Paris Die französischen Gewerkschaften verschärfen ihre Proteste gegen die Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron. Am Dienstag wollen sie mit Arbeitsniederlegungen und Straßenblockaden „Frankreich zum Stillstand“ bringen, so die Ankündigung. In einigen Bereichen wie dem Bahnverkehr sind unbefristete Streiks geplant, die sich über Tage oder sogar Wochen hinziehen könnten.
Eine Mehrheit der Franzosen unterstützt die Protestbewegung, die sich gegen eine schrittweise Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre richtet. Politisch profitiert haben davon aber nicht die den Gewerkschaften nahestehenden linken Parteien. Stattdessen hat der rechtsnationale Rassemblement National (Nationaler Zusammenschluss) von Marine Le Pen die chaotischen Parlamentsdebatten über die Rente genutzt, um sich als glaubwürdige und seriöse Oppositionskraft zu profilieren.
Während das Vertrauen der Franzosen in Macron und seine Regierung sinkt, nimmt die Popularität von Le Pen zu. In einer Erhebung des Instituts Kantar für die Zeitung „Le Figaro“ fielen die Vertrauenswerte für den Präsidenten von Februar auf März um fünf Punkte auf nur noch 30 Prozent. Im gleichen Zeitraum stieg der Anteil der Befragten, die sich künftig eine wichtigere Rolle von Le Pen wünschen, um fünf Punkte auf 35 Prozent.
Jean-Luc Mélenchon, der Wortführer der Linksallianz, verbesserte sich dagegen nur leicht auf 19 Prozent. Le Pens Popularität legte den Angaben zufolge auch bei Franzosen zu, die sich politisch sehr links verorten. In der Kantar-Erhebung geben außerdem 33 Prozent an, eine „gute Meinung“ über den Rassemblement National zu haben – das ist der aktuell höchste Wert für eine politische Partei in Frankreich. Macrons Bündnis liegt bei 25 Prozent.
Weitere Umfragen bestätigen den Trend: In einer Erhebung des Instituts Ifop erklärten 41 Prozent, dass Le Pen die Opposition zu Macron am besten verkörpere. Mélenchon kam dagegen nur auf einen Wert von 23 Prozent. Das französische Politikmagazin „Le Point“ fragte: „Ist der Rassemblement National der große Gewinner der Rentendebatte?“
Marine Le Pen bemüht sich seit Jahren, das rechtsextreme Image abzulegen, das die früher Front National genannte Partei unter ihrem Vater Jean-Marie Le Pen hatte. Die Strategie, durch ein gemäßigteres Auftreten neue Wählerschichten zu gewinnen, scheint aufzugehen: Bei den Präsidentschaftswahlen 2022 zog Le Pen erneut in die Stichwahl gegen Macron ein und erreichte dort ihr bislang bestes Ergebnis.
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Die Rentendiskussion ist der nächste Akt dieser Neuerfindung: Der Rassemblement National lehnt Macrons Politik strikt ab, im Ton geben sich die Abgeordneten aber staatstragend und erschienen in den Parlamentsdebatten bürgerlich gekleidet in Anzug und Krawatte.
Ihr Auftreten unterschied sich von dem der lärmenden Vertreter der Partei Unbeugsames Frankreich des Linkspopulisten Mélenchons. Die Partei dominiert das mit Sozialisten und Grünen geschmiedete Linksbündnis. Mehrfach lösten die Unbeugsamen Tumulte im Parlament aus, unter anderem wurde Arbeitsminister Olivier Dussopt aus ihren Reihen wegen der Rentenreform als „Mörder“ beschimpft.
Chaotische Debatten im Parlament
Die Neue ökologische und soziale Volksunion (Nupes), so der Name der Linksallianz, überflutete das Verfahren in der Nationalversammlung mit Tausenden Änderungsanträgen. Die Folge: Bei der zweiwöchigen Debatte in der wichtigeren der beiden Parlamentskammern konnten nur drei der 20 Artikel des Gesetzes behandelt werden. Auch über den Passus mit der Erhöhung des Renteneintrittsalters diskutierten die Abgeordneten nicht.
„Macron hat nicht das bekommen, was er wollte: ein Votum der Nationalversammlung für die Rente mit 64 Jahren“, freute sich Mélenchon. Die Strategie des Linksbündnisses ist offenbar, Zweifel an der parlamentarischen Legitimität der Rentenreform zu streuen – und damit den Protesten der Straße ein noch größeres Gewicht zu geben.
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Das Vorgehen der linken Opposition kam im Gewerkschaftslager aber nicht unbedingt gut an. Der Chef der gemäßigten Gewerkschaft CFDT beklagte ein „erbärmliches Spektakel“ in der Nationalversammlung, das auf Kosten der Arbeiterschaft gehe.
Ohnehin werden Mélenchon und seine Mitstreiter die Verabschiedung des Gesetzes am Ende nicht parlamentarisch verhindern können. Derzeit wird die Rentenreform im Oberhaus des Parlaments beraten, dem Senat. Beide Kammern müssen sich anschließend auf eine gemeinsame Version verständigen, ehe das Gesetz zurück zur Abstimmung an die Nationalversammlung geht. Dort gilt eine Mehrheit von Macrons regierendem Mitte-Bündnis und den konservativ-bürgerlichen Republikanern für die Reform als wahrscheinlich.
Gewerkschaften wollen Streiks ausweiten
Die absehbare Niederlage der Reformgegner im Parlament bestärkt die Gewerkschaften in ihrem Willen, Macrons Rentenpläne mit dem Widerstand der Straße doch noch zu kippen. Nach fünf landesweiten Protesttagen seit Januar, bei denen mehr als eine Million Menschen auf die Straße gingen, sollen die Streiks deutlich ausgeweitet werden. Die Hardlinergewerkschaft CGT drohte der Regierung mit einer „schwarzen Woche“.
Lastwagenfahrer sollen am Dienstag Straßen blockieren, Bauarbeiter die Arbeit einstellen, Schulen und Universitäten komplett zubleiben. Im Verkehrs- und im Energiesektor drohen die Gewerkschaften, die Arbeitsniederlegungen über den Dienstag hinaus fortzusetzen. „Wir müssen einen Gang höher schalten“, sagte CGT-Chef Philippe Martinez in einem Interview.
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