Feb 23, 2023
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Gescheiterte Pkw-Maut: Geheimes Dokument legt nahe: Mautdesaster wird Steuerzahler Millionen kosten

Written by Daniel Delhaes


Autobahnmaut

Bald entscheidet das geheim tagende Schiedsgericht, wie viel Millionen Euro der Bund zahlen muss, weil er ungerechtfertigt den Pkw-Maut-Betreibern 2019 gekündigt hat.


(Foto: imago images/Jochen Tack)

Berlin. Die 2019 gescheiterte Infrastrukturabgabe (ISA), auch als „Pkw-Maut“ bekannt, dürfte den Steuerzahler teuer zu stehen kommen. Dies geht aus einem Dokument hervor, das das Bundesverkehrsministerium zwar unter Verschluss hält, das dem Handelsblatt aber vorliegt.

Das Dokument enthält die „überschlägige Abschätzung potenzieller Entschädigungen“ für die Mautunternehmen, sollte der Bund die Verträge „aus ordnungspolitischen Gründen“ kündigen, wie der Titel verrät. Konkret handelt es sich um eine von vier Berechnungen der Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers (PwC) im Auftrag des Bundes. Das Dokument ist allerdings nicht verbindlich.

Die Berechnungen entstanden rund um den Tag, an dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) die deutschen Mautpläne für nichtig erklärte. Als Folge sah sich der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) – und nun sein Nachfolger Volker Wissing (FDP) – Schadenersatzklagen von jenen Unternehmen ausgesetzt, die Scheuer bereits vor dem EuGH-Urteil beauftragt hatte, das Pkw-Mautsystem aufzubauen und zu betreiben.

Bei den Unternehmen handelt es sich um die Kapsch Trafficcom AG und CTS Eventim. Scheuer hatte sie Ende 2018 ins Boot geholt, obwohl das Gerichtsverfahren vor dem EuGH noch lief. Gut eine halbe Milliarde Euro wollte der damalige Minister netto pro Jahr mit der Maut einnehmen – vornehmlich von ausländischen Fahrzeughaltern.

Doch der Plan scheiterte an EU-Recht, was viele Experten Scheuer zuvor schon prophezeit hatten.

Chaos in kurzer Zeit

Scheuer musste daraufhin in Windeseile mit den Anwälten des Bundes abschätzen, ob er die Verträge mit der Kapsch Trafficcom AG und CTS Eventim schnell kündigen sollte und was dies bedeuten würde. PwC als Berater des Bundes musste ebenfalls in Eile agieren und legte innerhalb von kurzer Zeit mehrere Bewertungen mit dem jeweils aktuellen Arbeitsstand vor. So legten die Berater zunächst zwei Bewertungen vor, eine um 15.30 Uhr, die andere um 20.30 Uhr.

Andreas Scheuer

Der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sah sich Schadenersatzklagen von einigen Unternehmen ausgesetzt.



(Foto: dpa)

Am nächsten Morgen erhielten die Unternehmen die Kündigung – aus ordnungspolitischen Gründen und wegen angeblicher Schlechtleistung. Ein ordnungspolitischer Grund ist etwa das Gerichtsurteil. Um 15.30 Uhr legte PwC eine weitere Berechnung auf Basis des aktuellen Arbeitsstandes vor. Die letzte Berechnung folgte dann am 20. Juni um 14.45 Uhr – diese liegt dem Handelsblatt vor.

Aus den drei Seiten des letzten Dokuments ergibt sich: Der Anspruch der Unternehmen auf Basis des „finalen“ Angebots der Unternehmen und „der abschließenden Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vom 18. Dezember 2018“ liegt bei insgesamt „rund 480 Mio. EUR bis 776 Mio. EUR brutto“, wie es in dem Papier heißt. Abzüglich der fälligen Umsatzsteuer wären es immerhin noch rund 630 Millionen Euro. Die Unternehmen fordern vor dem Schiedsgericht 560 Millionen Euro brutto. Dies scheint demnach realistisch.

Laut PwC ergeben sich allein 446 bis 740 Millionen Euro aus dem Betreibervertrag zur Mauterhebung. Davon seien 238 bis 441 Millionen Euro „entgangener Gewinn des Betreibers (barwertig)“, je nach Abzinsung. Laut Unterlagen sind es „exemplarisch“ bei einem Diskontierungszinssatz von drei Prozent 375 Millionen Euro. Auch verabredete variable Vergütungen berücksichtigten die Prüfer.

>> Lesen Sie hier: Welche Minister zurückgetreten sind – und wer trotz Fehlern im Amt blieb

Um Verträge mit Unterauftragnehmern aufzulösen, rechneten sie eine Entschädigung von 209 bis 298 Millionen Euro aus. Bei einem Zins von drei Prozent seien es 270 Millionen Euro. Hinzu kämen noch Entschädigungen für erste Arbeiten für die automatische Kontrolle (30 Millionen) und die mobile Kontrolle (vier bis fünf Millionen).

Unternehmen fordern 136 Unterlagen vom Bund – bisher vergeblich

Das Ministerium will von den Abschätzungen nichts mehr wissen. Es seien „keine amtlichen Informationen“, sondern „Entwürfe“, die Wirtschaftsprüfer hätten sie später „zurückgezogen“, erhielt das Handelsblatt jetzt als Antwort. Es bestünde zudem kein Anspruch auf Information wegen des laufenden Gerichtsverfahrens.

Pkw-Maut

Die Ansprüche der Unternehmen gegen den Bund liegen laut einem Dokument bei insgesamt rund 480 Millionen bis 776 Millionen Euro.



(Foto: dpa)

Dabei geht es nicht nur um das seit Ende 2019 geheim tagende Schiedsgericht. Es hatte im März vergangenen Jahres entschieden, dass die angemeldeten Ansprüche des von Kapsch und CTS Eventim gegründeten Joint Ventures Autoticket „dem Grunde nach bestehen“, wie beide Unternehmen damals mitteilten.

Das Bundesverkehrsministerium habe sich demnach nicht „einseitig und entschädigungslos“ von dem Vertrag lossagen dürfen, den es Ende 2018 geschlossen hatte, um die Maut erheben zu lassen. Mit dem Schiedsspruch sei auch der behauptete Kündigungsgrund einer „Schlechtleistung“ abgelehnt worden.

Seither diskutiert das Gericht über die Höhe des Schadenersatzes. Wie heftig es dabei zwischen den Parteien zugeht, zeigt das Urteil eines anderen Gerichts: Da es vor dem Schiedsgericht nur um die Schadenhöhe geht, klagten Kapsch und Eventim drei Monate nach dem ersten Schiedsspruch vor dem Verwaltungsgericht Berlin auf Herausgabe von insgesamt 136 Dokumenten – von elektronischen Nachrichten bis hin zu internen Protokollen und Statusberichten „zum Projekt Infrastrukturabgabe“ sowie den PwC-Berechnungen. Die Unternehmen erhielten zwar recht. Der Bund ist aber in Berufung gegangen, wie das Ministerium dem Handelsblatt erklärte.

Den Unternehmen geht es um „Informationen, die den im Schiedsverfahren streitgegenständlichen Sachverhalt“ betreffen, wie es im Urteil des Verwaltungsgerichts heißt. Demnach verlangen die Unternehmen seit Beginn des Schiedsverfahrens Unterlagen vom Bund und erhalten nur in geringem Umfang Einblick.

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Das inzwischen vom FDP-Politiker Volker Wissing geleitete Ministerium argumentiert laut Urteilsbegründung, den Unternehmen gehe es „allein darum“, die Schiedsvereinbarung „zu unterlaufen“.

Dem Handelsblatt erklärte das Ministerium, die PwC-Berechnungen seien als Verschlusssache „VS-Vertraulich“ eingestuft worden, „da die Kenntnisnahme durch Unbefugte schädlich für die Interessen des Bundes sein kann“.

Mehr: Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher Falschaussage gegen Andreas Scheuer



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