Wien Der Krieg in der Ukraine ist in eine undurchschaubare Phase getreten. Eine Beruhigung ist nicht absehbar, die heftigen Kämpfe gehen weiter. Vor allem im Donbass fordern die Gefechte täglich viele Tote. Unter prekären Bedingungen harren die Ukrainer in der Stadt Bachmut aus, ihre Nachschubwege geraten immer stärker unter Beschuss.
Weiter südlich, in Wuhledar, reiben sich die Russen in bisher ergebnislosen Angriffen auf, die einigen ihrer am besten ausgebildeten Einheiten große Verluste bescheren. Im nördlichen Donbass, bei Kreminna, sind den Truppen Moskaus zwar taktische Geländegewinne gelungen. Doch die Frontlinien verschieben sich kaum.
Entsprechend schwer tun sich Beobachter damit, das Geschehen auf dem Schlachtfeld zu definieren. Noch ist die Frage offen, ob die bisher lokal begrenzten russischen Angriffe bereits Teil der erwarteten und gefürchteten Offensive sind. Möglich ist auch, dass Moskau angesichts der logistischen Probleme und der riesigen Verluste in den zwölf Kriegsmonaten zu einer solchen Offensive nicht mehr fähig ist.
Für die Ukrainer bleibt die Sicherheitslage dennoch angespannt. Das zeigen die erneuten Drohnenangriffe und die Stromausfälle in Odessa am Montag. An den Fronten wird nicht nur im Donbass täglich geschossen, sondern auch entlang der Grenze zu Russland.
Die Ukrainer setzen primär auf Nadelstiche, weil sie ihre Kräfte über große Gebiete verteilen müssen. Am Sonntag kam es auf dem belarussischen Militärflugplatz Matschulischtschi zu einem Drohnenangriff, bei dem offenbar auch ein modernes russisches Spionageflugzeug beschädigt wurde. Russische Nationalisten wähnen Kiew hinter der Attacke, aber auch weißrussische „Partisanen“ haben die Tat für sich reklamiert.
Im von Russland kontrollierten Südosten der Ukraine explodierten in den vergangenen Tagen zudem laut dem britischen Geheimdienst mehr als ein Dutzend Munitions- und Treibstofflager – auch in Mariupol, das bisher außerhalb der Reichweite der vom Westen gelieferten Artillerie lag. Durch diesen größeren Aktionsradius der Ukraine sind auch Moskaus Optionen begrenzt, Verstärkungen in Frontnähe zu bringen.
Am Wochenende gab der stellvertretende Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes Einblicke in mögliche Offensivpläne: „Wir versuchen, einen Keil in die russische Front zu treiben – zwischen der Krim und dem russischen Festland“, sagte Wadim Skibizki den Zeitungen der Funke-Gruppe.
Ukraine Armee braucht westliche Panzer für Gegenoffensive
Die Vorteile eines Vorstoßes durch die Region Saporischja diskutieren Experten seit Monaten, dort käme ein Angriff für Moskau nicht überraschend. Es ist deshalb auch möglich, dass dieser an ganz anderer Stelle erfolgt. Ukrainische Militärs machen jedoch auch klar, dass eine Gegenoffensive ohne die baldige Lieferung moderner westlicher Panzer undenkbar ist.
Zu dieser Abhängigkeit kommen innenpolitische Turbulenzen hinzu. So entließ Präsident Wolodimir Selenski als Folge des Skandals um mutmaßliche Bereicherung bei überteuerten Lebensmittellieferungen an die Armee eine Reihe von hohen Funktionären im Verteidigungsministerium und in der Nationalgarde.
Am Wochenende verlor auch Generalmajor Eduard Moskaljow seine Aufgabe als Kommandant der Truppen im Donbass. Eine Begründung für die Entlassung nannte Selenski nicht. Ein Zusammenhang mit der schwierigen Lage in Bachmut liegt nahe. Militärisch wäre es keine Katastrophe, die Stadt zu verlieren, politisch ist sie jedoch längst zu einem zentralen Symbol des Widerstands gegen Russland geworden.
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