Feb 21, 2023
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Bundeswehr: Ampel debattiert über Verteidigungsetat – Kritik aus CDU: „Ernst der Lage nicht verstanden“

Written by Frank Specht


Berlin Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will sich dafür einsetzen, dass der deutsche Verteidigungsetat dauerhaft auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung angehoben wird. Ob ihm das gelingt, erscheint derzeit aber fraglich. Denn neben der eigenen Parteichefin Saskia Esken verweisen auch viele Grüne auf konkurrierende Ausgabenwünsche.

Die SPD-Vorsitzende hatte in einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt, dass zentrale Ampel-Vorhaben wie der sozialökologische Umbau der Wirtschaft, der Ausbau der digitalen Netze oder die Kindergrundsicherung noch nicht finanziert seien. Deshalb müsse man über Prioritäten im Haushalt reden.

Esken stellt sich damit auch gegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Der hatte vor knapp einem Jahr in seiner „Zeitenwende“-Rede im Bundestag betont, die Regierung werde „von nun an Jahr für Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts in unsere Verteidigung investieren“. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz am Wochenende bekräftigte der Kanzler diese Festlegung auf die von der Nato gesetzte Zielmarke.

In der mittelfristigen Finanzplanung ist der Verteidigungshaushalt aktuell jedoch bei rund 50 Milliarden Euro gedeckelt. Je nachdem, wann die 100 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen ausgegeben werden, klafft deshalb früher oder später eine große Lücke zwischen der Zielmarke und den tatsächlichen Ausgaben, zeigt eine Ende 2022 erschienene Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW).

Zum Nato-Ziel fehlen laut IW 18,9 Milliarden Euro

So sind für das laufende Jahr rund 8,5 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen zu den 50 Milliarden Euro vorgesehen. Zusammen mit den Mitteln aus dem regulären Etat reicht das Geld aber nur, um den Verteidigungsetat auf 1,5 Prozent der Wirtschaftsleistung ansteigen zu lassen. Zum Nato-Ziel fehlen laut IW 18,9 Milliarden Euro.

Selbst wenn die Bundesregierung den Rest des Sondervermögens über die Jahre 2024 bis 2026 verteilen sollte, würde angesichts der derzeitigen Inflations- und Wachstumsprognosen das Zwei-Prozent-Ziel bereits 2026 wieder verfehlt, rechnen die Kölner Forscher vor. 2027 läge der reguläre Haushalt bei aufgebrauchtem Sondervermögen bereits um 39 Milliarden Euro unter der Zielmarke.

Pistorius‘ Beamte haben deshalb bereits durchgerechnet, dass der reguläre Verteidigungsetat um 8,5 bis zehn Milliarden Euro jährlich aufgestockt werden müsste, damit die Bundeswehr ihren Verpflichtungen zur Landes- und Bündnisverteidigung nachkommen kann.
>> Lesen Sie hier: Warum die SPD in der Sicherheitspolitik zwei völlig unterschiedliche Gesichter zeigt

Doch nicht nur Esken sieht das skeptisch. Seine Partei sei nicht grundsätzlich gegen eine Aufstockung des Wehretats, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour im ZDF. Aber Gelder, die ausgegeben würden, sollten auch bei der Truppe ankommen und nicht in „merkwürdigen Projekten versinken, die am Ende keinen Sinn machen, nicht mehr Sicherheit bringen, aber Geld verbrennen“.

Streit um Verteidigungshaushalt

Auch die SPD-Vorsitzende hatte betont, zunächst müsse das Beschaffungswesen so reformiert werden, dass das viele Geld für die Bundeswehr auch „zielgerichtet“ eingesetzt werden könne. Pistorius‘ Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) hatte zwar ein Beschleunigungsgesetz auf den Weg gebracht, das aber nach Ansicht von Fachleuten noch nicht ausreicht.

Saskia Esken

SPD wie Grünen geht es aber auch darum, den Sicherheitsbegriff nicht allein auf die Verteidigungspolitik zu verengen – und das vorhandene Geld entsprechend zu verteilen.



(Foto: Reuters)

SPD wie Grünen geht es aber auch darum, den Sicherheitsbegriff nicht allein auf die Verteidigungspolitik zu verengen – und das vorhandene Geld entsprechend zu verteilen. „Es wäre maximal unvernünftig, bei der Diplomatie, der Klimapolitik oder der Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen, wie es die mittelfristige Finanzplanung leider bisher vorsieht“, sagte die stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Agnieszka Brugger, dem Handelsblatt.

„Anstatt die ewig gleiche Debatte zum Zwei-Prozent-Ziel in Dauerschleife zu wiederholen, muss es darum gehen, gemeinsam Wege zu finden, wie alle Bereiche der internationalen Politik ausreichend finanziert werden können“, betonte Brugger.

So machten nicht erst die schrecklichen Bilder aus der Türkei und aus Syrien den Bedarf an humanitärer Hilfe deutlich. Und eine zeitgemäße Klimafinanzierung sei angesichts der schon heute verheerenden Auswirkungen der Klimakrise überfällig.

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Die größte Oppositionsfraktion hat wenig Verständnis für den Streit um den Verteidigungshaushalt. „Teile der SPD und Grünen haben auch ein Jahr nach Kriegsbeginn den Ernst der Lage nicht verstanden“, kritisiert der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Henning Otte. Sicherheit habe oberste Priorität. „Während die europäische Friedensordnung angegriffen wird, ergehen sich einige Koalitionäre lieber in Profilierungsgehabe, statt dringend notwendige Entscheidungen zu treffen.“

Verteidigungsminister Pistorius zeigt sich entschlossen, Zweiflern in der eigenen Koalition Paroli zu bieten. Er werde jetzt mit der Unterstützung von Lars Klingbeil, der zusammen mit Esken die SPD führt, und anderen in die Gespräche über den Haushalt eintreten, sagte er am Montag beim Truppenbesuch weiter. „Ich werde für meinen Haushalt und die Notwendigkeit, die ich erkannt und beschrieben habe, sehr deutlich eintreten.“ Am Ende aber entscheide die Koalition, wofür das zur Verfügung stehende Geld ausgegeben werde.

Mehr: Verteidigung Europas – „Wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen“



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