Berlin. Das Deutschlandticket wird mindestens eine halbe Milliarde Euro mehr kosten als bislang geplant. Grund dafür ist das gemeinsame Ziel von Bund und Ländern, auch Studenten ein entsprechendes Ticket anzubieten.
Bund und Länder wollen zum 1. Mai das sogenannte „Deutschlandticket“ für 49 Euro im Monat einführen. Bislang haben sie dafür pro Jahr jeweils 1,5 Milliarden Euro zugesagt, um die erwarteten Einnahmeausfälle bei den Verkehrsunternehmen auszugleichen.
Auch haben sie eine Regelung, um bestehende Jobtickets durch das bundesweit im Nah- und Regionalverkehr geltende Deutschlandticket zu ersetzen. Für die an Hochschulen geltenden Semestertickets der fast drei Millionen Studenten aber fehlt eine Vereinbarung. Bund und Länder haben bisher nur beschlossen, „möglichst schnell eine bundesweite Regelung über einen Solidarbeitrag“ finden zu wollen.
Am Montagabend tagte erstmals ein Bund-Länder-Koordinierungsrat mit Vertretern des Bundesverkehrs- und Bundesfinanzministeriums sowie der Landesverkehrsministerien. Sie sollen die letzten Details klären, damit das Ticket ab Mai bundesweit im Nah- und Regionalverkehr gelten kann. „Das Semesterticket ist neben der noch ausstehenden Genehmigung durch die EU-Kommission die letzte große Baustelle“, hieß es von Teilnehmern.
In der Runde wurde schnell klar: Die Regelung wird kompliziert – und teuer. Bund und Länder diskutieren derzeit, einen Rabatt von etwa 15 Euro auf das 49 Euro-Ticket zu gewähren, um die Studenten zum Wechsel vom Semesterticket auf das neue Angebot zu bewegen. Dies würde jedoch bei den Verkehrsunternehmen ein zusätzliches Minus von bis zu einer halben Milliarde Euro bedeuten. Studenten zahlen derzeit zwischen 22 und 40 Euro im Monat für ihr Semesterticket.
Wer schließt die Lücke?
Offen ist unter anderem, wer die Lücke schließt. Bislang hat sich der Bund nur für das laufende Jahr verpflichtet, notfalls mehr als die vereinbarten 1,5 Milliarden Euro zuzuschießen. Das entsprechende Regionalisierungsgesetz berät derzeit der Bundestag.
Zahl des Tages
29
Euro-Ticket
fordern Studentenvertreter.
Ebenfalls 1,5 Milliarden Euro haben die Länder zugesichert. Sie fordern aber im laufenden Gesetzgebungsverfahren, dass der Bund sich in Zukunft an möglichen Einnahmeausfällen wie bei einem Studentenrabatt beteiligt. „Ohne den Bund geht es nicht“, erklärten Ländervertreter am Montag.
Das sehen auch die kommunalen Spitzenverbände so. Bei der Anhörung zum Gesetz im Verkehrsausschuss des Bundestags erklärten sie: „Mit dem Gesetzentwurf wird eine dauerhafte Ausfinanzierung des Deutschlandtickets nicht gewährleistet.“
Etwaige Mehrkosten ab 2024 müssten die Verkehrsunternehmen und kommunalen Aufgabenträger allein tragen. Dies sei „ein unhaltbarer Zustand“, da Tarifänderungen wie bei den Studententickets „nur mit erheblichen Problemen für die Tarifgeber und die Fahrgäste zurückgedreht werden können“. Ihnen bliebe dann nur, die Ticketpreise zu erhöhen.
Neben der Finanzierung bereitet auch eine bundesweit gültige Regelung für alle Studenten Probleme. Mengenrabattverträge für Semestertickets handeln die lokalen Studentenwerke oder Studentenvertretungen mit den jeweiligen Verkehrsverbünden sowie -unternehmen aus.
>> Lesen Sie hier: 49-Euro-Ticket soll zum 1. Mai kommen – Einigung bei Jobticket
Die meisten Studenten müssen sich im Anschluss per Solidarbeitrag über ihren Semesterbeitrag das Ticket kaufen. Wollen die Vertretungen die bisherige Solidarpraxis durch eine Regelung zum Deutschlandticket ersetzen, müssen sie Urabstimmungen unter den knapp drei Millionen Studenten abhalten. Und da drohen Probleme. „Wir haben die Sorge, dass die Solidarmodelle aufgekündigt werden“, hieß es in Kreisen des Bund-Länder-Koordinierungsrates.
Semestertickets könnten vor Gericht scheitern
Sabine Giese, Sprecherin der Konferenz Sächsischer Studierendenschaften, sagte: „Bei den Verhandlungen ist die Angst groß, dass durch das 49-Euro-Ticket das bestehende Semesterticket im Solidarmodell nicht mehr rechtlich zu rechtfertigen ist.“ In der Tat gab es schon Gerichtsurteile, nach denen ein verpflichtendes Semesterticket nur unter bestimmten Bedingungen zu rechtfertigen ist.
Für die an Hochschulen geltenden Semestertickets für die fast drei Millionen Studenten fehlt eine Vereinbarung.
„Wenn die Preisdifferenz zum 49-Euro-Ticket nicht deutlich genug ausfällt, kann es zu Klagen kommen gegen die Semestertickets, und wenn die Semestertickets gerichtlich gekippt würden, stünden im schlimmsten Fall die Studierenden vor der Wahl: 49-Euro-Ticket oder gar kein vergünstigter Nahverkehr“, warnte Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks. Er fordert einen „Preisdeckel“.
Die Studentenvertreter fordern ein 29-Euro-Ticket. „Es muss dringend ein günstigeres Bildungsticket her, damit auch wir Studierenden ein bezahlbares und bundesweit gültiges Ticket zum Einheitspreis bekommen“, forderte Carlotta Eklöh vom Vorstand des Asten-Dachverbandes FZS. Die Finanzlücke beim Deutschlandticket würde so auf bis zu einer Milliarde Euro anwachsen.
Spätestens bis zum Wintersemester wollen die Länder eine Lösung mit dem Bund finden. Als mögliche Blaupause gilt die Vereinbarung zum Jobticket, auf die sich Bund und Länder nach langen Verhandlungen Ende Januar verständigt hatten: Demnach erhalten Unternehmen einen Rabatt von fünf Prozent auf den Ticketpreis, wenn sie zugleich ihren Mitarbeitern zusagen, mindestens ein Viertel des Preises zu übernehmen. So würden die Beschäftigten höchstens 34,05 Euro im Monat zahlen.
>> Lesen Sie hier: Wird das Deutschlandticket bereits 2024 teurer?
Für die Studenten bleibt für das Sommersemester das jeweils gültige Semesterticket sowie ein kleiner Trost: Sollte die EU-Kommission grünes Licht geben und das Ticket ab Mai gültig sein, können sie bei den Verkehrsunternehmen ihrer jeweiligen Universitätsstadt den Differenzbetrag von Semesterticket zum 49-Euro-Ticket aus eigener Tasche zuzahlen und so den Nah- und Regionalverkehr bundesweit nutzen – als „Upgrade“.
Mehr: Wie das 49-Euro-Ticket den Nahverkehr auf den Kopf stellt
<< Den vollständigen Artikel: 49-Euro-Ticket: Das Deutschlandticket kostet mehr als geplant >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.