Berlin Ein Positionspapier des Verbands der Elektrotechnik (VDE) zu Balkon-Solaranlagen hat in der Branche für Aufregung gesorgt. Kurz nach der Veröffentlichung kamen die ersten begeisterten Kommentare, etwa von der Öko-Energiegenossenschaft „Green Planet Energy“: Das sei ein „echter Durchbruch“ für die Photovoltaik-Anlagen, die auch als Balkon-Kraftwerke oder Stecker-PV-Anlagen beworben werden.
Unter Bezug auf das Positionspapier bewerben Unternehmen bereits Geräte, die den neuen Standards entsprechen, die der VDE vorschlägt.
Doch Verbraucherschützer warnen: „Ich kann Verbraucherinnen und Verbrauchern nur raten, mit Blick auf die sich abzeichnenden Änderungen bei der Stecker-PV vorsichtig zu sein. Das sind bislang lediglich Vorschläge des VDE“, sagt Jörg Sutter, Photovoltaik-Experte bei der Verbraucherzentrale NRW. „Wir sehen es sehr kritisch, wenn Hersteller jetzt schon mit den geplanten Änderungen werben. Das ist verfrüht.“
War die Euphorie in der Branche also verfrüht? Der VDE, zuständig für die Normung von elektrotechnischen Geräten, will der Balkon-Photovoltaik den Weg ebnen und schlägt daher vor, diverse Hemmnisse für Balkon-Solaranlagen abzuräumen. So sollen Balkon-Kraftwerke künftig mit einer Leistung von bis zu 800 Watt an das Hausnetz angeschlossen werden dürfen. Bislang galt eine Obergrenze von 600 Watt.
Geduldet werden sollen für den Anschluss der Geräte an das heimische Stromnetz auch herkömmliche Schuko-Steckdosen. Der VDE wolle nicht mehr darauf beharren, sogenannte Wieland-Steckdosen zu verwenden, heißt es in dem Positionspapier. Wieland-Steckdosen müssen von Fachleuten montiert werden und kosten so extra Geld.
Balkonkraftwerk: VDE spricht sich für Erleichterungen für die Balkon-Solaranlage aus
Der VDE will künftig den Betrieb über jeden Stromzähler-Typ erlauben, also selbst an Zählern, die sich rückwärts drehen, wenn gerade mehr Strom ins Hausnetz eingespeist als verbraucht wird. Außerdem soll es eine weitere Erleichterung in Form einer vereinfachten Anmeldung geben. Sie soll nur noch bei der Bundesnetzagentur erforderlich sein, nicht mehr beim örtlichen Verteilnetzbetreiber.
Doch bis aus diesen Ankündigungen Realität wird, kann noch Zeit ins Land gehen. „Es müssen noch Gesetze und Verordnungen geändert werden, ehe die Änderungen tatsächlich gelten. Das kann noch Monate dauern“, sagt Verbraucherschützer Sutter. „Im ungünstigsten Fall werden die Änderungen scheibenweise vollzogen, was zu Übergangsphasen mit unklarer Rechtslage führt“, ergänzt er.
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Alexander Nollau vom VDE bestätigt Sutters Bewertung: „Die Vorschläge aus dem VDE-Positionspapier überschreiben geltende Regeln, Verordnungen und Gesetze natürlich nicht. Sie zeigen lediglich auf, welche Schritte wir für sinnvoll halten.“ Viele Dinge seien regulatorisch noch nicht geklärt. „Wir sind gerade dabei, uns mit der Bundesnetzagentur und dem Bundeswirtschaftsministerium abzustimmen.“
Insbesondere der Zähler-Rückwärtslauf ist nach Einschätzung von Nollau ein schwieriges Thema. In dieser Frage bedürfe es erst noch der Änderung von Gesetzen und Verordnungen. Im Moment ist es noch so, dass Zähler eine Rückwärtslaufsperre haben müssen, wenn eine Balkon-PV-Anlage angeschlossen wird.
Balkon-Kraftwerke sollen dazu beitragen, die Energiewende in die Innenstädte zu tragen. Meist handelt es sich um ein bis zwei Photovoltaikmodule, die sich senkrecht ans Balkongeländer hängen lassen. Die Leistungsobergrenze von derzeit 600 Watt definiert der Wechselrichter, der fester Bestandteil der Anlagen ist.
Balkon-Solaranlage spart bis zu 160 Euro pro Jahr
Am besten funktionieren die Anlagen bei Südausrichtung des Balkons und wenig bis komplett fehlender Verschattung. Sie kosten inklusive Wechselrichter und Anschlussmaterial in der Regel zwischen 500 und 1000 Euro. Laut HTW Berlin produziert ein einzelnes Modul mit einer Leistung von 300 Watt, das senkrecht an einem Südbalkon angebracht ist, im Jahr knapp 200 Kilowattstunden Strom.
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Ein 600-Watt-Balkonkraftwerk dürfte folglich etwa 400 Kilowattstunden Strom jährlich liefern. Bei einem Preis von 40 Cent je Kilowattstunde Strom reduziert das 600-Watt-Kraftwerk die Stromrechnung also theoretisch um 160 Euro pro Jahr.
Voraussetzung dafür ist allerdings, dass zu jeder Zeit, in der das Balkon-Kraftwerk Strom produziert, im betreffenden Haushalt auch Strom verbraucht wird. Überschüssiger Strom geht sonst ungenutzt ins örtliche Netz. Theoretisch lässt sich das mit einer Batterie als Pufferspeicher verhindern, doch die Kosten dafür erhöhen den Preis für ein Balkon-Kraftwerk deutlich.
Außerdem sind Mieter und Wohnungseigentümer gut beraten, wenn sie sich ihre Pläne für die Installation einer Balkon-PV-Anlage vom Vermieter, von der Hausverwaltung oder von der Hauseigentümergemeinschaft absegnen lassen.
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