Mar 14, 2023
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Klimaschutz: Wissings Gutachter widersprechen Minister – und rechnen mit Pkw-Maut und Verbrenner-Aus

Written by Daniel Delhaes


Verkehrsminister Volker Wissing

Seit Monaten liefert sich der FDP-Mann mit den Grünen einen Schlagabtausch zur Frage, wie Deutschland in Zukunft mobil sein soll, ohne Kohlendioxid auszustoßen.



(Foto: Reuters)

Berlin Für Volker Wissing ist es einfach nur „Klima-Blabla“, wenn sein Koalitionspartner, die Grünen, mehr Klimaschutz und weniger Verkehr anmahnt. Auch Aussagen von Dirk Messner, immerhin Chef des Umweltbundesamts (UBA), lassen den Bundesverkehrsminister kalt. Messner sagt, das Straßennetz sei „im Großen und Ganzen ausreichend“. Wissing aber will es ausbauen.

Seit Monaten liefern sich FDP und Grüne einen Schlagabtausch zur Frage, wie wir in Zukunft mobil sein wollen, ohne Kohlendioxid auszustoßen. An diesem Mittwoch wird Messner die Debatte weiter befeuern, indem er die Treibhausgasbilanz für 2022 vorlegt. Wie schon 2021 dürften die Deutschen mehr CO2 unterwegs ausgestoßen haben, als sie laut Klimaschutzgesetz dürfen.

Nach dem Geist des Gesetzes muss der Verkehrsminister binnen vier Monaten ein Sofortprogramm vorlegen. Die darin enthaltenen Maßnahmen müssen so schnell wirken, dass auf Straßen, Schiene, Wasserwegen und in der Luft nur noch so viel emittiert wird wie erlaubt. Dies gelingt allenfalls mit weniger Verkehr, also mit Verboten wie einem Tempolimit. Doch der Minister wird wie schon im vergangenen Jahr wieder abwinken.

Autoverkehr wird weiterwachsen und die Emissionen erhöhen

Damals schlug Wissing stattdessen vor, Radwege und Ladesäulen auszubauen und mit dem Neun-Euro-Ticket den Nahverkehr zu fördern. „Mit unserem heute vorgestellten Maßnahmenpaket gleichen wir die Differenz vollständig aus und führen den Verkehrssektor zurück auf den Pfad der Einhaltung der Klimaziele“, versprach er.

Dieses Mal hat er sich neue Argumente bereitgelegt: eine langfristige Verkehrsprognose. „Ich richte meine Verkehrspolitik an den tatsächlichen Begebenheiten aus, an Zahlen, Daten und Fakten und nicht an politischem Wunschdenken“, begründet der Minister.

>> Lesen Sie hier auch: Wissing schmiedet Allianz gegen geplantes Verbrenner-Aus 2035

Die Zahlen zeigen: Der Verkehr wächst in den nächsten 20 Jahren – vor allem auf der Straße. So wird der Lkw das wichtigste Transportmittel bleiben und sogar Marktanteile gewinnen. Lediglich im Personenverkehr gewinnt die Bahn Anteile hinzu. Auto und Motorrad bleiben aber für mehr als zwei Drittel der Fahrten das Mittel der Wahl.

Hinzu kommt, dass sich hinter den Daten Annahmen verbergen, die der Minister eigentlich rundweg ablehnt: ein Verkaufsstopp für neue Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035, ein weitgehendes Tempo 30 in Städten, deutlich weniger Parkplätze und zugleich höhere Parkgebühren.

Sogar eine Pkw-Maut von fünf Cent je Kilometer unterstellen die Gutachter. Das Brisante: Die Prämissen sind mit dem Ministerium abgestimmt – und laut Gutachter wirken sie.

Demnach würde der motorisierte Individualverkehr „teilweise eine Dämpfung“ erfahren und die Menschen würden Bus und Bahn stärker nutzen, wenn Autofahren zu teuer oder die Suche nach einem Parkplatz zu mühsam wird. Heißt: Ohne die Maßnahmen würde der Verkehr noch stärker wachsen.

Ministerium: „Derzeit keinerlei Planungen“ für eine Pkw-Maut

Das Ministerium bestreitet die Wirkung nicht. Die Annahmen seien aber „keine Vorfestlegung auf spätere politische Entscheidungen“, erklärte ein Sprecher auf Nachfrage. Und die Pkw-Maut erklärt das Ministerium damit, dass der unterstellte CO2-Preis auf Benzin und Diesel mit 100 Euro je Tonne CO2 zu niedrig angesetzt worden sei. Mit der Maut ergebe sich „das korrekte Kostenniveau im Pkw-Verkehr“. Für eine Maut gebe es aber „derzeit keinerlei Planung“.

Parkhaus in Berlin

Wenn Parkgebühren steigen, steigt der Anreiz, auf den Nahverkehr umzusteigen.


(Foto: imago/Jürgen Ritter)

Die Gutachter schreiben indes, sie hätten angesichts der Verkehrs- und Klimaziele „ambitionierte, insgesamt aber realistische und an den absehbaren Planungen und Notwendigkeiten orientierte Entwicklungen bis 2040 angenommen“. Auch Wissings Expertenbeirat „Klimaschutz in der Mobilität“ fordert in einem jüngst veröffentlichten Positionspapier einen „Politikmix aus Bepreisung, Förderung und Ordnungsrecht“. Nur darauf zu setzen, dass Autos und Lkw nicht mehr mit Benzin und Diesel führen, sondern nur noch elektrisch, reiche nicht.

In einem Punkt aber sind sich die Gutachter mit dem Minister einig: Ein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen bringe nicht viel für den Klimaschutz. In der Frage hatte es erst kürzlich einen heftigen Streit zwischen dem Umweltbundesamt und der FDP-Fraktion im Bundestag gegeben. Nachdem das UBA mit einem Gutachten erklärt hatte, eine Geschwindigkeitsbegrenzung bringe bis zu drei Mal mehr fürs Klima als bislang angenommen, gab die FDP ein Gegengutachten in Auftrag. Dessen Ergebnis: Selbst die bisherigen Annahmen seien zu optimistisch. Die Maßnahme helfe nicht.

Wissings Sprecher erklärte, der Minister setze weiter auf „selbstbestimmte Mobilität der Menschen“. Daher sei der Ausbau der Infrastruktur dringlicher denn je. Angesichts des steigenden Verkehrs „brauchen wir jetzt die Planungsbeschleunigung für alle Verkehrsträger – Schiene, Straße und Wasserwege“.

Mehr: Wissings Ministerium lässt Forschungszentrum von Amtsvorgänger Scheuer fallen



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