Mar 7, 2023
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Großbritannien: London will Bootsflüchtlinge mit drakonischen Maßnahmen abschrecken

Written by Torsten Riecke


Bootsflüchtlinge in Dover

Die britische Regierung will die Einreise von Flüchtlingen stoppen.


(Foto: AP)

London Die britische Regierung will ihr Einwanderungsrecht drakonisch verschärfen, um die illegale Einreise von Flüchtlingen über den Ärmelkanal zu stoppen. Die Regierung sei bereit, „an die Grenzen des internationalen Rechts“ zu gehen, um die aktuelle Krise zu lösen, sagte Innenministerin Suella Braverman. Die Zeit für „halbherzige Maßnahmen“ sei vorbei.

Im vergangenen Jahr kamen mehr als 45.000 Flüchtlinge mit kleinen Booten nach Großbritannien. 2018 waren es nur etwa 300.

Die konservative Politikerin stellte am Dienstag im Unterhaus einen Gesetzentwurf vor, der die Regierung verpflichtet, die meisten illegalen Bootsflüchtlinge für bis zu 28 Tage ohne Anhörung zu inhaftieren und „so schnell wie vernünftigerweise möglich“ in einen sicheren Drittstaat wie Ruanda abzuschieben. Ausgenommen sind nur Minderjährige und besonders gefährdete Personen.

Das Asylrecht für illegal einreisende Flüchtlinge wird damit nahezu abgeschafft. Für legal einreisende Migranten kündigte Braverman eine jährliche Obergrenze an.

Die Regierung in London steht bei dem Asylthema innenpolitisch enorm unter Druck. Nach Meinungsumfragen ist die illegale Einwanderung für die Briten nach der Wirtschaftskrise und der Misere im staatlichen Gesundheitssystem das drängendste Problem. Die Einwanderungszahlen nach unten zu bringen war zudem eines der wichtigsten Argumente der Brexit-Anhänger für den Austritt aus der EU.

Großbritannien will nach Ruanda abschieben, doch die rechtlichen Hürden sind hoch

Premierminister Rishi Sunak hatte seinen Landsleuten zum Jahresbeginn versprochen, dass er die Flüchtlingsboote an der britischen Küste stoppen werde. Das neue Gesetz ist nach seinen Worten „ein klares Signal, dass jeder, der illegal in dieses Land kommt, schnell abgeschoben wird“.

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Großbritannien hatte bereits im vergangenen Jahr ein Abkommen mit Ruanda über die Aufnahme von Flüchtlingen geschlossen. Der Plan stieß jedoch auf erhebliche juristische Hürden, sodass bis heute kein einziger Migrant in den afrikanischen Staat ausgeflogen werden konnte. Auch das neue Gesetz könnte der UN-Flüchtlingskonvention und der Europäischen Konvention für Menschenrechte widersprechen.

Sunak hat nicht ausgeschlossen, dass er Großbritanniens Mitgliedschaft in der Europäischen Menschenrechtskonvention notfalls aufkündigen könnte, um seine Pläne durchzusetzen. Ein solcher Schritt könnte einen neuen Konflikt mit der Europäischen Union provozieren.

Insbesondere die Tatsache, dass die „Pflicht zur Abschiebung“ künftig Vorrang gegenüber einem Anhörungsrecht für politisches Asyl bekommen soll, führt bereits jetzt zu Protesten von Menschrechtsorganisationen. „Die mangelhafte Gesetzgebung der Regierung wird die Boote nicht stoppen, sondern dazu führen, dass Zehntausende zu enormen Kosten in Haft gehalten werden“, sagte Enver Solomon, Geschäftsführer der britischen Organisation Refugee Council.

Die britische Innenministerin Suella Braverman

Braverman stellte am Dienstag in London ein neues Gesetz gegen illegale Einwanderer vor.


(Foto: AP)

Oppositionsführer Keir Starmer von der Labour-Partei nannte die Pläne der Regierung „undurchführbar“. Braverman warf daraufhin der Opposition „Verrat an hart arbeitenden Briten“ vor, was darauf hindeutet, dass die regierenden Tories die Flüchtlingskrise zu einem Wahlkampfthema für die voraussichtlich im kommenden Jahr stattfindenden Parlamentswahlen machen wollen.

Der Vorstoß von Sunak und Braverman stößt jedoch nicht nur auf rechtliche und politische Widerstände, sondern auch auf praktische Hürden. Der Weg nach Ruanda ist momentan noch durch die Gerichte versperrt, und ein anderes sicheres Drittland für die Abschiebung gibt es bislang ebenso wenig wie ein Rückführungsabkommen mit europäischen Nachbarländern. Unklar ist außerdem, wo die inhaftierten Flüchtlinge bis zur Abschiebung untergebracht werden sollen. In der Diskussion sind ehemalige Kasernen.

Frankreich soll den Briten helfen

Der britische Premierminister erhofft sich insbesondere von Frankreich mehr Unterstützung bei der Kontrolle der französischen Küste, von wo aus die meisten Flüchtlingsboote zu ihrer gefährlichen Kanalüberquerung aufbrechen. Nachdem Sunak den Streit mit der EU über Nordirland vergangene Woche hat beilegen können, setzt er nun darauf, dass Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ihm beim britisch-französischen Gipfeltreffen am Freitag in Paris in der Flüchtlingsfrage zu Hilfe kommt.

Die Briten überweisen bereits jetzt rund 67 Millionen Euro pro Jahr nach Paris, damit mehr französische Grenzschützer die Flüchtlinge an ihrer Weiterreise nach Großbritannien hindern. Die Asylverfahren kosten den britischen Staat nach Angaben der Innenministerin mehr als drei Milliarden Euro pro Jahr.

Der Großteil der Asylbewerber in Großbritannien kam im vergangenen Jahr aus Albanien, gefolgt von Flüchtlingen aus Afghanistan, dem Iran und Irak. Im laufenden Jahr sind bereits mehr als 3000 Personen mit Booten nach Großbritannien gekommen. Im November 2021 ertranken 31 Menschen bei der Überfahrt, nachdem ihr Boot gekentert war.

Mehr: Beginnt in Großbritannien jetzt der Reueprozess?



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