Der Kampf gegen die Umgehung der Sanktionen soll nun zur Priorität erhoben werden.
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Brüssel Neun Sanktionspakete gegen Russland hat die EU beschlossen, das zehnte soll zum Jahrestag des Ukrainekriegs am Freitag verkündet werden. Zugleich wächst in den europäischen Hauptstädten der Unmut darüber, dass die Sanktionen bisher nicht so wirken wie erhofft: Westliche Güter finden laut Handelsdaten auch weiterhin ihren Weg nach Russland, der Kreml scheint seine Kriegswirtschaft mit alternativen Lieferketten am Laufen zu halten.
Der Kampf gegen die Umgehung der Sanktionen soll daher nun zur Priorität erhoben werden. „2023 muss das Jahr werden, in dem wir erfolgreich gegen die Sanktionsumgehung vorgehen“, heißt es in einem Papier der niederländischen Regierung, das dem Handelsblatt vorliegt. Der Vorstoß wird von 13 weiteren EU-Staaten unterstützt, darunter Deutschland, Frankreich, Italien und Polen.
Das Problem: Die Sanktionen werden zwar auf EU-Ebene beschlossen, aber dann auf nationaler Ebene umgesetzt. Das passiert in den 27 Mitgliedstaaten höchst unterschiedlich.
Gerade in kleineren Ländern mangelt es oft an Infrastruktur und Personal, um Exporte wirksam zu kontrollieren oder gegen sanktionierte Personen vorzugehen. Deshalb stehen die Strafmaßnahmen vielerorts nur auf dem Papier.
Die EU-Regierungschefs hatten daher auf ihrem Sondergipfel am 9. Februar beschlossen, die Sanktionskontrolle besser zu koordinieren. In dem Papier machen die Niederlande nun erste konkrete Vorschläge:
- Es soll mehr Austausch zwischen der nationalen und der EU-Ebene geben, um Schlupflöcher zu identifizieren und zu schließen. Dabei müssten Strafverfolgungsbehörden, Geheimdienste, Zoll und EU-Stellen eng zusammenarbeiten.
- Vorgeschlagen wird eine zentrale Anlaufstelle in der EU, um Informationen zu verdächtigen Handelsströmen zu sammeln und auszuwerten. Die zuständige Finanzabteilung in der EU-Kommission wurde zwar personell aufgestockt, aber sie ist mit der Erstellung und Verwaltung der Sanktionslisten ausgelastet. In Zukunft könnte die geplante europäische Geldwäschebehörde AMLA eine Rolle spielen, aber diese wird frühestens in ein paar Jahren ihre Arbeit aufnehmen, bisher gibt es noch keinen Standort für die Behörde.
- Die Drittstaaten, über deren Gebiet der Handel mit sanktionierten Gütern läuft, sollen direkt angesprochen werden. Für diese Aufgabe hat die EU zum Jahreswechsel bereits den Ex-Botschafter David O’Sullivan als Sanktionsbeauftragten eingesetzt. Wenn der diplomatische Druck nicht ausreicht und ein Drittstaat die Kooperation verweigert, soll die EU auch Handelsstrafen erwägen.
- Die Branchen, die sanktionierte Güter herstellen oder verteilen können, sollen verstärkt überprüft werden. So könnte etwa eine „Watchlist“ bestimmter Sektoren und Firmen erstellt werden. Die Beweisschwelle für Sanktionsverstöße könnte gesenkt werden, schon bei einem Verdacht könnte es eine Verwarnung geben.
- Bisher können nur Unternehmen und Personen auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden, die direkt den Krieg unterstützen oder denen eine Verbindung zu Sanktionsverstößen nachgewiesen werden kann. Die Niederländer plädieren nun dafür, die Kriterien auszuweiten. So könnten etwa alle Firmen auf der Liste landen, deren Waren „direkt oder indirekt“ mit der Kriegsproduktion verbunden sind.
Druck auf Türkei, Kasachstan, China
Man müsse ein „starkes Signal“ an Personen und Organisationen in Drittstaaten senden, heißt es in dem Papier. „Die materielle Unterstützung von Russlands militärischer Industriebasis wird schwere Konsequenzen für ihren Zugang zum EU-Binnenmarkt haben.“
Die Branchen, die sanktionierte Güter herstellen oder verteilen können, sollen verstärkt überprüft werden.
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In dem Papier werden keine Namen genannt. Aber die Länder, die westliche Güter importieren, um sie nach Russland weiterzuverkaufen, sind bekannt: Es sind Nachbarn wie die Türkei, Armenien und Kasachstan. Aber auch die Wirtschaftsgroßmächte China und Indien haben ihren Handel mit Russland im vergangenen Jahr vervielfacht.
„Die Umgehungstaktiken der Russen werden zahlreicher und kreativer“, heißt es in dem Papier. „Alternative Lieferketten werden durch Scheinfirmen und Zwischenhändler in den Ländern rund um Russland geschaffen.“ Eine Störung dieser Lieferketten könne eine große Wirkung entfalten und Russlands Waffenproduktion behindern.
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Mehrheitsfähig ist der Vorstoß der Niederlande im EU-Rat offenbar noch nicht. Bei den Unterzeichnern fehlen nicht nur Dauerkritiker wie Ungarn, sondern auch beispielsweise die großen Reedereistaaten Griechenland, Zypern und Malta. Diese hatten bei den Sanktionspaketen etliche Ausnahmen durchgesetzt.
Um die Sanktionen besser zu überwachen, sind die Europäer auf die USA angewiesen. Washington hat in den vergangenen Jahrzehnten eine schlagkräftige Sanktionsbürokratie aufgebaut, die sich auf die Erkenntnisse der Geheimdienste stützen kann. Deshalb schlagen die Niederländer vor, sich eng mit den Partnern abzustimmen.
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