Berlin Der Bund lehnt es ab, für das von ihm initiierte Deutschlandticket verantwortlich zu sein. Das geht aus der Stellungnahme der Bundesregierung zum laufenden Gesetzgebungsverfahren hervor, zu dem sich zuvor die Bundesländer geäußert und Forderungen an den Bund adressiert hatten. Das Papier liegt dem Handelsblatt vor.
Demnach besteht der Bund auf der Feststellung, „dass nicht der Bund das Deutschlandticket einführt“. Es müsse „unzweideutig“ klar sein, dass die Länder für den öffentlichen Personennahverkehr zuständig seien.
Die Distanzierung ist brisant, da die Länder darauf pochen, dass der Bund sich zu gleichen Teilen am Deutschlandticket beteiligt. So hatte die Länderkammer in der Stellungnahme zur geplanten Änderung des Regionalisierungsgesetzes beschlossen, dass der Bund sich „zur dauerhaften hälftigen Mitfinanzierung“ verpflichtet „oder die Einführung des Deutschlandtickets analog zu dem Geltungszeitraum der Kostenbeteiligung des Bundes auf die Jahre 2023 bis 2025 begrenzt“. Die Einführung sei „eine gesetzliche Verpflichtung der Länder“ durch das Bundesgesetz.
Diese Position teilt der Bund nicht. „Die Umsetzung des Vorhabens erfolgt in der Zuständigkeit der Länder“, stellt die Bundesregierung klar. Der Bund helfe lediglich bei der Finanzierung, indem dieser sich wie die Länder mit dem Gesetz verpflichte, 1,5 Milliarden Euro im Jahr zu zahlen, nicht bei den Mehrkosten.
Der Bundestag will es in der kommenden Woche beschließen, Ende März soll der Bundesrat zustimmen. Ab dem 1. Mai soll das Ticket bundesweit gelten. Vorher noch muss die EU-Kommission grünes Licht geben.
Neue Defizite mit dem Semesterticket
Die Länder hingegen erwarten, dass der Bund sich nicht nur in diesem Jahr zur Hälfte an den gesamten Kosten für das bundesweit gültige Ticket beteiligt, sondern auch in den Folgejahren. Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) forderte „ein verbindliches Bekenntnis der Bundesregierung, dass der Bund sich auch in den Jahren 2024 und 2025 an den Mehrkosten des Deutschlandtickets beteiligt, wenn die bereitgestellten drei Milliarden Euro nicht ausreichen. Die Kommunen und Unternehmen brauchen finanzielle Planungssicherheit.“
Das Defizit der Verkehrsunternehmen könnte spätestens 2024 höher als die bisher veranschlagten drei Milliarden Euro ausfallen. Ein bisher nicht berücksichtigter Kostenblock ist ein rabattiertes Ticket für Studenten, das ab dem Wintersemester jährliche Mehrkosten von bis zu einer halben Milliarde Euro verursachen könnte.
Der Bund hingegen lehnt eine etwaige Nachschusspflicht über 2023 hinaus ab. Bundeskanzler und Ministerpräsidenten hätten auf der letzten Konferenz im Dezember keine derartige Vereinbarung getroffen, heißt es in der Gegenäußerung. „Es braucht natürlich eine tragfähige Anschlussfinanzierung auch über dieses Jahr hinaus, sollte sich zeigen, dass die drei Milliarden als Ausgleich für die Einnahmeverluste nicht ausreichen“, erklärte ein Sprecher des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen.
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Weiter heißt es: „Aus Sicht der Branche ist allerdings völlig klar, dass es für einen Fortbestand des Deutschlandtickets eine gesicherte Finanzierung braucht, die die Verkehrsunternehmen und Verbünde nicht in wirtschaftliche Schieflage bringt.“ Es sei Aufgabe von Bund und Ländern, diese Gefahr zu bannen. Die Branche konzentriere sich derzeit „voll und ganz auf eine erfolgreiche Einführung des Deutschlandtickets“.
Länder fühlen sich vom Bund gedrängt
„Viele Unternehmen haben die Sorge, dass das Geld nicht reicht und das Defizit bei ihnen hängen bleibt“, sagte Winfried Hermann, Verkehrsminister in Baden-Württemberg, am Freitag bei der Debatte im Bundesrat. „Das wäre fatal.“ Es bestehe die Gefahr, dass dann die Qualität im Nahverkehr sinke. Der Bund habe das Deutschlandticket gewollt und „uns gewissermaßen aufgedrängt“, stellte er klar.
Laut Grundgesetz sind die Länder für den Nahverkehr zuständig. Daher lehnt es der Bund auch ab, mit den Ländern jedes Jahr darüber zu reden, wie hoch der Ticketpreis sein soll. Die Länder pochen auf die Option, damit die Unternehmen weitere Verluste ausgleichen können.
In der Regierungskoalition in Berlin hieß es, wichtig sei, das Ticket jetzt umzusetzen. Alle anderen Fragen, etwa wie der Nahverkehr dauerhaft finanziert und Marktanteile gewinnen könne, kläre eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe. Sie soll einen „Ausbau- und Modernisierungspakt“ schmieden.
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Der Bund verweist darauf, dass 2025 das Ticket ohnehin neu verhandelt werden müsse. Für die Zeit ab 2026 sei ein neues Gesetzgebungsverfahren nötig, um die Finanzierung zu sichern. Bis dahin soll es auch einen neuen Mechanismus geben, wie die Länder die Einnahmen untereinander aufteilen. Dazu müssen sie umfangreich erheben, wer wo den Nahverkehr wie häufig nutzt.
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