Rom, Kiew Ukrainische Volksmusik dudelt im Hintergrund, als Giorgia Meloni am Bahngleis in Kiew vom Vizeaußenminister in Empfang genommen wird. Die Stimmung ist herzlich, Meloni bekommt Blumen überreicht, schüttelt Hände.
Dass Italiens Regierungschefin nur drei Tage vor dem Jahrestag des russischen Angriffskriegs in die Ukraine aufgebrochen ist, soll ein deutliches Zeichen an das Land senden: Ja, wir unterstützen euch weiterhin, auch wenn in Rom seit Oktober ein rechtes Dreierbündnis regiert – und zwei der Parteien von Chefs angeführt werden, die als überzeugte Wladimir-Putin-Fans gelten.
Lega-Chef Matteo Salvini, der schon mit Putin-Konterfei auf seinem Shirt in Moskau posierte, hat sich zuletzt zwar verbal etwas zurückgehalten. Silvio Berlusconi hingegen, Chef der Mitte-rechts-Partei Forza Italia, reihte eine diplomatische Entgleisung an die andere.
Erst vor anderthalb Wochen gab er dem ukrainischen Präsidenten erneut die Schuld an der russischen Invasion: Es hätte gereicht, wenn Wolodimir Selenski „nicht die zwei autonomen Donbass-Republiken angegriffen hätte“, dann wäre all das nicht passiert, erklärte der Ex-Regierungschef in die Mikrofone.
Auch das erste Treffen zwischen Meloni und Selenski, das sich kürzlich am Rande des EU-Gipfels ergeben hatte, kommentierte er spitz: „Wäre ich Premier, hätte ich Selenski nicht getroffen.“
Berlusconis Worte seien „ein Schaden für Italien“, erklärte ein Berater Selenskis anschließend. Berlusconi solle aufhören, sich zu „maskieren“, und öffentlich machen, dass er den „Genozid der Ukrainer“ unterstütze.
Verhältnisse haben sich gedreht
Meloni hat sich immer hinter die Ukraine gestellt – nicht erst seit Amtsantritt, sondern auch als Oppositionsführerin. Ihre postfaschistische Partei Fratelli d’Italia unterstützte bei allen Waffenlieferungen die Vorgängerregierung von Mario Draghi.
Trotzdem haben sich die Verhältnisse gedreht: War Draghi noch eine gewichtige Stimme in der EU und fuhr im Sommer 2022 mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kanzler Olaf Scholz gemeinsam nach Kiew, wirkte Meloni zuletzt isoliert.
Zum Überraschungsdinner mit Selenski im Élysée-Palast lud Macron nur Scholz ein. „Ehrlich gesagt fand ich diese Einladung unpassend“, stichelte Meloni. Nun ist sie also allein Kiew – nur einen Tag nach dem Überraschungsbesuch von US-Präsident Joe Biden.
„Ihr seid nicht allein. Ihr habt unsere vollkommende Unterstützung.“ Giorgia Meloni
Meloni fuhr auch in die Stadt Butscha, in der die Russen kurz nach Kriegsbeginn zahlreiche Zivilisten erschossen haben. Sie ließ sich vom Bürgermeister von den Massakern erzählen, schaute sich eine Fotoausstellung der Bombardements an, legte einen Blumenkranz an eine Gedenkstätte: „Ihr seid nicht allein“, sagte Meloni. Italien sei von Beginn an bei den Ukrainern gewesen – und werde es auch bis zum Ende sein. „Ihr habt unsere vollkommende Unterstützung.“
In Irpin übergab die 46-Jährige zwei Stromgeneratoren, um kritische Infrastruktur am Laufen zu halten. Insgesamt 52 Generatoren schickt die Regierung in den kommenden Wochen, dazu Transformatoren und Kabel.
Drei Millionen Menschen soll das helfen, 666.000 Euro machte Meloni dafür frei. Selenski, den die Italienerin später am Tag treffen wollte, wären weitere Zusagen für Waffenlieferungen wahrscheinlich noch lieber.
Sechs Pakete hat Italien bisher geschickt. Um welche Waffensysteme es sich handelt, hielt schon die Draghi-Regierung geheim. Klar sind nur die Dimensionen: Rund eine Milliarde Euro umfassen die Unterstützungen bis dato, erklärte Außenminister Antonio Tajani. Kampfpanzer sollen bisher nicht dabei sein. Wohl aber bald das mit Frankreich entwickelte Luftabwehrsystem Samp/T.
Kurz vor ihrer Reise hatte Meloni dann sogar Bereitschaft signalisiert, fünf Kampfflugzeuge nach Kiew schicken zu wollen. Die Flieger des Typs AMX wurden in den Achtzigern gebaut und sollen bei der italienischen Luftwaffe außer Dienst gestellt werden.
Dem Deal müsste aber auch Brasilien zustimmen: Die Flugzeuge wurden damals von einem italienisch-brasilianischen Konsortium produziert.
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