Feb 23, 2023
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Treffen mit Modi: Scholz und Lindner reisen zu einem schwierigen Partner

Written by Martin Greive

Bangalore, Berlin Mit einer knappen Bemerkung hat es Olaf Scholz geschafft, in Neu-Delhi schon vor seiner ersten Indienreise für gute Laune beim Gastgeber zu sorgen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz gab der Bundeskanzler ein Zitat von Indiens Außenminister Subrahmanyam Jaishankar wieder. Demnach könne Europa seine Probleme nicht dem Rest der Welt aufdrücken, wenn Europa gleichzeitig die Probleme im Rest der Welt nicht für die seinen halte.

„An dem Satz ist etwas dran“, sagte Scholz. Er gab sich damit kurz vor seinem zweitägigen Besuch in dem Land mit 1,4 Milliarden Einwohnern als Indienversteher. Damit sorgte Scholz direkt für positive Schlagzeilen in der indischen Presse.

Am Samstag kommt der Kanzler in Neu-Delhi an, um Premierminister Narendra Modi zu treffen. Der machte es dem Westen in den vergangenen zwölf Monaten nicht gerade leicht. Zwar sucht Indien die Nähe der Europäer und Amerikaner, wenn es um Unterstützung im Konflikt mit China geht. Mit Blick auf den Ukrainekrieg kann sich Modi aber auch ein Jahr nach dem russischen Einmarsch nicht zu einer klaren Verurteilung Russlands durchringen.

Stattdessen baut Indien seine Geschäfte mit Russland massiv aus. Während der Westen versucht, Russlands Einnahmen im Energiegeschäft zu kappen, steht Indien neben China als neuer Hauptabnehmer für russisches Öl bereit. Die Preisnachlässe, die indische Raffinerien dabei erhalten, ließen die Einfuhren aus Russland im Januar auf ein Rekordhoch steigen.

Indien begründet die Einfuhren mit seiner Verpflichtung, die eigene Bevölkerung mit bezahlbarer Energie zu versorgen. Westliche Regierungen scheinen inzwischen akzeptiert zu haben, dass Russland mithilfe Indiens neue Erlösquellen erschließen kann.

Gute Beziehungen scheinen wichtiger als Indiens Verbindung zu Russland

Die USA haben bereits deutlich gemacht, dass sie keine Sekundärsanktionen gegen Indiens Ölimporte planen. Die größte Demokratie der Welt bezieht zudem auch den Großteil ihrer Rüstungsgüter aus Russland.

Treffen im Mai 2022

Beim Besuch in Berlin hatte Scholz Modi bereits umgarnt.



(Foto: dpa)

In Neu-Delhi wird nicht erwartet, dass Kanzler Scholz gegen Indiens Geschäftsbeziehungen mit Russland Position beziehen wird. Gute Beziehungen zu der aufstrebenden Macht in Südasien erscheinen derzeit wichtiger. So gilt Indien als unverzichtbarer Verbündeter, um Deutschlands wirtschaftliche Abhängigkeit von China zu reduzieren.

Deshalb wird Scholz auf seiner Reise von einer hochrangigen zwölfköpfigen Wirtschaftsdelegation begleitet, unter anderem sitzen die CEOs von Siemens und SAP in der Kanzlermaschine, berichten indische Medien nach einem Briefing mit dem deutschen Botschafter.

Indien sei für Deutschland ein „Schlüsselstaat“, heißt es in Regierungskreisen. Der Kanzler glaube nicht daran, dass die beiden Weltmächte USA und China sich die Welt im 21. Jahrhundert aufteilen werden. Die Zukunft werde multipolar sein, mit großen und erfolgreichen Nationen in Afrika und Asien.

>> Lesen Sie hier: Habeck will Umgehung von Russland-Sanktionen erschweren

Und zu diesen Nationen zähle Indien, lautet die Überzeugung im Kanzleramt. Indien dürfte in diesem Jahr China als bevölkerungsreichstes Land der Welt ablösen und hat in Rekordzeit den Sprung vom Agrar- zum Serviceland geschafft. Damit ist es zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt aufgestiegen.

Der Charme des Olaf Scholz

Diese Entwicklung würdigt auch der Kanzler, kaum einen anderen Regierungschef hat Scholz bisher so häufig getroffen wie Indiens Premier Modi. So war Indien eines der fünf Partnerländer, die Scholz Ende Juni vergangenen Jahres zum G7-Gipfel auf Schloss Elmau einlud. Bereits gut zwei Monate zuvor hatte Scholz Modi in Berlin empfangen, der Händedruck der beiden wollte damals gar nicht mehr enden.

Und diese Umgarnung zeigte auch Wirkung: Auf dem G20-Gipfel im November auf Bali spielte Indien aus Sicht der Bundesregierung eine sehr konstruktive Rolle. Die Erklärung der Staats- und Regierungschefs gegenüber Russland fiel überraschend kritisch aus, auch dank des Einsatzes von Modi und seinen Leuten. Doch gilt diese Position immer noch? Oder ist Indien des Konflikts zunehmend überdrüssig?

Finanzminister Christian Lindner (FDP) kann die Stimmungslage ergründen. Er ist bereits am Donnerstag nach Bangalore geflogen, wo er seine Kollegen aus den größten Industrie- und Schwellenländern (G20) trifft.

Der Westen ist auf Indien angewiesen – wegen China und weil es einen potenziell riesigen Absatzmarkt bietet. Jayati Ghosh, indische Ökonomieprofessorin

Auch das Finanzministertreffen wird vom Ukrainekrieg dominiert. Das gilt zumindest für Lindner und die anderen Kollegen aus den westlichen Industriestaaten (G7). Die indische Regierung will hingegen so wenig wie möglich über den Krieg in Europa sprechen. Das G20-Treffen diene nicht dazu, Sanktionen gegen Russland zu diskutieren, machten indische Unterhändler schon vor Beginn klar.

Vor dem G20-Finanzministertreffen betonen indische Regierungsvertreter auffällig deutlich, dass die westlichen Sanktionen gegen Russland der Weltwirtschaft schaden würden. Wie unterschiedlich die Perspektiven auf den Ukrainekrieg sind, zeigt auch eine aktuelle globale Umfrage der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR).

54 Prozent aller befragten Inder, und damit so viele Befragte wie in keiner anderen Region der Welt, sind der Meinung, die Ukraine müsse notfalls Gebiete an Russland abtreten, um Frieden zu schließen. 51 Prozent sehen in Russland einen „Verbündeten, der unsere Interessen und Werte teilt“.

>> Lesen Sie hier: So hoch sind die Kriegskosten für die Ukraine und den Rest der Welt

Scholz gibt sich nicht der Illusion hin, Indien schnell auf die Seite des Westens ziehen zu können. Der Kanzler werbe für seine Sichtweise zum Ukrainekrieg, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Man werde aber von Indien auf der Reise nicht verlangen können, sich auf die Seite des Westens zu schlagen, hieß es in Regierungskreisen. Wer das tue, mache alle diplomatischen Erfolge zunichte.

Hohe Investitionshürden

Dass die G20-Staaten bei der Verurteilung des Kriegs weiterhin gespalten sind, zeigte sich auch in Bangalore. Noch vor dem eigentlichen Treffen beschlossen die G7-Finanzminister ein eigenes Kommuniqué, in dem sie Russland verurteilten und der Ukraine weitere Unterstützung zusagten.

Wenn Lindner wieder abreist, wird Scholz weiter nach Bangalore fliegen, um Unternehmen zu besuchen. Bei den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Indien gebe es ein „riesiges Potenzial“, sagt ein hochrangiger deutscher Regierungsvertreter. Modis Kabinett hatte sich bei Amtsantritt als „wirtschaftsfreundlich“ bezeichnet und hofft jetzt, davon zu profitieren, dass deutsche Unternehmen ihre Abhängigkeit von China reduzieren und sich breiter aufstellen wollen.

Es sieht jedoch nicht danach aus, als ob Indien so schnell das „neue China“ werden könnte, wie eine aktuelle Umfrage der Außenhandelskammer in Indien zeigt. Fast 70 Prozent der befragten Manager gaben an, dort derzeit nicht investieren zu wollen. Auch fast ein Viertel der befragten Manager vor Ort will aufgrund der „Barrieren in Indien“ kein weiteres Geld in die Hand nehmen.

Ein zentrales Problem: die grassierende Bürokratie. Scholz wird deshalb in Indien für ein Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU werben. Im Vorjahr hatte es einen Neustart der zuvor schleppenden Verhandlungen gegeben.

Nicht groß ansprechen dürfte Scholz dagegen die Demokratiedefizite in Indien. Nichtregierungsorganisation und Journalisten beklagen, regelmäßig von der Regierung unter Druck gesetzt zu werden. „Der Westen ist auf Indien angewiesen – wegen China und weil es einen potenziell riesigen Absatzmarkt bietet“, sagt die indische Ökonomieprofessorin Jayati Ghosh.

Die indische Regierung sei sich darüber im Klaren. „Sie weiß, dass man ihr beim Thema Menschenrechte alles durchgehen lässt.“

Mehr: Finanzaufsicht Bafin schaltet sich nach Milliarden-Absturz bei indischem Konzern ein



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