte. Welche Vorhaben davon erfasst werden sollen, ist aber unter den Koalitionspartnern noch umstritten.
Eine „toxische Kombination“ für Europa
Fredrik Persson, seit Juli 2022 Chef von Business Europe, analysiert die Lage ähnlich wie Russwurm. „Die Europäer neigen zur Überregulierung und sind viel zu langsam mit ihren Genehmigungsverfahren. Diese Standortschwäche lässt sich mit allem Geld der Welt nicht ausgleichen“, sagt Persson.
Zusammen mit den hohen Energiepreisen und den attraktiven Investitionsbedingungen, die die Amerikaner mit dem „Inflation Reduction Act“ (IRA) geschaffen hätten, entstehe für die Europäer eine „toxische Kombination“.
Russwurm hält die Antworten der Europäer auf die hohen Energiepreise und auf den IRA für nicht entschieden genug. „Die Dinge bewegen sich in die richtige Richtung, aber noch immer deutlich zu langsam. Unser Kontinent muss wettbewerbsfähiger werden, dafür sind attraktive Rahmenbedingungen das A und O“, sagt er.
Seit Monaten blicken Wirtschaft und Politik in Europa auf die Entwicklung, die der IRA in den USA auslöst. Das Subventionsprogramm soll den grünen Umbau der US-Wirtschaft vorantreiben.
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Die Vorgaben für die Unternehmen sind darin einfach geregelt, wie beispielsweise bei der CO2-Speicherung oder beim Aufbau einer Wertschöpfungskette für klimaneutralen Wasserstoff. Während die Europäer strenge Vorgaben machen und hohe Anforderungen an den Strom stellen, der für die Wasserstoffelektrolyse benötigt wird, kennen die Amerikaner solche Einschränkungen nicht.
BDI-Präsident begrüßt Wasserstoff-Definition der EU
Erst vor wenigen Tagen hatte die EU-Kommission mit einem „delegierten Rechtsakt“ festgelegt, wie „grüner“ Wasserstoff in Europa definiert wird. So muss der für die Wasserstoffelektrolyse eingesetzte Strom ab 2028 aus erneuerbaren Stromquellen stammen, die nicht öffentlich gefördert wurden. Bis 2029 muss der Strom im selben Monat produziert werden wie der Wasserstoff, ab 2030 sogar in derselben Stunde.
Russwurm begrüßt, dass nun wenigstens Klarheit über die Bedingungen herrscht. „Das reduziert die Unsicherheit der vergangenen Monate – schon das allein ist ein Riesenfortschritt. Das größte Hindernis für Investitionen ist Unsicherheit. Und die ist nun verkleinert“, sagt Russwurm.
Die Regelungen seien allerdings noch lange nicht unterstützend genug, um nun mit dem Durchbruch für den Aufbau einer industriellen Wasserstoff-Wertschöpfungskette in Europa rechnen zu können.
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Die Antwort der EU auf den IRA fällt nach Einschätzung Perssons zu zaghaft aus. Der „Green Deal Industrial Plan“, den die EU-Kommission kürzlich vorgestellt habe, sei ein guter Anfang, aber nicht genug. „Es ist wie immer: Großen Reden müssen große Taten folge“, sagt Persson.
Ziel der EU-Kommission ist es, mit dem Industrieplan ein günstiges Umfeld für den Aufbau von sauberen Technologien zu schaffen. Diese sind laut EU-Kommission erforderlich, „um Europas ehrgeizige grüne Ziele zu erreichen“. Viele Details sind aber noch unklar.
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