Brüssel Die EU will die Abhängigkeit von Rohstoffimporten verringern. Kritische Mineralien sollen künftig in größeren Mengen aus heimischen Minen stammen und in Europa verarbeitet werden. Das geht aus einem Entwurf für den Raw Materials Act hervor, der dem Handelsblatt vorliegt. Auch das Recycling von Rohstoffen will die EU stärken.
Das Gesetz, das von Industriekommissar Thierry Breton erarbeitet wurde, zielt darauf ab, „wachsenden Versorgungsrisiken“ bei Rohstoffen entgegenwirken, die für die Digitalisierung und die Energiewende erforderlich sind. Dem Entwurf zufolge sollen künftig zehn Prozent des europäischen Bedarfs an „strategischen Rohstoffen“ in der EU abgebaut werden. Zusätzliche 15 Prozent sollen durch Recycling gewonnen werden.
Bisher stuft die EU 30 Mineralien oder Mineraliengruppen als kritisch ein – etwa Gallium, Phosphat, Cobalt und Lithium. Die Liste soll nun regelmäßig überarbeitet werden. Für Digitalisierung und die Energiewende sind diese Rohstoffe unverzichtbar.
Auch den Bau von Raffinerien, in denen die Mineralien aufbereitet werden, will die EU fördern und schlägt ein Produktionsziel von 40 Prozent des Bedarfs vor. Kapazitäten in diesem Bereich sind in Europa bisher kaum vorhanden.
Um ihre Ziele zu erreichen, setzt die EU auf schnellere Genehmigungsverfahren. Bisher können zwischen dem ersten Antrag auf Ausbeutung eines strategischen Rohstoffvorkommens und dem Beginn der Förderung mehr als zehn Jahre liegen. Künftig soll der Genehmigungsprozess maximal zwei Jahre dauern. Vor allem die Abschätzung von Umweltfolgen soll drastisch verkürzt werden. Die Kommission hofft, dass die ersten Projekte schon 2030 realisiert werden.
EU bislang von anderen Ländern abhängig
„Der Fokus auf die Genehmigungsverfahren ist besonders wichtig“, sagt Hildegard Bentele (CDU), Berichterstatterin für kritische Rohstoffe im EU-Parlament. Der Vorschlag der Kommission sei „konstruktiv“ und in Teilen „sehr ambitioniert“. Spannend werde nun, wie sich die Mitgliedstaaten positionierten.
In Berlin stößt die EU-Initiative auf Zustimmung: „Wir können in Europa nachhaltigen Rohstoffabbau, aber auch Weiterverarbeitung und Recycling zum Markenkern machen und zusammen mit unseren Partnern die grünen Wertschöpfungsketten der Zukunft bauen“, sagt Franziska Brantner (Grüne), die zuständige parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium.
Bisher ist die EU fast vollständig von Lieferungen aus dem Ausland abhängig. Bei 14 von 27 kritischen Rohstoffen liegt die Importquote bei 100 Prozent, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergeben hat. Die EU-Kommission kalkuliert mit ähnlichen Zahlen. Die globale Versorgung wird mit kritischen Rohstoffen von China dominiert.
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Diese Abhängigkeit könne sich Europa nicht mehr leisten, argumentiert Breton. Der Ukrainekrieg hat deutlich gemacht, dass autoritäre Staaten Rohstoffe als Druckmittel nutzen. Die russische Führung hat versucht, Europa mit einem Erdgas-Embargo zu erpressen. „Das Risiko von Versorgungsunterbrechungen ist vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen gewachsen“, schreibt die Kommission in ihrem Gesetzentwurf.
Nachfrage nach kritischen Materialien nimmt zu
Zugleich nimmt die Nachfrage nach kritischen Mineralien drastisch zu. So werde der Lithium-Bedarf im Jahr 2050 57-mal so groß sein wie bisher, erwartet die EU-Kommission. Bisher werden zwischen 60 und 70 Prozent des weltweiten Verbrauchs von China gedeckt, wo Lithium in Raffinerien aufbereitet wird. Abgebaut wird es vor allem in den Salzseen Lateinamerikas.
Lithium ist ein kritischer Rohstoff für Batterien – und damit für den Markterfolg von Elektroautos von großer Bedeutung. Auch seltene Erden werden zu den kritischen Mineralien gezählt, sie kommen nicht nur in IT-Produkten wie Smartphones zum Einsatz, sondern auch in modernen Windrädern. Und sie stammen in fast allen Fällen aus China.
„Lithium und seltene Erden werden bald wichtiger sein als Öl und Gas“, sagt Kommissionschefin Ursula von der Leyen. „Allein unser Bedarf an seltenen Erden wird sich bis 2030 verfünffachen.“
Dass China nicht mehr vorbehaltlos als verlässlicher Lieferant gilt, liegt nicht nur an der aggressiven Außenpolitik von Staatschef Xi Jinping und den militärischen Drohungen gegen Taiwan.
Die Kommission merkt in ihrem Gesetzentwurf an, dass China 2021 die Lieferung von Magnesium unterbrochen habe – und dass die EU damals fast vollständig auf chinesische Importe angewiesen gewesen sei. Mit dem geplanten Gesetz will die Kommission die Grundlage schaffen, Stresstests für die Versorgungssicherheit in Branchen wie erneuerbaren Energien und der Chipindustrie anzuordnen.
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Die Rohstoffförderung aus Lagerstätten in Europa ist allerdings umstritten. Das zeigt das Bespiel einer geplanten Lithium-Mine in Serbien. Nach Protesten der Bevölkerung zog die Regierung eine Genehmigung für den Konzern Rio Tinto zurück. Das Projekt hängt in der Schwebe. Um die Abhängigkeit von Rohstoffimporten zu verringern, wird die EU noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.
<< Den vollständigen Artikel: Lithium und Co.: „Wichtiger als Öl“: Die EU will die Förderung seltener Mineralien steigern >> hier vollständig lesen auf www.handelsblatt.com.