Tokio Der neue Toyota-Chef Koji Sato hat seine Mitarbeiter schon vor offiziellem Amtsantritt glücklich gemacht. Ungewöhnlich früh beendete der weltgrößte Autobauer diese Woche die Tarifverhandlungen und akzeptierte die Lohnforderungen der Betriebsgewerkschaft in vollem Umfang.
Wie stark die Gehälter genau steigen, verriet der Konzern nicht. Doch die Toyota-Gewerkschaft feierte den Erfolg als größte Lohnerhöhung seit 20 Jahren.
Sato, der erst ab dem 1. April offiziell Toyota-CEO ist, sieht sich damit als Trendsetter für die diesjährige Lohnrunde der japanischen Konzerne. „Wir haben beschlossen, jetzt zu reagieren, und hoffen, dass die Verhandlungen in der gesamten Industrie vorankommen“, sagte er am Mittwoch. Tatsächlich ist Toyota mit der offenbar kräftigen Gehaltserhöhung nicht allein.
In Japan sind die Reallöhne seit Mitte der 1990er-Jahre nahezu gleich geblieben. Doch unter dem Druck der Inflation, die in Japan ebenfalls traditionell niedrig war und zuletzt auf vier Prozent stieg, verabschieden sich immer mehr Unternehmen von ihrer zurückhaltenden Lohnpolitik.
Toyotas Lokalrivale Honda will die Gehälter um fünf Prozent erhöhen, für neu eingestellte Mitarbeiter sogar um zehn Prozent. Der Videospielriese Nintendo verspricht zehn Prozent mehr Grundgehalt. Und der weltgrößte Elektromotorenhersteller Nidec denkt darüber nach, die Gehälter bis 2025 um 30 Prozent anzuheben.
Designierter Notenbankchef Ueda muss sich dem Parlament stellen
Damit wachsen die Reallöhne für viele Beschäftigte der Großkonzerne erstmals wieder spürbar. Das allein wäre in Japan schon Schlagzeilen wert. Mit besonderer Spannung wird das Ergebnis der Lohnrunde aber auch deshalb erwartet, weil es Auswirkungen auf die Geldpolitik des designierten Notenbankchefs Kazuo Ueda haben wird.
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Am Freitag wird sich der Wirtschaftsprofessor im Parlament den Fragen der Abgeordneten stellen. Die große Frage ist, ob er nach seinem Amtsantritt im April Japans Negativzinspolitik beenden wird. Stefan Angrick, Volkswirt bei Moody’s Analytics in Tokio, erwartet, „dass die neue Führung der Bank betonen wird, dass eine echte Zinserhöhung – auch des kurzfristigen Leitzinses – weiterhin von einem stärkeren Lohnwachstum und einer höheren Nachfrage abhängt“.
Der amtierende Notenbankchef Haruhiko Kuroda hatte zuvor erklärt, dass ein Lohnwachstum von drei Prozent notwendig sei, um das Inflationsziel von zwei Prozent dauerhaft zu erreichen. Die Bank von Japan ermunterte daher sogar die Gewerkschaften seit Jahren, endlich höhere Forderungen zu stellen.
Selbst konservative Regierungschefs forderten die Manager profitabler Unternehmen auf, die Löhne stärker anzuheben, um die Binnennachfrage anzukurbeln. Regierungschef Fumio Kishida ist da keine Ausnahme. Im Januar versprach er Arbeitsmarktreformen, um die Basis für nachhaltige Lohnerhöhungen und mehr Wirtschaftswachstum aufzubauen. „Zuallererst müssen Lohnerhöhungen erreicht werden, die über dem Preisanstieg liegen“, sagte Kishida.
Doch obwohl die Bevölkerung immer rascher schrumpft und der Arbeitskräftemangel wächst, taten die Unternehmen weniger als politisch gewünscht. Das ändert sich nun. Dieses Jahr könnten die Lohnerhöhungen sogar über dem offiziellen Ziel liegen, prognostiziert Kentaro Koyama, Volkswirt der Deutschen Bank in Japan. „Wir bleiben bei unserer Prognose, dass sie bei 3,5 Prozent liegen werden und damit deutlich über dem Marktkonsens von unter drei Prozent“, schrieb er diese Woche in einem Bericht.
Wegen der steigenden Lebensmittelpreise und des „sich beschleunigenden Lohnwachstums“ hebt er seine Inflationsprognose an. Anders als die Zentralbank rechnet Koyama nicht mehr damit, dass die Kerninflationsrate ohne die volatilen Energiepreise bis zum Jahresende unter das Inflationsziel von zwei Prozent fallen wird. Diese Aussicht war aber bisher ein Argument der Notenbank, die Zinsen im Gegensatz zu vielen Zentralbanken der Industrieländer nicht zu erhöhen.
Der große Unsicherheitsfaktor bleiben die kleinen und mittleren Unternehmen, die rund 70 Prozent der Arbeitsplätze stellen. Sie tragen die Hauptlast der Inflation und des zunehmenden Arbeitskräftemangels und haben daher weniger Puffer als die Konzerne, die nach Jahren hoher Gewinne Rekordreserven angehäuft haben.
Rund 60 Prozent der Unternehmen zahlen keine Körperschaftsteuer, weil sie offiziell keine Gewinne machen. Kein Wunder also, dass in einer Umfrage des Lebensversicherers Daido Life Ende 2022 nur 34 Prozent von 9000 befragten Mittelständlern angaben, die Löhne erhöhen zu wollen. Nur 15 Prozent waren bereit, mehr als vier Prozent über der Inflationsrate zu zahlen.
Der Vorstoß von Toyota könnte vielleicht noch einige Firmenchefs dazu bewegen, mehr zu zahlen. Denn dem Autobauer wird in Japan allgemein eine große Signalwirkung zugeschrieben.
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