Feb 21, 2023
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Bundesregierung: Jeder gegen Jeden: Das sind die Streithähne der Ampel-Koalition

Written by pinmin

Berlin Am Montag kamen Kanzler Olaf Scholz (SPD), Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) im Bundeskanzleramt zu einem vertraulichen Treffen zusammen. Die Drei tauschten sich über aktuelle Themen aus, auch über den Streit um den Bundeshaushalt 2024.

Der ungewöhnliche Schriftverkehr war der Höhepunkt schon länger andauernder Streitigkeiten zwischen Habeck und Lindner. Doch nicht nur die beiden beharken, auch zwischen anderen Ministern und Ministerinnen gibt es Konflikte. Das sind die wichtigsten Streit-Paare:

Finanzminister Lindner streitet in den Haushaltsverhandlungen mit beinahe dem gesamten Bundeskabinett. Der FDP-Chef will im nächsten Jahr unbedingt die Schuldenbremse einhalten.

Geld, das an einer Stelle mehr ausgegeben werden soll, müsse an anderer wieder eingespart werden, fordert Lindner. Will SPD-Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) also den Wehretat erhöhen, müssen andere Ministerien dafür sparen.

Christian Lindner (FDP)

Der Finanzminister steht in der Kritik, weil er 2024 unbedingt die Schuldenbremse einhalten will.



(Foto: dpa)

Als schwierig gilt auch das Verhältnis von Karl Lauterbach (SPD) und Lindner. So will Lindner keine weiteren Steuermilliarden für Lauterbachs Pflegereform bereitstellen. Eine weitere Baustelle ist die Klinikreform, deren Geldbedarf von bis zu 100 Milliarden Euro ungeklärt ist. Dazu kommt die desaströse Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen, deren Defizit 2024 auf 30 Milliarden Euro anwachsen könnte. Ohne zusätzliches Steuergeld könnten die Krankenkassenbeiträge noch weiter ansteigen.

>> Lesen Sie hier: Weitet sich der Ampel-Streit um den Haushalt aus?

SPD wie Grüne drängen Lindner daher dazu, die Schuldenbremse zu lockern oder Steuern zu erhöhen, um versprochene Ampel-Projekte umzusetzen – was dieser mit Verweis auf den Koalitionsvertrag ablehnt.

Olaf Scholz (SPD) gegen Annalena Baerbock (Grüne)

Außenministerin Annalena Baerbock wird für ihre direkte Art, Dinge beim Namen zu nennen, geschätzt. Allerdings können ihre klaren Aussagen zuweilen auch als Untergrabung der Autorität des Bundeskanzlers interpretiert werden.

So machte Baerbock bei der Entscheidung über die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine sowohl hinter verschlossenen Türen als auch öffentlich Druck auf Scholz, was im Kanzleramt das Vertrauen in die Außenministerin ziemlich ankratzte.

Beispiel China-Reise des Kanzlers: Kurz vor dem Abflug gab Baerbock Scholz öffentlich Punkte mit auf den Weg, die er in China ansprechen sollte.

Differenzen Diskussion um einen Nationalen Sicherheitsrat: Baerbock will, dass er im AA angesiedelt ist, Scholz will ihn im Kanzleramt haben.

Auch bei der China-Strategie haben die beiden unterschiedliche Ansichten. So wird in Baerbocks Haus  scheinbar größere Dringlichkeit gesehen, die Abhängigkeit von China zu reduzieren.

Annalena Baerbock (Grüne) und Olaf Scholz (SPD)

Zwischen der Außenministerin um dem Kanzler hakt es immer wieder.



(Foto: dpa)

Scholz scheint nicht entgangen zu sein, dass der Eindruck entstanden ist, dass die beiden nicht miteinander können. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz gab er auffallend häufig Hinweise darauf, dass er sich nicht nur mit seinem Verteidigungsminister Pistorius, sondern auch mit Baerbock abspreche.

Olaf Scholz (SPD) gegen Robert Habeck (Grüne)

Auch zwischen dem Kanzler und seinem Vize gibt es Streit. Einmal in der Woche beraten Bundeskanzleramt und Wirtschaftsministerium in der „Bunker-Runde“ über die Energieversorgungslage. Ihre Namen hat die Runde, weil sie in einem abhörsicheren Raum im Kanzleramt – eine Art Bunker – stattfindet.

Scholz hat nach dem Ausbruch des Ukrainekriegs die Energiesicherheit zur Chefsache erklärt. Weil er und Habeck in der Klimapolitik unterschiedlich ticken, führt das aber immer wieder auch zu Konflikten.

Als Habeck Ende vergangenen Jahres in Brüssel grünes Licht für eine Verschärfung des Emissionshandels gab, soll sich das Kanzleramt überrumpelt gefühlt haben. Die Kürzungen bei den Zertifikaten gingen den Scholz-Leuten zu weit.

Robert Habeck (Grüne), Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) in Wilhelmshaven

Der Kanzler gilt als großer Freund von LNG-Lieferungen, doch der Wirtschaftsminister sieht dadurch auch die Klimaziele in Gefahr.


(Foto: Bloomberg)

Deshalb schaltete sich das Kanzleramt parallel zum Wirtschaftsministerium in die Verhandlungen ein, was in Brüssel einige Verwirrung stiftete. Andersherum geht Habecks Leuten Scholz‘ Euphorie in Sachen Flüssiggas (LNG) zu weit. Für den Kanzler könne es hier nie genug sein, heißt es.

Persönlich kämen Scholz und Habeck „verhältnismäßig gut“ miteinander aus, heißt es. Doch im Hintergrund versuchten der Kanzler und sein Umfeld mit Blick auf die Bundestagswahl 2025 Habeck kleinzuhalten, ist aus Grünen-Kreisen zu hören.

So spiele sich Scholz als umsichtiger Mediator auf und lasse Habeck führungsunfähig aussehen. Das Mittel, um diese Wirkung zu erzielen: die FDP. „Der Kanzler will, dass es wirkt, als hauten FDP und Grüne unentwegt aufeinander ein“, sagt eine führende Grünen-Vertreterin.

Marco Buschmann (FDP) gegen Nancy Faeser (SPD)

Dissens besteht auch zwischen Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und Justizminister Marco Buschmann (FDP) über die anlasslose Vorratsdatenspeicherung. Faeser fordert eine zeitlich begrenzte Pflicht zur Speicherung von IP-Adressen bei der Kriminalitätsbekämpfung.

Der für eine Regelung zuständige Justizminister hat indes schon im Oktober einen Entwurf vorgelegt. Darin steht, dass Daten nicht anlasslos gespeichert werden dürfen, sondern erst im Fall eines konkreten Verdachts eingefroren werden, damit sie für spätere Ermittlungen zur Verfügung stehen. Alles andere stelle die Bürger unter Generalverdacht.

Wenn es auf Ministerebene keine Einigung gebe, dann werde sich wohl der Koalitionsausschuss mit dem Thema befassen müssen, drohte Buschmann. Die SPD reagierte verärgert, man sei „nicht erfreut“ über Buschmanns Äußerungen und rief zur Zurückhaltung auf.

Marco Buschmann (FDP), Klara Geywitz (SPD) und Robert Habeck (Grüne)

Die Bauministerin spottete darüber, dass das Justizministerium einen recht simplen Gesetzesvorschlag nicht schneller präsentieren könne.


(Foto: IMAGO/Political-Moments)

Doch Buschmann setzte neue Seitenhiebe und forderte die Innenministerin indirekt auf, statt alle Bürger digital zu überwachen „besser alle Services bei Bürgerämtern und sonstigen Behörden rasch zu digitalisieren“. Faeser hat die Federführung bei der Verwaltungsdigitalisierung, die seit Jahren nur schleppend vorankommt.

Marco Buschmann (FDP) gegen Klara Geywitz (SPD)

Neben Faeser legt sich Buschmann regelmäßig auch mit SPD-Bauministerin Klara Geywitz an. Anlass: das Mietrecht. Die Sozialdemokratin will für bezahlbaren Wohnraum sorgen und wie im Koalitionsvertrag vereinbart die Mietpreisbremse bis 2029 verlängern. Außerdem sollen Vermieter die Miete binnen drei Jahren nicht mehr um maximal 15, sondern nur um elf Prozent erhöhen dürfen. Für die Umsetzung ist Geywitz aber auf Buschmann angewiesen.

Nachdem vertrauliche Zwiesprache offenbar nichts brachte, stichelte die SPD-Politikerin in Interviews: „Ich warte gespannt auf den Gesetzentwurf des Ministerkollegen.“ Sie sei „hoffnungsvoll, dass wir das in diesem Winter noch erleben und nicht der Frühling anbrechen muss, bis es so weit ist“. Beide Gesetzesverfahren seien nicht gerade komplex. Im Prinzip müssten da nur zwei Zahlen getauscht werden, spöttelte Geywitz.

Buschmann hält indes gerne über den Kurznachrichtendienst Twitter ein kleines Proseminar für die Ministerin ab: „Bauen bleibt das beste Rezept gegen steigende Mieten. Wir brauchen dringend weiter neue Wohnungen.“

Marco Buschmann (FDP) und Nancy Faeser (SPD)

Der Justizminister wirft der Innenministerin vor, sich nicht ausreichend um die Digitalisierung der Verwaltung zu kümmern.


(Foto: IMAGO/Future Image)

Sein Ministerium beteuert, „mit Nachdruck“ an der Umsetzung der mietrechtlichen Vorhaben zu arbeiten. Hinter vorgehaltener Hand ist aber auch zu hören, im Koalitionsvertrag sei ja kein Termin zur Erledigung vermerkt. 

Ebenso ruhig ist es um das kommunale Vorkaufsrecht, das Geywitz neu regeln will. Für Streit sorgen auch Indexmietverträge, die sich nach Meinung des Bauministeriums zu einem „echten Problem“ entwickeln könnten. Im Koalitionsvertrag steht das Vorhaben nicht, was Buschmann zu bestärken scheint. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese bezeichnet Buschmann dennoch als „Klotz am Bein der Ampel“.

Volker Wissing (FDP) gegen Steffi Lemke (Grüne)

Sie trafen sich mehrmals zum Krisengipfel beim Bundeskanzler und gingen auf Geheiß von Olaf Scholz (SPD) sogar gemeinsam Essen. Und doch: Zwischen Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) geht kaum etwas voran.

>> Lesen Sie auch: Die Ampel-Koalition ist zerstritten – aber zum Erfolg verdammt

Dabei schätzen sich beide, sogar von einem freundschaftlichen Verhältnis ist die Rede. Doch bei der Frage, ob Planungs- und Genehmigungsverfahren künftig grundsätzlich schneller vonstattengehen sollen oder nur bei bestimmten Verkehrsprojekten, stehen sich beide unversöhnlich gegenüber.

Wissing will auch den Autobahn-Bau zum „übergeordneten öffentlichen Interesse“ erklären und so die Verfahren abkürzen. Lemke verweist dagegen auf „den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen“ und betont, nur Schienenwege sollten beschleunigt ausgebaut werden.

Wissing und Lemke ringen auch in anderen Fragen. Mal geht es darum, ob synthetische Kraftstoffe aus Ökoenergien eine Zukunft haben oder um die Frage, ob Öko-Sprit noch beigemischt werden darf. Und auch beim Tempolimit für den Klimaschutz herrscht Uneinigkeit.

Mehr: Höhere Mehrwertsteuer? FDP-Vorstoß sorgt für Ärger in der Ampel



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