Feb 23, 2023
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Industrienormen: Wie Deutschland die Verdrängung durch China bei der Standardisierung stoppen will

Written by Julian Olk


Franziska Brantner

Brantner sitzt dem neuen „Deutschen Strategieforum für Standardisierung“ vor.


(Foto: Photothek/Getty Images)

Berlin Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und ein wenig Hebräisch: Franziska Brantner (Grüne) spricht viereinhalb Sprachen. Doch die Staatssekretärin von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck kümmert sich jetzt um eine einheitliche Sprache für die Wirtschaft: Normen und Standards.

Brantner sitzt dem neuen „Deutschen Strategieforum für Standardisierung“ vor, das sich am Donnerstag zu seiner konstituierenden Sitzung trifft. 42 Mitglieder aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft gehören dem Gremium an, sie wurden für zwei Jahre ernannt.

Dabei sind unter anderem Volkswagen-Bereichsleiter und Ex-Forschungschef Ulrich Eichhorn, Tüv-Verbandspräsident Dirk Stenkamp, Klaus Hamacher, Vizechef des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), und Jutta Gurkmann aus dem Vorstand des Verbraucherzentralen-Bundesverbands.

Das Forum soll Strategien für Normen und Standards erarbeiten und die deutsche Perspektive auf das internationale Parkett bringen. „Normung und Standardisierung werden für Deutschland aus strategischer und wettbewerbspolitischer Sicht immer wichtiger“, sagte Brantner dem Handelsblatt.

Wer meint, bei Normen und Standards gehe es bloß um Stecker und Abmessungen von Druckerpapier, irrt. Das Feld ist wenig populär, aber in den Hinterzimmern der Entscheider längst zentral im Kampf um die Vorherrschaft auf den globalen Märkten geworden. Es geht um die Grundlagen des Internets, um Mobilfunkstandards, Künstliche Intelligenz und internationalen Klimaschutz.

Thema für deutsche Wirtschaft entscheidend

Gerade für die deutsche Wirtschaft ist das Thema entscheidend. Normen verschaffen den Unternehmen seit Jahrzehnten einen Wettbewerbsvorteil. Europäische und insbesondere deutsche Regeln sind vielfach internationaler Standard. Das macht den Deutschen das Geschäft einfach, weil die ausländischen Wettbewerber sich anpassen müssen.

Gesichtserkennung in China

Während Deutschland dominant in klassischen Bereichen wie dem Maschinenbau ist, hat sich die Volksrepublik eine starke Stellung bei Software und Künstlicher Intelligenz erarbeitet.



(Foto: Reuters)

Doch diese Vormachtstellung ist ins Wanken geraten. Allen voran China hat erkannt, welche Hebelwirkung Normen und Standards im geopolitischen Wirtschaftskampf haben. China will führend in der Normung werden und damit seinen Einfluss auf die Weltwirtschaft ausweiten.

Peking erobert zunehmend die internationalen Gremien, in denen die Wirtschaft sich auf die Normen einigt. In der Internationalen Organisation für Normung (ISO) wuchs die Zahl der chinesisch besetzten Sekretariate von sechs im Jahr 2000 auf 79 im Jahr 2019.

Brantner nimmt China bei der Standardisierung nicht explizit in den Mund. Die Staatssekretärin sagt aber: „Auch in anderen Teilen der Welt wird dieses wertvolle Instrument strategisch genutzt, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen.“

Die Zielbeschreibung der Grünen-Politikerin im neuen Forum lautet daher: „Wir müssen dieses Instrument selbst wieder stärker strategisch nutzen.“ Denn der entscheidende Unterschied zwischen Europa und China ist die Rolle des Staates.

Zurückhaltung bei dem Thema

Bislang hielt sich die hiesige Politik aus der Standardisierung möglichst heraus. Die meisten Standards werden von Unternehmen selbst ausgearbeitet und in Normungsorganisationen miteinander vereinbart. Das war bislang ein Wettbewerbsvorteil für die europäische Wirtschaft.

Sie kennt ihre Bedürfnisse am besten und kann so selbst entscheiden, welchen Stellenwert welche Festlegungen haben. Möglich war das dank der Vormachtstellung der Europäer in vielen Industriebereichen. Doch mit der Digitalisierung und dem Wandel zur Industrie 4.0 löst sich dieser Vorteil zunehmend auf.

Während Deutschland dominant in klassischen Bereichen wie dem Maschinenbau ist, hat sich die Volksrepublik eine starke Stellung bei Software und Künstlicher Intelligenz erarbeitet. Dabei setzt die Volksrepublik auf einen anderen Ansatz, versteht Normen und Standards als politisches Instrument.

Die Staatsführung ist viel mehr in den Prozessen involviert und lobt Prämien aus, um die Wirtschaft stärker auf Normen und Standards auszurichten. Außerdem verbreitet Peking durch seine Seidenstraßeninitiative eigene Normen in der ganzen Welt, was den Marktzugang für europäische Unternehmen erschwert.

>> Lesen Sie hier: EU stoppt Einfluss chinesischer Unternehmen auf europäische Normen

Die Europäer haben erkannt, dass sie darauf reagieren müssen. Beim Wettrennen um die Standards geht es auch um die Verteilung der nächsten Zukunftsmärkte nach der Digitalisierung, etwa grüner Wasserstoff oder Recycling von kritischen Rohstoffen.

Kursschwenk bei Standardisierungsstrategie

Vor einem Jahr hat die EU-Kommission ihre Standardisierungsstrategie vorgelegt. Und die beinhaltet einen deutlichen Kursschwenk. Künftig sollen im ganzen europäischen Standardisierungsprozess nur noch die nationalen Organisationen wie das Deutsche Institut für Normung (DIN) stimmberechtigt sein.

Die neue Ausrichtung will nun auch die Bundesregierung mit dem aufgesetzten Strategieforum widerspiegeln. Sibylle Gabler, Mitglied der DIN-Geschäftsleitung, sagt: „Die Hebelwirkung der Standardisierung wird dann entfaltet, wenn deutsche Expertinnen und Experten ihr Wissen in die europäische und internationale Normung einbringen.“

Das Forum soll identifizieren, an welchen Stellen es im Sinne des Standorts Deutschland Eingriffe bei Standards und Normen brauche. Gleichzeitig soll Deutschland über das Gremium mehr auf das neue europäische Vorgehen einwirken.

>> Lesen Sie hier: Russland stoppen als Abschreckung gegen China

Die privatwirtschaftlich organisierte Normung werde nicht infrage gestellt, sagt Staatssekretärin Brantner. Sie macht aber auch klar: „Es ist wichtig, rechtzeitig substanziell zum Prozess auf europäischem und internationalem Level beizutragen.“

Mehr: Wie abhängig ist die deutsche Wirtschaft tatsächlich von China



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