Feb 23, 2023
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Umbau der Industrie: Studie: Klimaschutz-Subventionen verhindern Wertschöpfungsverluste in dreistelliger Milliardenhöhe

Written by Klaus Stratmann

Berlin Der klimaneutrale Umbau der energieintensiven Branchen Stahl, Grundstoffchemie und Zement sollte durch eine gezieltere staatliche Unterstützung vorangetrieben werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Ökonomische Evaluation klimapolitischer Instrumente“ der Bertelsmann-Stiftung, die dem Handelsblatt vorliegt. Außerdem sei es geboten, „dass Deutschland in der Transformation einen Gang hochschaltet – zur Erreichung der Klimaziele, aber auch zur Erhaltung der heimischen Wettbewerbsfähigkeit“.

Die Studie ist das Ergebnis knapp einjähriger Arbeit. Sie beleuchtet, mit welchen Instrumenten die Branchen Stahl, Grundstoffchemie und Zement ihren CO2-Aussstoß auf null reduzieren können (Dekarbonisierung), und berücksichtigt dabei Input aus dem Bundeswirtschaftsministerium und aus den betroffenen Branchen.

Marcus Wortmann von der Bertelsmann-Stiftung macht deutlich, dass es kein Modell zur Unterstützung der Transformation gibt, das pauschal für die gesamte Grundstoffindustrie passen würde: „Es sind branchenspezifische Lösungen erforderlich. Instrumente wie Klimaschutzverträge, ein CO2-Grenzausgleich und kostenlose Zertifikate im Emissionshandel müssen in einer an die Bedingungen der Branche angepassten Weise kombiniert werden“, sagt Wortmann.

Unter den drei Branchen besteht besonders in der Stahlindustrie großer Handlungsbedarf. Die Stahlunternehmen müssen ihre Produktion auf wasserstoffbasierte Verfahren umstellen. Das erfordert massive Investitionen.

Wertschöpfungsgewinn von 220 Milliarden Euro

Zugleich wurden zuletzt die Bedingungen des europäischen Emissionshandels deutlich verschärft. Der Emissionshandel verpflichtet die Industrie, für die Emission jeder Tonne CO2 ein Zertifikat zu kaufen. Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, erhalten einen Teil der Zertifikate kostenlos zugeteilt. Allerdings wird die kostenlose Zuteilung von Jahr zu Jahr reduziert. Im Gegenzug wird ein CO2-Grenzausgleich eingeführt, der die europäischen Unternehmen vor Stahlimporten aus Regionen schützen soll, die geringere CO2-Kosten haben.

Wortmanns Resümee mit Blick auf die Branche: „In der Stahlproduktion sind die Probleme am größten. Zugleich drängt die Zeit. Die Unternehmen brauchen kurzfristig verlässliche Regelungen.“ Die Branche sei gegenüber ihren außereuropäischen Wettbewerbern schon heute stark belastet.

Durch eine Kombination aus Subventionen, etwa in Form von Klimaschutzverträgen, und CO2-Grenzausgleich lässt sich in der Stahlbranche der Studie zufolge eine deutliche CO2-Einsparung erkaufen, während zugleich der Technikwechsel vorgezogen werde. Gegenüber dem reinen Verringern der Zuteilung kostenloser Emissionszertifikate beträgt der kumulierte Wertschöpfungsgewinn demnach 220 Milliarden Euro.

Unter den Instrumenten, die der Industrie die Transformation ermöglichen sollen, haben für das Bundeswirtschaftsministerium insbesondere Klimaschutzverträge einen hohen Stellenwert. Die Klimaschutzverträge sollen die Mehrkosten ausgleichen, die den Unternehmen durch eine klimafreundlichere Produktion entstehen. Die ersten Klimaschutzverträge sollen nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums in diesem Jahr unterzeichnet werden.

Wirtschaftsministerium setzt auf Klimaschutzverträge

Im Dezember vergangenen Jahres hatte das Ministerium den Entwurf einer Förderrichtlinie veröffentlicht und dazu Verbände, Bundesländer sowie Fachleute konsultiert. Auf dieser Basis wurde die Förderrichtlinie überarbeitet. Sie soll nach Angaben des Ministeriums „bald mit den anderen Ressorts final abgestimmt“ sein. Ziel sei es, dass die Förderrichtlinie im ersten Halbjahr 2023 in Kraft trete und dann „zeitnah die Ausschreibungen von Klimaschutzverträgen erfolgen werden“. Das beihilferechtliche Genehmigungsverfahren bei der EU-Kommission wurde bereits eingeleitet.

Im Bundeshaushalt 2023 stehen für die Klimaschutzverträge gemeinsam mit dem Förderprogramm Dekarbonisierung der Industrie über 2,2 Milliarden Euro bereit. Darüber hinaus sind für die Finanzierung beider Vorhaben Mittel in Höhe von aktuell bis zu 68 Milliarden Euro für die Jahre bis 2040 in Form sogenannter „Verpflichtungsermächtigungen“ vorgesehen.

Auch die Grundstoffchemie muss Milliarden investieren, um den Weg zur Klimaneutralität zu bewältigen. Der Technikwechsel erfordert den Austausch eines Drittels des bestehenden Kapitalstocks und sorgt für einen höheren Stromverbrauch.

Bei einer optimalen Kombination eines CO2-Grenzausgleichs mit Investitionskostenzuschüssen und einem Ausgleich der höheren Betriebskosten würden dem Fiskus der Studie zufolge bis 2042 Kosten in Höhe von zehn Milliarden Euro entstehen. Gleichzeitig würde der CO2-Grenzausgleich Einnahmen von 1,4 Milliarden Euro bringen.

Durch den Einsatz dieses Instrumentenbündels könne der Ausstoß von 126 Millionen Tonnen CO2 gegenüber der reinen Kürzung der freien Zuteilung von CO2-Zertifikaten verhindert werden. Zugleich könnten 99 Milliarden Euro an Wertschöpfung in der Basischemie gesichert werden, heißt es in der Studie.

„Subventionen lohnen sich aus strategischen Gründen“

Für die Zementindustrie sieht die Lage anders aus. Sie ist nicht dem gleichen globalen Wettbewerbsdruck ausgesetzt wie die anderen beiden Branchen. Ihre Produktion im Inland dient überwiegend als Vorleistung für die Baubranche, die Handelsintensität ist gering. Für die Klimaneutralität der Zementbranche seien in erster Linie Anlagen zur Abscheidung und Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Storage, kurz CCS) von zentraler Bedeutung, schreiben die Autoren.

Eine staatliche Subventionierung würde eine emissionsfreie Zementproduktion demnach ab Ende 2031 möglich machen und damit um fünf Jahre beschleunigen. „Der frühere Technikwechsel würde den Staat etwa drei Milliarden Euro kosten“, schreiben die Autoren. Der Studie zufolge könnten durch die Subvention 3,1 Milliarden Euro an Wertschöpfung gesichert werden, die im Falle einer bloßen Reduktion der Gratiszertifikate in Deutschland verloren gingen.

Nach Überzeugung Wortmanns wären die Milliarden für die drei Branchen gut investiert: „Es lohnt sich aus strategischen Gründen, die Grundstoffindustrie in Deutschland und Europa zu erhalten. Der Erhalt der Grundstoffindustrie stärkt die Resilienz, sichert Wertschöpfungsketten und kann ein Erfolgsmodell für den Klimaschutz werden.“

Mehr: Wie Habeck die Photovoltaik-Industrie wiederbeleben will



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