Insgesamt liegt der Frauenanteil in der Pharmabranche bei 45 Prozent.
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Berlin Anfang der Woche machte Andrea Nahles deutlich, was sie für das beste Mittel gegen den Fachkräftemangel hält. Frauen seien ein „unverzichtbarer Hebel“, sagte die Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA). Eine Branche ist damit bereits besonders weit, wie aus einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hervorgeht, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.
In Pharmaberufen, so heißt es darin, wurde der Jobboom der vergangenen Jahre „maßgeblich durch Frauen getrieben“. Konkret arbeiteten in den Kernberufen der Branche im Jahr 2021 knapp 278.000 Beschäftigte und damit rund 20.000 mehr als im Jahr 2013 – 80 Prozent dieser zusätzlich geschaffenen Stellen entfielen auf Frauen.
Zu den Kernberufen zählen Chemie- und Pharmatechniker und Pharmazeuten in der Industrie, aber auch im pharmazeutischen Großhandel, in Apotheken und im Gesundheitswesen.
Die Branche hebt sich damit deutlich von anderen ab. Im Durchschnitt aller Berufe ist der Beschäftigungsaufbau seit 2013 nur mit einem Anteil von elf Prozent auf Frauen in Vollzeit und 39 Prozent in Teilzeit zurückzuführen, heißt es in der IW-Analyse. In den Pharmakernberufen waren es hingegen 46 Prozent in Vollzeit und 34 Prozent in Teilzeit. Insgesamt liegt der Frauenanteil in der Branche bei 45 Prozent.
„Auch aufgrund dieser Entwicklung haben pharmazeutische Unternehmen den Fachkräftemangel bislang vergleichsweise gut abfedern können – im Gegensatz zu anderen Branchen“, sagt die Studienautorin und IW-Forscherin Lydia Malin. Mehr als jedes zweite Unternehmen kann nicht mehr alle offenen Stellen besetzen, zeigte eine Studie der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) im Januar. Deutschland koste das demnach 100 Milliarden Euro an Wertschöpfung. Laut Bundesagentur für Arbeit sind derzeit 778.000 Stellen unbesetzt.
Ein großer Teil davon entfällt auf frauendominierte Branchen, etwa die Sozial- und Gesundheitsberufe. Dazu zählt die Berufsgruppe der Sozialarbeit und Sozialpädagogik sowie die Alten- und Krankenpflege. Fachkräfte fehlen aber auch in Berufen mit hohem Männeranteil wie in der Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Diese sind für eine erfolgreiche Energie- und Klimawende, etwa durch die Installation von Solaranlagen oder die Optimierung von Heizungsanlagen, unverzichtbar. In der IT-Branche sieht es ebenfalls düster aus.
Von Fachkräftemangel keine Spur
In den Pharmaberufen waren vergangenes Jahr laut IW hingegen nur rund 1000 Stellen unbesetzt. „Das liegt auch daran, dass Unternehmen in pharmazeutischen Kernberufen ein besonders gutes Arbeitsumfeld für Frauen geschaffen haben“, sagt Expertin Malin. Für andere Branchen sei dies ein Vorbild.
In der Studie heißt es dazu, dass vom Fachkräftemangel geplagte Unternehmen zunehmend auf jene Instrumente setzten, „die sich bereits in der Pharmaindustrie zu bewähren scheinen“. Nicht nur attraktive Gehälter und Sozialleistungen würden demnach für einen Job in der Pharmabranche sprechen.
So setzten pharmazeutische Unternehmen bereits seit Jahren vermehrt auf flexible Arbeitszeitmodelle und Unterstützung bei der Kinderbetreuung, schreiben die Autoren. Zudem schafften die Unternehmen passende Rahmenbedingungen für einen Wiedereinstieg von Eltern, „um dem Wunsch vieler nach einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu begegnen“.
Das dürfte auch der Grund für den vergleichsweise hohen Anteil von in Vollzeit beschäftigten Frauen in Pharmakernberufen sein, der insgesamt bei 31 Prozent liegt. Über alle Branchen hinweg liegt er lediglich bei rund 23 Prozent, was auch in den Augen von BA-Chefin Nahles ein Problem ist. Häufig würden Frauen ihre Arbeitszeit einschränken, um ihre Kinder zu betreuen oder Angehörige zu pflegen.
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Eine Vielzahl der pharmazeutischen Unternehmen strebt zudem laut IW mittelfristig Geschlechterparität an – und das auf allen Qualifikationsstufen. Unter Beschäftigten mit Master- und Diplomabschluss waren im Jahr 2021 bereits 56 Prozent weiblich. Auf Spezialistenniveau mit einem Bachelorabschluss waren es immerhin schon 53 Prozent. Lediglich auf Fachkräfteniveau mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung lag der Frauenanteil bei nur 41 Prozent.
In den Topmanagement-Positionen spiegelt sich das ausgewogene Geschlechterverhältnis bislang allerdings weniger wider, auch wenn sich die Differenz langsam verringert. So ist in der Pharmaindustrie rund jede fünfte Topführungskraft eine Frau, 2015 lag der Anteil laut der IW-Studie bei 15 Prozent. Hier muss die Pharmabranche – ähnlich wie andere – also noch aufholen.
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