Mar 1, 2023
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Verteidigungsbündnis: Finnlands Nato-Beitritt rückt in greifbare Nähe

Written by Helmut Steuer

Stockholm, Istanbul Finnland ist bereit für den Beitritt zur Nato. Mit überwältigender Mehrheit von 184 zu sieben Stimmen schuf das Parlament in Helsinki am Mittwoch die rechtliche Grundlage für die Mitgliedschaft im nordatlantischen Verteidigungsbündnis.

Bevor das Land aber der Nato tatsächlich beitreten kann, ist noch die Zustimmung der Türkei und Ungarns notwendig. Es sind die einzigen der insgesamt 30 Nato-Mitglieder, die den Beitritt noch nicht genehmigt haben. Beide Länder haben bislang Vorbehalte vor allem gegenüber einem Beitritt Schwedens.

Mit der Zustimmung Ungarns wird voraussichtlich in der kommenden Woche gerechnet. Schwieriger gestaltet sich die Sache mit der Türkei, die die Nato-Norderweiterung seit Langem blockiert.

„Sie lassen Terrororganisationen zu und erwarten gleichzeitig unsere Unterstützung für ihren Nato-Beitritt. Das wird nicht geschehen“, kritisierte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan angesichts genehmigter Demonstrationen kurdischer Organisationen in Stockholm. Außerdem verlangt er die Auslieferung kurdischer Aktivisten, die er als Terroristen bezeichnet.

Der schwedische Regierungschef Ulf Kristersson erklärte, sein Land könne und wolle diese Forderungen nicht erfüllen, da sie nicht im Einklang mit der schwedischen Verfassung stünden. Erdogan deutete daraufhin an, dass er einem alleinigen Beitritt Finnlands zustimmen werde, obwohl es auch in Finnland zu einigen Anti-Erdogan-Demonstrationen gekommen war.

Am Mittwoch gab Staatschef Erdogan bekannt, am 14. Mai als Wahltermin festhalten zu wollen. Das wird in der jetzt beginnenden heißen Wahlkampfphase Zugeständnisse an Schweden unmöglich machen. Denn Erdogan steht unter Druck: Weite Teile der Opposition vertreten beim Thema Terror eine noch härtere Linie als er selbst. Jedes Zugeständnis würde von Erdogans Herausforderern als Schwäche gesehen, insofern kann der autokratische Staatschef nicht mehr von der Linie abweichen, die er selbst vor einem Dreivierteljahr gezogen hatte.

Militärparade in Helsinki

Die finnischen Truppen werden aller Voraussicht nach bald Teil der Nato sein.


(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)

Auch die Erdbebenkatastrophe vom 6. Februar dürfte daran kaum etwas ändern. Zwar hatten die beiden nordeuropäischen Staaten Hilfe im Erdbebengebiet angeboten, doch ob das zu einem Meinungsumschwung in Ankara führt, ist unklar.

Hinzu kommt eine Dynamik innerhalb der Nato, die Ankara gerade in diesen Tagen für sich zu nutzen versucht. Seit der russischen Invasion in der Ukraine gewinnt das westliche Verteidigungsbündnis an Bedeutung – auch, weil nun viele europäische Staaten konkret erfahren, welchen Nutzen die Nato haben kann.

Die Türkei stellt die zweitgrößte Nato-Armee, war aber zuletzt wegen der zunehmend autokratischen Politik in Ankara ins Abseits geraten. Die türkische Blockade bei der Norderweiterung ist damit auch als Ruf nach Aufmerksamkeit zu verstehen, nach dem Motto: „Wir sind wichtig.“

>> Lesen Sie dazu auch: Blinken wirbt in Türkei für schnelle Nato-Norderweiterung

Schweden und Finnland hatten immer wieder betont, „Hand in Hand“ den Weg in die Nato beschreiten zu wollen. Allerdings hat sich zuletzt immer mehr ein Alleingang Finnlands abgezeichnet. Auch in der Bevölkerung gab es zuletzt eine knappe Mehrheit, die sich dafür aussprach, nicht länger auf Schweden zu warten.

Erst am Dienstag hatten Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin in einer gemeinsamen Pressekonferenz um die Zustimmung der Türkei und Ungarns geworben. Der Beitritt beider Staaten habe angesichts des russischen Angriffskriegs in der Ukraine für das Bündnis höchste Priorität, betonte Stoltenberg in Helsinki.

Für Finnland ist das „Ja zur Nato“ ein historischer Schritt: Das Land war mehr als acht Jahrzehnte neutral, gehörte also keinem Militärbündnis an. Doch mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine hat sich die Lage grundlegend verändert. Das Land mit seiner über 1300 Kilometer langen Grenze zu Russland fühlt sich bedroht und reichte im vergangenen Jahr zusammen mit Schweden den Nato-Beitrittsantrag ein.

Manöver finnischer Soldaten

Das finnische Militär gilt als gut ausgerüstet und schlagkräftig. Für die Nato wäre es ein Gewinn.


(Foto: IMAGO/Lehtikuva)

Vor einem endgültigen Beitritt des Landes muss der finnische Präsident die am Mittwoch durch das Parlament geschaffenen rechtlichen Grundlagen noch ratifizieren. Danach stehen aber noch immer die Genehmigungen Ungarns und der Türkei aus. Wann diese erteilt werden, ist unsicher. In Finnland und Schweden hofft man, dass der Nato-Beitritt spätestens im Zusammenhang mit dem Nato-Gipfel im Juli in Vilnius vollzogen werden kann.

Zumindest ist zuletzt wieder Bewegung in den Beitrittsprozess gekommen: Nach einer wochenlangen Pause werden sich Vertreter der Türkei, Finnlands und Schwedens in der kommenden Woche zu neuen Verhandlungen in Brüssel treffen.

Außerdem wird Ungarn eine Parlamentsdelegation nach Helsinki und Stockholm schicken, die mit finnischen und schwedischen Abgeordneten über die Einstellung beider Länder gegenüber Ungarns Rechtsstaatlichkeitsprinzipien diskutieren will. Der ungarische Präsident Viktor Orban hat in der Vergangenheit den nordeuropäischen Ländern vorgeworfen, „Lügen“ über die mangelnde Rechtsstaatlichkeit in seinem Land zu verbreiten.

Beobachter sehen allerdings einen anderen Grund für Ungarns Verzögerungstaktik: Die EU hat wegen der Rechtsstaatlichkeitsdefizite in Ungarn Mittel in Milliardenhöhe eingefroren. Vermutlich erhofft sich Budapest jetzt Unterstützung der beiden nordeuropäischen Länder für eine Freigabe der Mittel.

Mehr: Erdogan nutzt Streit über Nato-Norderweiterung für seinen Wahlkampf



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